Fehlermanagement

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Unter dem Begriff Fehlermanagement wird einerseits in der betriebswirtschaftlichen Forschung ein menschlicher Ansatz zum Umgang mit Fehlern dargestellt.[1] Andererseits werden unter diesem Begriff menschliche Tätigkeiten zusammengefasst, die mit denen der Mensch in einem Mensch-Maschine-System auf einen Fehler reagiert, um den Fehler endgültig zu beheben oder zunächst seine Auswirkungen zu begrenzen. Es bedeutet auch eine systematische Fehlerbewertung, -diagnose, -erkennung und -prävention wie auch die Einleitung und Evaluierung von Gegenmaßnahmen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit von schwerwiegenden Folgen zu vermindern.[2]

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Fähigkeit zum Fehlermanagement gehört zu den Non-Technical Skills und ist ein wesentlicher Grund, den Menschen mit hoher Verantwortlichkeit im technischen System zu belassen. Gutes Fehlermanagement kann darüber entscheiden, ob ein menschlicher Fehler oder technischer Defekt zur Katastrophe führt oder nicht.

Um professionell mit Fehlern umzugehen, bedarf es jedoch nicht nur einer hohen individuellen Fehlerkompetenz, sondern auch einer produktiven Fehlerkultur im Unternehmen. Schließlich benötigt es das „Wollen“, „Können“ und „Dürfen“, damit die Organisationsmitglieder effizient und effektiv Fehler managen können.

Dazu muss dem Menschen die Gelegenheit zum Fehlermanagement gegeben werden: Die technischen Komponenten des Mensch-Maschine-Systems müssen so gestaltet sein, dass das Fehlermanagement in allen Phasen ermöglicht und unterstützt wird.

Einteilung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Üblicherweise wird Fehlermanagement in drei oder vier Phasen eingeteilt:

  • Fehlerentdeckung,
  • Fehlerdiagnose, dann eventuell
  • Fehlerkompensation, und
  • Fehlerkorrektur.

Die Fehlerentdeckung ist kein Ereignis, sondern eine Phase, da in Systemen mit großen Zeitkonstanten und sich langsam ändernden Werten die Abweichung vom Normalzustand nicht sofort eindeutig als Fehler erkannt werden kann.

Während der Fehlerdiagnose (etwa über ein Fahrzeugdiagnosesystem) wird versucht, mit Hilfe der an der Schnittstelle zwischen Mensch und technischem System erfahrbaren (sichtbaren, hörbaren, fühlbaren, …) Informationen den Fehler selbst zu bestimmen. Die Informationssammlung beschränkt sich dabei nicht auf die Mensch-Maschine-Schnittstelle an sich, sondern bezieht alle dem Bediener zugänglichen Teile des technischen Systems mit ein (bei einem Fehler am Kraftfahrzeug werden nicht nur Drehzahlmesser und Tankanzeige beobachtet, sondern auch die Motorhaube geöffnet und der Kühlerdeckel abgeschraubt; bei einem Fehler in einer Industrieanlage werden nicht nur die Bildschirme in der Leitwarte beobachtet, sondern auch Rohrleitungen und Behälter draußen in der Anlage begutachtet).

Vor der Fehlerkorrektur wird, wenn eine vollständige Korrektur nicht sofort möglich ist, der Betrieb aber aufrechterhalten werden muss, möglicherweise zunächst die Phase Fehlerkompensation eingefügt. Dadurch werden die Auswirkungen des Fehlers so abgemildert, dass ein sicherer Betrieb möglich ist, falls der Fehler nicht sofort behoben werden kann.

Mit der Fehlerkorrektur wird der Fehler behoben.

Forschungsergebnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der betriebswirtschaftlichen Forschung stellt Fehlermanagement einen Ansatz im Umgang mit Fehlern dar.[1] Fehlermanagement zielt dabei auf ein aktives Managen von auftretenden Fehlern ab, um die negativen Konsequenzen von Fehlern zu mindern (z. B. Stress, Qualitätsprobleme) und die positiven Konsequenzen zu stärken (z. B. Lernen, Innovationen).[3] Der Fehlermanagementansatz steht teilweise im Gegensatz zum Fehlerpräventionsansatz. Der Fehlerpräventionsansatz versucht vor allem Fehler zu verhindern, um damit auch die negativen Konsequenzen von Fehlern zu verhindern.

Nach der Fehlermanagement-Theorie ist ein Fehlermanagement-Ansatz dem reinen Fehlerpräventions-Ansatz vorzuziehen. Der Fehlermanagement-Ansatz wird langfristig mit vorteilhaften Auswirkungen für Einzelpersonen und Organisationen in Verbindung gebracht. Vor allem werden positive Auswirkungen auf Lernen, Proaktivität sowie Innovativität postuliert.[3] Einige empirische Studien zeigen einen positiven Effekt des Fehlermanagement-Ansatzes für das Lernen von Gründern,[4] für die Profitabilität von Firmen,[1] für die Innovativität in Unternehmen[5] sowie für die Qualität von Dienstleistungen.[6]

Der Ansatz im Umgang mit Fehlern hängt wesentlich von der jeweiligen Fehlerorientierung von Personen bzw. Unternehmen ab.[3] Die Fehlerorientierung beschreibt eine Einstellung gegenüber Fehlern und einen damit zusammenhängenden Umgang mit ihnen. Es kann zwischen einer Fehlermanagementorientierung und einer Fehlerpräventionsorientierung unterschieden werden.[7][8]

