Ecdysteron

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Strukturformel
Strukturformel von 20-Hydroxyecdyson
Allgemeines
Name Ecdysteron
Andere Namen

20-Hydroxyecdyson

Summenformel C27H44O7
Kurzbeschreibung

weißer Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 5289-74-7
EG-Nummer (Listennummer) 811-097-1
ECHA-InfoCard 100.241.312
PubChem 5459840
ChemSpider 4573597
Wikidata Q423338
Eigenschaften
Molare Masse 480,6 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[2]
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Ecdysteron, auch 20-Hydroxyecdyson genannt, ist ein Hormon aus der Gruppe der Ecdysteroide, welches die Häutung (Ecdysis) und Metamorphose von Häutungstieren (Ecdysozoa) wie Krebsen, Spinnen und Insekten steuert. Darüber hinaus wird es von vielen Pflanzen als Bestandteil der Abwehr gegen Fraßfeinde gebildet. Ein mögliches Vorkommen in Säugetieren resultiert aus einer Aufnahme ecdysteronhaltiger Pflanzen und Insekten oder aus einem Befall von Parasiten und kann Auswirkungen auf den Säugetierorganismus haben.[4] Es wurde bereits 1966 von H. Hoffmeister beschrieben.[5] Einen Beitrag zur Strukturaufklärung leisteten H. Hoffmeister, H.-F. Grützmacher und K. Dünnebeil.[6]

Biochemie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ecdysteron ist ein vom Cholesterol abgeleitetes Steroidhormon. Es ist ein C27-Steroid, welches sich von den Steroidhormonen der Säugetiere durch eine cis-Verknüpfung der Ringe A/B und durch eine ausgeprägte Hydroxylierung unterscheidet.

Biosynthese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Biosynthese des Ecdysterons in Insekten wurde am besten am Beispiel der Fruchtfliege Drosophila melanogaster untersucht. Ausgehend vom Cholesterol erfolgt in einem ersten Schritt die Dehydrogenierung zu 7-Dehydrocholesterol unter Beteiligung mikrosomaler Cytochrom-P450-Enzyme in der Prothoraxdrüse. In mehreren Oxidationsschritten wird das 7-Dehydrocholesterol über Ketodiol und Ketotriol mit Hilfe verschiedener Hydroxylasen zu 2-Desoxyecdyson, Ecdyson und schließlich Ecdysteron hydroxyliert.[7] Die Gene, welche für die beteiligten Cytochrom-P450-Enzyme codieren, werden als Halloween-Gene bezeichnet.

Wirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Physiologische Wirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bänder-Strukturmodell der Ligandenbindungsdomäne des Ecdyson-Rezeptors mit gebundenen Liganden (Kalottenmodell)

Bei den Vertretern des Überstamms der Häutungstiere fungiert Ecdysteron als ein Hormon. Es reguliert zahlreiche physiologische Prozesse der Häutungstiere, insbesondere den Häutungsprozess, die Metamorphose und die Fortpflanzung. Seine Hormonwirkung ist auf eine Aktivierung intrazellulärer Ecdysonrezeptoren und einem daraus folgenden spezifischen Start der Proteinbiosynthese den Häutungsprozess regulierender Proteine zurückzuführen.

Wirkung auf den Säugetierorganismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wenngleich Säugetiere über keinen Ecdysteroidrezeptor verfügen, besitzt Ecdysteron mögliche Wirkungen auf den Säugetierorganismus. Diese schließen eine Beeinflussung der Proteinbiosynthese[8], des Fettstoffwechsels und des Kohlenhydratstoffwechsels ein. Für diese möglichen Wirkungen werden Interaktionen von Abbauprodukten des Ecdysterons mit verschiedenen Kernrezeptoren oder eine direkte Modulation von GABA-Rezeptoren[9] diskutiert.

Früher wurden muskelaufbauende Wirkungen von Ecdysteron angezweifelt;[10] jedoch bewirken beim Menschen verschiedene Ecdysteroide – insbesondere das Ecdysteron – anabole Effekte; daher werden sie seit Längerem zur Leistungssteigerung bei Sportlern eingesetzt („Mesobolin“).[4][8] Ein Review von 2018 fasst jedoch zusammen, dass Studien an Menschen nicht nachweisen konnten, dass die Einnahme von Ecdysteron anabol wirkt.[11] Die schädlichen Nebenwirkungen von Testosteron-Derivaten treten nicht auf.[12] Da der Mensch eine relevante Menge über die Nahrung (etwa aus Spinat, der sortenabhängig bis zu 120 μg/g enthält) aufnehmen kann, gelten Ecdysteroide bisher nicht als Dopingsubstanzen.[13][12]

Verwendung als Induktor in der Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ecdysteron und andere Ecdysteroide werden in der biochemischen Forschung als Induktoren bei transgenen Tieren eingesetzt. Dabei wird in ein Tier ein neues Gen so eingebaut, dass dessen Expression unter der Kontrolle eines eingesetzten Ecdyson-Rezeptors steht. Dies bietet unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit, durch Hinzufügen oder Entfernen von Ecdysteroiden in der Nahrung des Tieres das eingesetzte Gen ein- bzw. auszuschalten (gene switch).[14] Neben den verschiedenen Ecdysteroiden können noch andere Substanzen als Liganden oder Coliganden an einen Ecdysteroid-Rezeptor binden, die sich in der Eignung als Induktor unterscheiden.[15]

