Volksgruppen in Iran

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Iran ist ein Vielvölkerstaat mit vielen Sprachen und Ethnien.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die vermittelnde Lage Irans zwischen Zentralasien, Kleinasien, Arabien und dem indischen Subkontinent hat zu einer hohen ethnischen Vielfalt geführt. Indogermanische Gruppen wanderten vermutlich vom Norden her in das iranische Hochland ein und erreichten das Zagros-Gebirge zu Beginn des ersten Jahrtausends v. Chr. Die Meder waren das erste iranische Volk, das ein stabiles Reich auf iranischem Territorium errichten konnte. Nach der Eroberung des Iran durch die Araber ließen sich Araber überall im Land nieder und vermischten sich mit der ansässigen Bevölkerung; viele iranische Familien können ihre arabische Herkunft anhand ihrer Namen nachweisen. Im 11. Jahrhundert begannen türkische Stämme in immer neuen Schüben in den heutigen Iran einzuwandern. Sie prägten vor allem mit ihrer nomadischen Lebensweise weite Landstriche des Iran bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts; sie siedelten sich letzten Endes vor allem im Nordwesten des Landes an, wo das Klima für die nomadische Viehzucht am geeignetsten ist.[1]

Iranische Völker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die iranischen Völker dominieren das Land heute zahlenmäßig. Zwischen 38 und 65 % der Bevölkerung zählen sich zu den Persern; das iranische Hochland ist fast ausschließlich persisch besiedelt. Sie sind nicht nur die größte, sondern auch die politisch und historisch bedeutendste Gruppe. Neben Persern gibt es noch andere persischsprachige Völker wie Bachtiaren oder Hazara, aber auch Menschen, die andere Sprachen sprechen (zum Beispiel Larestani), aber sich trotzdem häufig als Perser bezeichnen. Deshalb gibt es keine genauen Zahlen darüber, wie viele Perser im Iran leben. Die meisten Perser sind schiitisch.

Westlich des persischen Siedlungsgebietes leben Kurden, die 6 bis 10 % der Gesamtbevölkerung ausmachen, eine dem Persischen verwandte Sprache sprechen und größtenteils dem sunnitischen Islam anhängen, und die überwiegend schiitischen Luren (6 % der Bevölkerung Irans), die Luri, einen persischen Dialektcluster, sprechen. Im Osten des Iran leben die ebenfalls sunnitischen Belutschen, die 2 % der Bevölkerung bilden und wie die Kurden nach Autonomie oder Unabhängigkeit streben.[2] Im Elburs-Gebirge und am Kaspischen Meer leben kaspische Völker wie Mazandaraner, Gilaker, Talischen und Tati.

Weitere iranische Völker sind Paschtunen, die gut 2,7 % ausmachen und zum Teil aus Afghanistan eingewandert sind, Parsen, die dem Zoroastrismus angehören oder Raji.

Turkvölker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Völker türkischer Abstammung sind vor allem die zumeist schiitischen Aserbaidschaner (Azeri), die etwa 20 % der Bevölkerung des Iran ausmachen und im Nordwesten des Landes wohnen. Die meist sunnitischen Turkmenen bewohnen die nördlichen Steppengebiete, darüber hinaus gibt es zahlreiche über das ganze Land verstreute Inseln türkischstämmiger Bevölkerungsgruppen, zu denen die Qaschqai und Afscharen gehören.[3] Daneben leben kleinere, zum Teil eingewanderte Turkvölker im Iran, zum Beispiel Kasachen, Usbeken und Turkomanen.

Andere Völker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Araber in Iran leben im Südwesten an der Grenze zum Irak; sie machen etwa 2 bis 3 % der Gesamtbevölkerung aus. Im Iran lebt außerdem eine große Zahl sehr kleiner Ethnien, die teils schon vor der Ankunft der Perser im Iran siedelten (wie die Assyrer) oder in mehreren Wellen, teilweise vor Jahrhunderten, ins Land kamen (wie die Armenier oder Georgier).[3]

Nach Informationen des Jüdischen Weltkongresses leben im Iran im Jahr 2020 bis zu 20.000 Juden, nach Zählung anderer Stellen sind es nur 9.000. Vor der Islamischen Revolution 1979 waren es noch bis zu 100.000. Viele flohen wegen der antisemitischen Politik des Regimes.[4][5]

Auch die Zahl anderer religiöser Minderheiten (zum Beispiel Christen, Bahai, Jesiden) hat deswegen abgenommen.[6]

Daneben leben etwa 820.000 Roma im Iran,[3] über die es keine genaue Zahlen gibt. Nach der Türkei, Indien und Rumänien hat der Iran die meisten Roma. Neben Roma gibt es fast 150.000 andere Menschen, die eine indoarische Sprache sprechen (zum Beispiel Urdu, Gujarati).

