Emy Gordon

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Emy Gordon als Witwe (zwischen 1902 und 1909)

Emy Gordon, geboren als Karoline Albertine Anna, Freiin von Beulwitz[1] (* 6. März 1841 in Cannstatt; † 2. Februar 1909 in Würzburg), war eine deutsche Autorin, Übersetzerin und Funktionärin der katholischen Frauenbewegung.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Emy Gordon entstammte dem Adelsgeschlecht von Beulwitz. Sie war eine Tochter des (bis 1867) evangelischen Gutsbesitzers in Cannstatt, Hartmund von Beulwitz (1814–1871)[Anm. 1] und seiner katholischen Ehefrau Nanette, geb. Riedlinger (1808–1869). Am 10. April 1841 wurde sie im Elternhaus katholisch getauft. Zu ihren Paten gehörten der Major von Brandenstein sowie die Hofpianistin Emilie Leibnitz (1817–1894), deren Vornamen sie später anstelle ihrer ursprünglichen Vornamen (Karoline Albertine Anna) benutzte und zu „Emy“ abkürzte.

Seit ihrer Jugend plagte sie ein Fußleiden, das ihre Bewegungsfähigkeit einschränkte.[2]

In der Revolution 1848 war ihr Vater, inzwischen Brauereibesitzer in Rottenburg, stellvertretender Kommandant der Bürgerwehr in Rottenburg und stellvertretender Vorsitzender des Rottenburger Volksvereins.[3][4] Vor der drohenden Verhaftung nach dem September 1848 floh er in die USA und nach Großbritannien, stellte sich aber 1850 freiwillig dem Untersuchungsgericht auf der Festung Hohenasperg. Im anschließenden Hochverratsprozess gegen Gottlieb Rau und andere, dem größten Hochverratsprozess der württembergischen Rechtsgeschichte, der am 20. Januar 1851 in Rottenburg begann, wurde von Beulwitz mangels Beweisen freigesprochen.[5] Ein Antrag auf Auswanderung nach Schottland war abschlägig beschieden worden, und so blieb die Familie in Rottenburg.

Um 1860 lernte Emilie in Stuttgart den britischen Gesandten am württembergischen Hof, George Gordon, kennen.[Anm. 2] Dieser stammte aus dem auf Ellon Castle nördlich von Aberdeen ansässigen Zweig Gordon of Ellon des Clans Gordon. Seit 1843 war er mit der Brasilianerin Rosa Justina Young (1817–1891) verheiratet, der Tochter eines britischen Kaufmanns, und hatte mit ihr drei Kinder.

Emilie Gordon, geb. Freiin von Beulwitz, mit ihren drei ältesten Kindern vor Ellon Castle, um 1871.

Ab 1865 fest mit Gordon liiert,[Anm. 3] gebar Emilie von Beulwitz am 4. Juni 1866 in Stuttgart eine Tochter Georgina († 26. September 1958 in Nordhorn).[6] Ins Taufregister wurde diese zunächst als Tochter eines britischen Kapitäns John Smith Branka und Gordon als Taufpate eingetragen. Der Eintrag wurde später berichtigt.[7] Georgina Gordon heiratete 1894 den Sanitätsoffizier, zuletzt Generaloberarzt, Wilhelm Niehues (1867–1938). Das zweite Kind des Paares, Robert, wurde am 27. Mai 1869 geboren, das dritte, Richard Wolf, am 10. Juni 1870. In der zweiten Hälfte der 1860er-Jahre lebte Emilie als Dramatische Künstlerin in der Stuttgarter Gutenbergstraße.[8] Die Todesanzeige für ihre Mutter unterzeichnete sie 1869 als E. v. Branka, geb. Freiin v. Beulwitz.[9]

1871 zog die Familie nach Schottland. George Gordon konvertierte zur katholischen Kirche und heiratete Emy von Beulwitz 1871 kirchlich in Manchester, nachdem ihm katholische Kirchenrechtler erklärt hatten, dass seine erste Ehe nach dem kanonischen Recht null und nichtig war.[10] Zugleich verließ er den diplomatischen Dienst. Im Jahr darauf wurde mit Louise Ignace Therese Julie Gordon in Edinburgh das vierte Kind geboren. Als George Gordon 1873 nach dem Tod seines Vaters das Erbe als Laird of Ellon mit 11.648 Acres (über 4700 Hektar) Land[11] antrat und mit Emy als seiner Frau nach Ellon zog, klagte seine erste, von ihm getrennt lebende, aber nie geschiedene Frau auf Feststellung des Weiterbestehens der Ehe und ihrer daraus resultierenden Ansprüche vor einem schottischen Gericht.[12] Das Gericht gab ihr Recht. Der Fall erregte großes Aufsehen.[13] Die finanziellen und administrativen Probleme von Ellon, die eine Geschichte Ellons von 1958 diskret mit family difficulties umschrieb,[14] führten 1881 zu einer Eingabe der noch von seinem Vater eingesetzten Trustees beim britischen Parlament und zum Ellon Trust Estates Act, der Landverkauf zur Schuldentilgung ermöglichte.[15] Der Trust sorgte für regelmäßige Zahlungen an Gordon und auch noch später an Emy als seine Witwe.[16]