Außer der jeweils nach Baseline-Expression und Induktionsrate bemessbaren Induzibilität sind für diese Funktion auch die Bioverfügbarkeit bei oraler Aufnahme, die Reversibilität der Bindung bzw. Induktion, und die Dosis-Abhängigkeit der Antwort bedeutsam. Insbesondere aber sollte das jeweilige Gen-Switch-System spezifisch sein, also idealerweise nicht mit endogenen Regulationsnetzwerken interferieren und allein durch exogene Verbindungen aktivierbar sein. Für den Einsatz in Tieren oder Menschen erscheinen nur solche geeignet, die ohne schädliche Wirkung auf den Organismus sind und keine Immunreaktionen auslösen.[14]

Für Anwendungen in der Gentherapie ist es sinnvoll, die natürlichen Quellen von Ecdysteroiden beim Menschen genauer zu untersuchen. Hierzu scheinen außer den ernährungsbedingten Phytoecdysteroiden auch die Darmflora sowie Helmintheninfektionen und andere Krankheiten zu gehören.[16] In-vitro-Untersuchungen legen nahe, dass Ecdysteron Auswirkungen auf einige Arten von Blutzellen wie Lymphozyten und Neutrophilen hat und als Immunmodulator wirken kann.[17]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Datenblatt 20-Hydroxyecdysone, ≥93% (HPLC), powder bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 3. Dezember 2012 (PDF).
  2. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  3. a b Nippon Yakurigaku Zasshi. In: Japanese Journal of Pharmacology. Vol. 66, 1970, S. 551.
  4. a b L. Dinan, R. Lafont: Effects and applications of arthropod steroid hormones (ecdysteroids) in mammals. In: J. Endocrinol. Band 191, Nr. 1, Oktober 2006, S. 1–8, doi:10.1677/joe.1.06900, PMID 17065383.
  5. H. Hoffmeister: Ecdysterone, a new metamorphosis hormone of insects. In: Angew Chem Int Ed Engl. 5(2), Feb 1966, S. 248–249. PMID 4956560
  6. H. Hoffmeister, H.-F. Grützmacher, K. Dünnebeil: Studies on the structure and biochemical action of ecdysterone. In: Z Naturforsch B. 22(1), Jan 1967, S. 66–70. PMID 4384828
  7. C. S. Thummel, J. Chory: Steroid signaling in plants and insects--common themes, different pathways. In: Genes Dev. Band 16, Nr. 24, Dezember 2002, S. 3113–3129, doi:10.1101/gad.1042102, PMID 12502734.
  8. a b M. K. Parr, F. Botrè, A. Naß, J. Hengevoss, P. Diel: Ecdysteroids: A novel class of anabolic agents? In: Biology of Sport. Band 32, Nr. 2, Juni 2015, S. 169–173, doi:10.5604/20831862.1144420, PMID 26060342, PMC 4447764 (freier Volltext).
  9. S. Tsujiyama, H. Ujihara, K. Ishihara, M. Sasa: Potentiation of GABA-induced inhibition by 20-hydroxyecdysone, a neurosteroid, in cultured rat cortical neurons. In: Jpn. J. Pharmacol. Band 68, Nr. 1, Mai 1995, S. 133–136, PMID 7494377.
  10. R. B. Kreider, C. D. Wilborn, L. Taylor u. a.: ISSN exercise & sport nutrition review: research & recommendations. In: J Int Soc Sports Nutr. Band 7, 2010, S. 7, doi:10.1186/1550-2783-7-7, PMID 20181066, PMC 2853497 (freier Volltext).
  11. C. Kerksick, C. Wilborn, M. Roberts, A. Smith-Ryan, S. Kleiner: ISSN exercise & sports nutrition review update: research & recommendations. In: Journal of the International Society of Sports Nutrition. Band 15, 1. August 2018, doi:10.1186/s12970-018-0242-y, PMID 30068354, PMC 6090881 (freier Volltext).
  12. a b Eintrag zu Ecdysteroide. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 17. Januar 2018.
  13. Spinat: Gehört das Gemüse wirklich auf die Doping-Liste? In: Der Spiegel. 25. Juni 2019 (spiegel.de [abgerufen am 29. Juni 2023]).
  14. a b R. Lafont und L. Dinan: Practical uses for ecdysteroids in mammals including humans: an update. In: Journal of Insect Science. Band 3, Nr. 7, März 2003, doi:10.1093/jis/3.1.7, PMID 15844229, PMC 524647 (freier Volltext).
  15. E. Saez, M. C. Nelson, B. Eshelman, E. Banayo, A. Koder, G. J. Cho, R. M. Evans: Identification of ligands and coligands for the ecdysone-regulated gene switch. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 97, Nr. 26, Dezember 2000, S. 14512–14517, doi:10.1073/pnas.260499497, PMID 11114195, PMC 18950 (freier Volltext).
  16. L. Graham: Ecdysone-controlled expression of transgenes. In: Expert Opinion on Biological Therapy. Band 2, Nr. 5, 2002, S. 525–535, doi:10.1517/14712598.2.5.525, PMID 12079488.
  17. D. Trenin und V. Volodin: 20-hydroxyecdysone as a human lymphocyte and neutrophil modulator: in vitro evaluation. In: Archives of Insect Biochemistry and Physiology. Band 41, Nr. 3, 1999, S. 156–161, doi:10.1002/(SICI)1520-6327(1999)41:3<156::AID-ARCH7>3.0.CO;2-Q.