Zahlenbasis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die verfügbaren Zahlen zur ethnischen Zusammensetzung der iranischen Bevölkerung variieren stark, weil seitens des iranischen Staates keine Daten ermittelt und veröffentlicht werden. Nicht zuletzt führen die heute zur Normalität gehörenden Mischehen zu einer gewissen Verwischung der ethnischen Grenzen. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch sprachlich die Zuordnung zu ursprünglichen Ethnien nicht immer möglich ist, da inzwischen weite Teile der Minderheiten vor allem sprachlich an die persische Mehrheitskultur assimiliert sind.

Laut manchen Statistiken sind nur 38 % Perser, in manchen Statistiken sind es 65 %. Gleiche Verwirrungen gibt es auch bei anderen Sprachen und Ethnien. Dies liegt unter anderem daran, dass Mazandaraner, Gilanker und Luren manchmal mit zu den Persern gezählt werden. Bei nomadischen Völker wie Qaschqai oder Roma kann man nur schätzen, da diese oft nicht sesshaft sind. Zudem werden kleinere unbekannte Völker (zum Beispiel Vafsi, Takestani …) oft nicht mitgezählt oder zu ähnlichsprachigen Völkern hinzugezählt (Afscharen, Aserbaidschaner). Die folgende Tabelle der Universität Québec listet gemäß ihren Interpretationen alle Völker mit mehr als 10.000 Angehörigen.[3]

