Efgartigimod alfa

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Efgartigimod alfa (INN[1])
Andere Namen
  • ARGX-113
Masse/Länge Primärstruktur 54 kDa
Bezeichner
Externe IDs
Arzneistoffangaben
DrugBank DB15270
Wirkstoffklasse FcRn-Antagonist

Efgartigimod alfa ist ein Arzneistoff mit immunmodulierender Wirkung. Er wurde unter dem Namen Vyvgart (Hersteller: Argenx) im Dezember 2021 in den USA, im Januar 2022 in Japan und im August 2022 zur Behandlung der Myasthenia gravis zugelassen. Myasthenia gravis ist eine seltene neuromuskuläre Autoimmunerkrankung, bei der die Betroffenen an einer belastungsabhängigen Ermüdung der Skelettmuskulatur leiden.

Efgartigimod alfa wird intravenös verabreicht. Es handelt sich um ein First-in-class-Medikament.

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Efgartigimod alfa ist ein Antikörperfragment, das sich vom Fc-Abschnitt des humanen Immunglobulin G1 (IgG1) ableitet, in der Glykosylierungsform alpha.[1]

Es handelt sich ein Homodimer aus zwei identischen Peptidketten zu jeweils 227 Aminosäuren, wobei an fünf Positionen die Aminosäuren durch andere ersetzt sind im Vergleich zur genuinen Sequenz. Die Ketten sind über zwei Disulfidbrücken miteinander verbunden.[1] Die molare Masse von Efgartigimod alfa beträgt etwa 54 kDa,[2] wovon 51,3 kDa auf den Proteinanteil entfallen.

Efgartigimod alfa wird durch rekombinante DNA-Technologie unter Verwendung von Zelllinien aus Ovarien des Chinesischen Zwerghamsters (CHO-Zellen) hergestellt.[1]

Wirkungsmechanismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vereinfachte schematische Darstellung des angenommenen Wirkungsmechanismus von FcRn-Inhibitoren (Abdeg, antibody that enhances IgG degradation) modifiziert nach D.D. Patel, J.B. Bussel[3]
Links: IgG-Moleküle gelangen durch Pinozytose in die Zellen (1) und werden in Endosomen, die neonatale Fc-Rezeptoren (FcRn) enthalten, aufgenommen (2). Aufgrund des sauren pH-Werts in den Endosomen bindet der FcRn fest an den Fc-Teil von IgG. Es folgt eine Sortierung (3): Ungebundenes, überschüssiges IgG gelangt in Lysosomen (4) und wird dort abgebaut. Gebundene IgG-Moleküle werden zurückgehalten (5) und durch Exozytose (6) aus der Zelle heraus befördert. Im physiologischen (nahezu neutralen) pH-Wert des Blutes setzt der FcRn das IgG frei (7). Rechts: FcRn-Inhibitoren binden sowohl bei physiologischem als auch bei saurem pH-Wert mit größerer Affinität an den FcRn als endogenes IgG. Sie konkurrieren somit mit endogenem IgG um die FcRn-Bindung. Infolgedessen werden mehr endogene IgG-Moleküle dem lysosomalen Abbau zugeführt und weniger recycelt.

Bei Myasthenia gravis produziert das Immunsystem gegen den Acetylcholin-Rezeptor (AChR) gerichtete Antikörper, die die Bindung des Neurotransmitters Acetylcholin (ACh) an die AChR an der motorischen Endplatte verhindern. Es resultiert eine gestörte Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel, die sich in einer Ermüdbarkeit (Schwäche) der willkürlichen Muskulatur in Form von Lähmungserscheinungen äußert. In schweren Fällen können sie lebensbedrohliche Atem- und Schluckprobleme verursachen.[4]

Efgartigimod alfa bindet an den neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn), der normalerweise IgG-Antikörper vor dem Abbau schützt und in das Blut zurückführt. Durch die Blockade wird dieses Recycling unterdrückt und die Konzentrationen aller IgG-Antikörper, einschließlich der abnormem Anti-AcHR-Antikörper, im Blut sinken.[4]

Die durch Blockierung von FcRn erzeugte Senkung von IgG-Antikörperspiegeln ist ein potenzieller therapeutischer Ansatz für verschiedene Autoimmunerkrankungen, von denen bekannt ist, dass sie durch pathologische IgG-Antikörper beeinflusst werden. Neben der Myasthenia gravis sind dies auch:[3]

Medizinische Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat das Medikament im Dezember 2021 zugelassen zur Behandlung von generalisierter Myasthenia gravis (gMG) bei Erwachsenen, die positiv auf Anti-Acetylcholin-Rezeptor-Antikörper getestet wurden.[2] In Japan erteilte das Gesundheitsministerium MHLW im Januar 2022 die Zulassung.[5]

Die Verabreichung erfolgt als circa einstündige intravenöse Infusion.[2]