George und Emy Gordon verließen daraufhin Großbritannien. Das Paar zog erst nach Brügge; ab September 1884 lebten sie dauerhaft in Würzburg. Erst nach dem Tod von Rosa Justina Young gingen sie 1892 in Maastricht eine Zivilehe ein.[17]

Emy Gordon war als Autorin und Übersetzerin tätig und gab Unterricht im Malen an Männer und Frauen.[18] Ihr erfolgreichstes Buch war ein Ratgeber mit dem Titel Die Pflichten eines Dienstmädchens, oder: das A-B-C des Haushaltes, der zuerst 1894 erschien und bis 1911 zehn Auflagen erlebte. Sie redigierte Die praktische Hausfrau, eine Beilage der katholischen Regionalzeitung Fränkisches Volksblatt, und veröffentlichte Artikel in katholischen Zeitschriften wie Die christliche Frau und Monika. Zeitschrift für katholische Mütter und Hausfrauen.

Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1902 engagierte sie sich in zahlreichen katholischen wohltätigen Vereinen. 1903 regte sie in einem Artikel in der Kölnischen Volkszeitung die Gründung des heute so genannten Katholischen Deutschen Frauenbundes an. Er war der erste katholisch-kirchliche Verein, der nicht unter der Leitung eines Geistlichen, sondern von Frauen stand.[19] Am 15. April 1904 gründete sie den Katholischen Frauenbund in Würzburg. Vom 12. bis 18. Juni 1904 nahm sie am Internationalen Frauenkongress in Berlin teil. Ihren Bericht veröffentlichte sie als Fingerzeige für die katholische Frauenbewegung. Beim 54. Katholikentag, damals eine reine Delegiertenversammlung, der 1907 in Würzburg stattfand, erhielt Frau Baronin von Gordon als erste Frau überhaupt Rederecht.[20] Sie gehörte zu den Gründerinnen des Verbands katholischer Vereine erwerbstätiger Frauen und Mädchen. Diesen verstand sie als eine Fachabteilung der katholischen Arbeitervereine und bezog damit Stellung im Gewerkschaftsstreit.[21] In Würzburg gründete sie mit dem Mädchenschutzverein (heute IN VIA Katholischer Mädchen- und Frauensozialdienst) Kurse zur Ausbildung von katholischen Kindergärtnerinnen. Der Katholische Frauenbund beschloss 1904 den Bau einer Kinderkrippe und Kinderbewahranstalt. Aus diesem mit Unterstützung von Dompfarrer Braun 1908 entstandenen Säuglings- und Kinderheim[22] ging später die Kinderklinik am Mönchberg hervor.[23] Ab 1908 war Gordon zusätzlich Vorsitzende des vom nicht-konfessionellen Frauenbildungsverein Frauenheil getragenen Rechtsschutzbüros für Mädchen und junge Frauen in Würzburg.

Emy Gordon starb wenige Wochen vor Vollendung ihres 68. Lebensjahres am 2. Februar 1909 in Würzburg. Ein Teil ihres Nachlasses befindet sich im Ida-Seele-Archiv in Dillingen an der Donau.[24]

Erinnerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Familiengrab Gordon auf dem Hauptfriedhof Würzburg ist bis in die Gegenwart erhalten geblieben und ein Ort des Gedenkens an Emy Gordon.[23]