Ethnie Anzahl (Absolut) Anteil an der iranischen Bevölkerung Sprache Sprachfamilie Religion
Perser (Westperser) 30 236 000 38,5 % Iranisches Persisch (Farsi) Iranisch Schiitischer Islam (Mehrheit)
Aserbaidschaner (Azeri) 15 375 000 19,5 % Südaserbaidschanisch Turksprachen Schiitischer Islam
Kurden 5 061 000 6,8 % Kurdisch (Kurmandschi,
Sorani, Zaza, Gorani, Herki, Faili…)
Iranisch Sunnitischer Islam (Mehrheit)
Mazandaraner 4 246 000 5,4 % Mazandaranisch Iranisch Sunnitischer Islam
Gilaker 4 244 000 5,4 % Gilaki Iranisch Schiitischer Islam
Luren 2 714 000 3,4 % Lurisch
(1 757 000 Nordlurisch,
957 000 Südlurisch)
Iranisch Ahl-e Haqq (Islamische Abspaltung)
oder Schiitischer Islam
Turkmenen 2 448 000 3,1 % Turkmenisch Turksprachen Sunnitischer Islam
Paschtunen 2 197 000 2,7 % Paschtunisch Iranisch Sunnitischer Islam
Qaschqai (Kaschgai) 1 836 000 2,3 % Qashqai
(Süd-Aserbaidschanisch)
Turksprachen Schiitischer Islam
Araber 1 710 000 2,1 % Arabisch
(Mesopotamisch oder Golfisch)
Semitisch
(Afroasiatisch)
Schiitischer oder
Sunnitischer Islam
(je nach Region)
Belutschen 1 178 000 1,4 % Belutschisch Iranisch Sunnitischer Islam
Bachtiaren 1 171 000 1,4 % Bachtiari Iranisch Schiitischer Islam
Laken 1 161 000 1,4 % Leki Iranisch Sunnitischer Islam
Chorasan-Türken 886 000 1,1 % Chorasan-Türkisch Turksprachen Schiitischer Islam
Sinti und Roma
(mehrheitlich Domari, aber auch Balkan-Roma)
819 000 1,0 % 785 000 Domari,
34 000 Romani
Indoarisch Sunnitischer Islam
Tati 374 000 0,4 % Tati Iranisch Schiitischer Islam
Tadschiken (Ostperser)
(z. T. aus Afghanistan)
454 000 0,5 % Dari-Persisch Iranisch Sunnitischer Islam
Hazara 368 000 0,4 % Hazaragi-Persisch Iranisch Schiitischer Islam
Afschar 355 000 0,4 % Afscharisch Turksprachen Schiitischer Islam
Aïmaken
(z. T. aus Afghanistan)
221 000 0,3 % Aimaki-Persisch Iranisch Sunnitischer Islam
Shahsavani 159 000 0,2 % Südaserbaidschanisch Turksprachen Schiitischer Islam
Talischen 146 000 0,2 % Talischisch Iranisch Schiitischer Islam (Mehrheit)
Mamasani 118 000 0,1 % Lurisch (Süd) Iranisch Schiitischer Islam (Mehrheit)
Larestani 112 000 0,1 % Lari (Larestani) Iranisch Sunnitischer Islam
Assyrer 103 000 0,1 % Neu-Aramänisch Semitisch
(Afroasiatisch)
Christentum
(Orientalische Kirchen)
Armenier 102 000 0,1 % Armenisch Isolierte indogermanische Sprache Christentum
(Armenisch-Orthodox)
Muhajir 84 000 0,1 % Urdu Indoarisch Sunnitischer Islam
Semnani 65 000 0,0 % Semnani Iranisch Schiitischer Islam
Georgier 62 000 0,0 % Georgisch Kaukasisch Orthodoxes Christentum
Turk Khalaj 51 000 0,0 % Turk-Khalai Turksprachen Sunnitischer Islam
Karakalpaken 51 000 0,0 % Karakalpakisch Turksprachen Schiitischer Islam
Khalajs 50 000 0,0 % Khalai Turksprachen Schiitischer Islam
Sangisari 40 000 0,0 % Sangsari Iranisch Schiitischer Islam
Punjabis 34 000 0,0 % Panjabi Indoarisch Hinduismus und sunnitischer Islam
Gujarati 34 000 0,0 % Gujarati Indoarisch Hinduismus
Harzani 33 000 0,0 % Harzani Iranisch Schiitischer Islam
Shikaki 27 000 0,0 % Shikalisch Iranisch Sunnitischer Islam
Parsen 26 000 0,0 % Persisch oder Gujarati Iranisch Zoroastrismus (Parsismus)
Astiani 25 000 0,0 % Astiani Iranisch Islam (?)
Khunsari 25 000 0,0 % Khunsari Iranisch Islam (?)
Brahui 22 000 0,0 % Brahui Dravidisch Sunnitischer Islam
Karingani 21 000 0,0 % Karingani Iranisch Schiitischer Islam
Vafsi 21 000 0,0 % Vafsi Iranisch Schiitischer Islam
Koreaner 17 000 0,0 % Koreanisch Koreanisch (isoliert) Buddhismus
Dari gabri 14 000 0,0 % Dari-Gabri (Persisch, ist ber nicht dasselbe wie Dari) Iranisch Zoroastrismus
Kasachen 15 000 0,0 % Kasachisch Turksprachen Sunnitischer Islam
Sorkhei 11 000 0,0 % Sorkhei Iranisch Islam (?)
Türken
(aus der Türkei)
11 000 0,0 % Türkisch Turksprachen Sunnitischer Islam
Jadgali 10 000 0,0 % Jadgali Indoarisch Hinduismus
Juden 9826 0,0 % Judäo-Persisch und andere Iranisch oder Semitisch Judentum
Andere
(zum Teil Ausländer)
414 600 0,5 %
Total (2014) 78 468 600 100,0 %

Ethnien nach Provinzen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die folgenden Karten zeigen den geschätzten Anteil der ethnischen Gruppen in den iranischen Provinzen im Jahr 2010. In 14 Provinzen machen Perser die Mehrheit, in sechs Provinzen stellen Aserbaidschaner die Mehrheit, in vier Provinzen leben mehrheitlich Kurden und in drei Provinzen mehrheitlich Luren. Mazandaraner, Gilaker, Belutschen und Araber stellen in je einer Provinz die Mehrheit auf.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Volksgruppen in Iran – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Shahnaz R. Nadjmabadi: Ethnologische Forschung über und im Iran. In: Ludwig Paul (Hrsg.): Handbuch der Iranistik. Reichert, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-89500-918-1, S. 117–121.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Monika Gronke: Geschichte Irans, Von der Islamisierung bis zur Gegenwart. 3. Auflage, C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-48021-8, S. 39 f.
  2. Nicholas Cappuccino: Baluch Insurgents in Iran. The Iran Primer, 27. April 2017
  3. a b c d Jacques Leclerc: L’aménagement linguistique dans le monde – Iran. Université Laval Québec (abgerufen am 30. November 2019, französisch)
  4. Die religiösen Minderheiten des Iran. In: Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Abgerufen am 27. Mai 2020 (deutsch).
  5. Israel fordert Löschung von Chameneis Twitter Konto. In: Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Abgerufen am 27. Mai 2020 (deutsch).
  6. Die religiösen Minderheiten des Iran. In: Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Abgerufen am 27. Mai 2020 (deutsch).