Klinische Prüfung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sicherheit und Wirksamkeit von Efgartigimod alfa wurden in einer 26-wöchigen klinischen Studie[6] mit 167 Patienten mit Myasthenia gravis untersucht, die randomisiert entweder Efgartigimod alfa (Verum) oder Placebo erhielten. Die Studie zeigte, dass während des ersten vierwöchigen Zyklus in der Verumgruppe mehr Patienten auf die Behandlung ansprachen (68 %) als in der Placebogruppe (30 %), gemessen an den Auswirkungen von Myasthenia gravis auf die Aktivitäten des täglichen Lebens (Myasthenia Gravis Activities of Daily Living(MG-ADL)-Score). Auch im Ansprechen auf eine Verbesserung der Muskelschwäche war die Zahl der Patienten in der Verumgruppe größer als die in der Placebogruppe.[4]

Nebenwirkungen und Anwendungsbeschränkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen, die bei mindestens 10 % der Patienten beobachtet wurden, waren Atemwegsinfektionen, Kopfschmerzen und Harnwegsinfektionen.[2] Überempfindlichkeitsreaktionen wie Schwellungen (Ödeme), Kurzatmigkeit (Dyspnoe) und Hautausschlag traten auf.[2]

Da Efgartigimod alfa eine Verringerung aller IgG-Spiegel – nicht nur die der abnormem Anti-AcHR-Antikörper, sondern auch die der nicht pathologischen Antikörper – verursacht, kann das Infektionsrisiko steigen.[4]

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die FDA hatte Efgartigimod alfa hatte einen Orphan-Drug-[7] und Fast-Track-Status erteilt.[4] Zudem ist Efgartigimod alfa für die Behandlung der chronischen inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie in den USA als Orphan-Drug ausgewiesen.[8] Ebenso bestehen in der EU Einstufungen als Orphan-Arzneimittel.[9] Die Zulassung für die Europäische Union erfolgte im August 2022.[10]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • J. F. Howard Jr, V. Bril, T. Vu, C. Karam, S. Peric, T. Margania, H. Murai, M. Bilinska, R. Shakarishvili, M. Smilowski, A. Guglietta, P. Ulrichts, T. Vangeneugden, K. Utsugisawa, J. Verschuuren, R. Mantegazza: Safety, efficacy, and tolerability of efgartigimod in patients with generalised myasthenia gravis (ADAPT): a multicentre, randomised, placebo-controlled, phase 3 trial. In: The Lancet. Neurology. Band 20, Nr. 7, 2021, doi:10.1016/S1474-4422(21)00159-9.
  • P. Ulrichts, A. Guglietta, T. Dreier, T. van Bragt, V. Hanssens, E. Hofman, B. Vankerckhoven, P. Verheesen, N. Ongenae, V. Lykhopiy, F. J. Enriquez, JunHaeng Cho, Raimund J. Ober, E. Sally Ward, Hans de Haard, Nicolas Leupin: Neonatal Fc receptor antagonist efgartigimod safely and sustainably reduces IgGs in humans. In: The Journal of Clinical Investigation. Band 128, Nr. 10, 2018, S. 4372–4386, doi:10.1172/JCI97911.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d INN Recommended List 78, World Health Organisation (WHO), 9. September 2017.
  2. a b c d e Vyvgart Prescribing information, argenx, Stand Dezember 2021. Abgerufen am 16. März 2022.
  3. a b D.D. Patel, J.B. Bussel: Neonatal Fc receptor in human immunity: Function and role in therapeutic intervention. In: Journal of Allergy and Clinical Immunology. Band 146, Nr. 3, 2020, S. 467–478, doi:10.1016/j.jaci.2020.07.015.
  4. a b c d e FDA Approves New Treatment for Myasthenia Gravis, FDA, 17. Dezember 2021.
  5. argenx announces VYVGART™ approval in Japan for the treatment of generalized myasthenia gravis, Pressemitteilung argenx, 20. Januar 2022.
  6. Klinische Studie (Phase 3): An Efficacy and Safety Study of ARGX-113 in Patients With Myasthenia Gravis Who Have Generalized Muscle Weakness (ADAPT) bei Clinicaltrials.gov der NIH
  7. Eintrag 527316 in der Datenbank Orphan Drug Designations and Approvals, FDA, abgerufen am 16. März 2022.
  8. Eintrag 851421 in der Datenbank Orphan Drug Designations and Approvals, FDA, abgerufen am 16. März 2022.
  9. Einträge EU/3/18/1992 , EU/3/19/2230, EU/3/21/2555 im EU-Register für Orphan-Arzneimittel, Europäische Kommission. Abgerufen am 16. März 2022.
  10. Eintrag EU/1/22/1674 im EU-Register für Humanarzneimittel, Europäische Kommission. Abgerufen am 13. August 2022.