In der Würzburger Martinstraße erinnert eine Gedenktafel an sie.[25]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Allerlei Malverfahren. Anleitung zur häuslichen Kunstarbeit für Anfänger. Haberland, Leipzig 1888, 2. Auflage 1892.
  • New fairy-tales: for children young and old. Auer, Donauwörth 1889.
  • (Übers.) Henry Edward Manning: Religio viatoris. Die vier Grundsteine meines Glaubens. Woerl Würzburg 1889.
  • Lose Blätter aus Märchens Sammelmappe. 1890.
  • Praktischer Ratgeber für Erwerb suchende Frauen und Mädchen aus besseren Ständen. Leipzig 1893.
  • Die Pflichten eines Dienstmädchens, oder: das A-B-C des Haushaltes. Auer, Donauwörth 1894 (10 Auflagen bis 1911)
  • Praktische Anweisung zur Ölmalerei in ihren verschiedenen Arten für Anfänger und Dilettanten. Haberland, Leipzig 1899.
  • Die katholische Kindergärtnerin in Schule und Haus. Roth, Stuttgart und Wien 1902.
  • Historisch-kritischer Rückblick auf die Verhandlungen des Internationalen Frauenkongresses in Berlin vom 12.–18. Juni 1904: Fingerzeige für die katholische Frauenbewegung. Frankfurt 1905.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gordon, Frau Emy, in: Sophie Pataky (Hrsg.): Lexikon deutscher Frauen der Feder. Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienenen Werke weiblicher Autoren, nebst Biographien der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Carl Pataky Berlin 1898, S. 272 f. (Volltext)
  • † Emy Gordon. In: Die christliche Frau ZDB-ID 213936-4 7 (1908/09), S. 207–209.
  • Hildegund Braun: Emy Gordon. Ihr Leben und ihre Arbeit für die Frauenbewegung. Kath. Frauenbund, Würzburg o. J.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kirchenregister Stuttgart: Geburten und Taufen in der katholischen Stadtpfarrkirche im Jahre 1841, S. 43, Eintrag Nr. 17; eingesehen auf ancestry.de am 2. Januar 2023.
  2. Nachruf (Lit.), S. 207; der britische Gesandte Robert Morier verspottete sie deswegen 1874 in einem Brief an William Arthur White als a lady with a wooden leg (Henry Sutherland Edwards: Sir William White, K.C.B., K.C.M.G., for six years ambassador at Constantinople: his life and correspondence.) London: Murray 1902, S. 75.
  3. Dieter Manz: Noch ein Rottenburger 48er: Hartmund v. Beulwitz. In: Rottenburger Miniaturen. Band 3, Rottenburg am Neckar 2000, S. 237–242.
  4. Eintrag in der Landesbibliographie BW online
  5. Revolution im Südwesten. Stätten der Demokratiebewegung 1848/49 in Baden-Württemberg. Hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft hauptamtlicher Archivare im Städtetag Baden-Württemberg, 2. Auflage, Karlsruhe 1998, ISBN 3-88190-219-8, S. 527.
  6. Deutsches Geschlechterbuch Band 173 (1976), S. 634; dort Geburtsort fälschlich Brügge (Belgien)
  7. per matrimonium subsequens legitimiert, Braun (Lit.), S. 22.
  8. Nach dem Adressbuch 1867, Zitiert bei Braun (Lit.), S. 16.
  9. Abbildung bei Braun (Lit.), S. 14.
  10. The Gordon Marriage Case, in Dundee Courier, (Dundee, Scotland), Tuesday, August 12, 1873; S. 6; Issue 6253.
  11. John Bateman: The Great Landowners of Great Britain and Ireland. Harrison, London 1878, S. 170.
  12. The Law Journal 8 (1873), S. 375.
  13. Vgl. An Easy Way of Divorce, in The New York Times vom 3. Mai 1875 (Digitalisat)
  14. James Godsman: A History of the Burgh and Parish of Ellon, Aberdeenshire. W. & W. Lindsay 1958, S. 67
  15. Private acts. 22nd Parliament2nd Session, 44/45 Victoria 1881.London 1881, S. 63
  16. Braun (Lit.), S. 19.
  17. BS Huwelijk met George John Robert Gordon, abgerufen am 9. Dezember 2017 (niederländisch).
  18. Nachruf (Lit.), S. 209.
  19. Braun (Lit.), S. 54.
  20. Braun (Lit.), S. 76.
  21. Siehe dazu Braun (Lit.), S. 67 f.
  22. Klaus Wittstadt: Kirche und Staat im 20. Jahrhundert. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände, Band I-III/2, Theiss, Stuttgart 2001–2007; III/1–2: Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. 2007, ISBN 978-3-8062-1478-9, S. 453–478 und 1304 f., hier: S. 455–458: Die kirchliche Entwicklung unter Bischof Ferdinand Schlör (1898–1924). S. 456.
  23. a b Vor 100 Jahren ist in Würzburg Emy Gordon gestorben. (Memento vom 23. Januar 2018 im Internet Archive), Artikel der Main-Post vom 5. Februar 2009, abgerufen am 20. Januar 2018.
  24. Nachlass in der Zentralen Datenbank Nachlässe; der persönliche Nachlass ist beim Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945 vernichtet worden (Baum (Lit.), S. 85).
  25. Abbildung im Würzburg-Wiki, abgerufen am 20. Januar 2018.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Es ist unklar, ob er in württembergischen Militärdiensten stand; auf jeden Fall (gegen Braun S. 13) ist er zu unterscheiden von dem württembergischen Generalmajor Franz Wilhelm Ludwig von Beulwitz (1812–1906)
  2. Die Umstände sind unklar; die Literatur sagt beim Hofball (Braun (Lit.) S. 16), was eher unwahrscheinlich ist, oder dass Emilie von Beulwitz Gouvernante im Haushalt Gordon gewesen sei (Manfred Berger: Frauen in der Geschichte des Kindergartens: Emy Gordon of Ellon)
  3. Sie heiratete ihn (noch) nicht im Alter von 22 Jahren und war auch nicht 37 Jahre mit ihm verheiratet, wie in Nachrufen (siehe Braun (Lit), S. 20) zu lesen war - kirchlich waren es 31, zivil nur 10 Jahre.