Eine Fehlermanagementorientierung zeichnet sich dadurch aus, dass Fehler als ein normaler Teil des menschlichen Handelns angesehen werden und dass proaktiv und konstruktiv mit ihnen umgegangen wird.[3] Ein gutes Fehlermanagement zeichnet sich durch ein Antizipieren von Fehlern, eine schnelle Fehlerkommunikation, ein lernen aus Fehlern, eine hohe Fehlerkompetenz, sowie eine Fehlerrisikobereitschaft aus.[7][8]

Eine Fehlerpräventionsorientierung zeichnet sich dadurch aus, dass Fehler als etwas stark negatives bewertet werden.[3] Das dementsprechende Mindset ist, dass Fehler unbedingt vermieden werden müssen (Null Fehlertoleranz). Menschen mit einer Fehlerpräventionsorientierung sehen Fehler als Bedrohungen an und sind von ihnen frustriert. Sie neigen dazu, Fehler zu leugnen oder zu verbergen, wenn sie auftreten.[9]

Studien deuten darauf hin, dass die Fehlerorientierung von Personen stark von zwei Eigenschaften beeinflusst wird: Demut und Selbstwirksamkeit.[8] Demut bezeichnet dabei die Bereitschaft sich selbst akkurat einschätzen zu wollen, wertschätzend gegenüber anderen zu sein und eine Lernbereitschaft zu zeigen.[10] Selbstwirksamkeit ist der Glaube an die eigene Kompetenz mit einer Reihe von Schwierigkeiten umgehen zu können.[11]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gunnar Johannsen: Mensch-Maschine-Systeme. Springer-Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-540-56152-8.
  • Maria Luisa Farnese, Roberta Fida, Michele Picoco: Error orientation at work: Dimensionality and relationships with errors and organizational cultural factors. In: Current Psychology, 2020, S. 1–20.
  • Sebastian Fischer, Michael Frese, Jennifer Clarissa Mertins, Julia Verena Hardt-Gawron: The role of error management culture for firm and individual innovativeness. In: Applied Psychology, 67(3), 2018, S. 428–453.
  • Michael Frese, Nina Keith: Action errors, error management, and learning in organizations. In: Annual Review of Psychology, 66(1), 2015, S. 661–687.
  • Rebecca Funken, Michael Marcus Gielnik, Maw-Der Foo: How Can Problems Be Turned Into Something Good? The Role of Entrepreneurial Learning and Error Mastery Orientation. In: Entrepreneurship Theory and Practice, 2018, 1042258718801600.
  • Bradley P. Owens, Michael D. Johnson, Terence R. Mitchell: Expressed humility in organizations: Implications for performance, teams, and leadership. In: Organization Science, 24(5), 2013, S. 1517–1538.
  • James Reason: Menschliches Versagen: psychologische Risikofaktoren und moderne Technologien. Spektrum, Akad. Verlag, Heidelberg u. a. 1994, ISBN 3-86025-098-1.
  • Volker Rybowiak, Harry Garst, Michael Frese, Bernad Batinic: Error orientation questionnaire (EOQ): Reliability, validity, and different language equivalence. In: Journal of Organizational Behavior, 20(4), 1999, S. 527–547.
  • Elke M. Schüttelkopf: Erfolgsstrategie Fehlerkultur. Wie Organisationen durch einen professionellen Umgang mit Fehlern Ihre Performance steigern. In: Gabriele Ebner, Peter Heimerl, Elke M. Schüttelkopf: Fehler.Lernen.Unternehmen. Wie Sie die Fehlerkultur und Lernreife Ihrer Organisation wahrnehmen und gestalten. Frankfurt am Main u. a. 2008, ISBN 978-3-631-57744-8, S. 151–314.
  • Elke M. Schüttelkopf: Lernen aus Fehlern: Wie man aus Schaden klug wird. Freiburg 2013, ISBN 978-3-648-04595-4.
  • Ralf Schwarzer, Matthias Jerusalem: Generalized self-efficacy scale. In: J. Weinman, S. Wright, M. Johnston (Hrsg.): Measures in health psychology: A user’s portfolio. Causal and control beliefs. NFER-Nelson, Windsor UK, 1995, S. 35–37.
  • Christoph Seckler, Ulfert Gronewold, Markus Reihlen: An error management perspective on audit quality: Toward a multi-level model. In: Accounting, Organizations and Society, 62, 2017, S. 21–42.
  • Christoph Seckler, Sebastian Fischer, Kathrin Rosing: Who Adopts an Error Management Orientation? Discovering the Role of Humility. In: Academy of Management Discoveries, 2021.
  • Peter Hochreither: Erfolgsfaktor Fehler! Persönlicher Erfolg durch Fehler. businessvillage, Göttingen 2004, ISBN 3-934424-43-0.
  • Cathy van Dyck, Michael Frese, Markus Baer, Sabine Sonnentag: Organizational error management culture and its impact on performance: A two-study replication. In: Journal of Applied Psychology, 90(6), 2005, S. 1228–1240.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Cathy van Dyck, Michael Frese, Markus Baer, Sabine Sonnentag: Organizational error management culture and its impact on performance: a two-study replication. In: Journal of Applied Psychology. Band 90, Nr. 6, 2005, S. 1228–1240, doi:10.1037/0021-9010.90.6.1228 (uni-konstanz.de [abgerufen am 9. Dezember 2021]).
  2. Definition Fehler und Fehlermanagement. JP Consulting & Training, abgerufen am 14. März 2010: „Fehlermanagement: Systematisch betriebene Fehlerprävention, Fehlererkennung, Fehlerdiagnose und -bewertung sowie die Einleitung und Evaluierung von Gegenmaßnahmen mit dem Ziel, das Risiko schwerwiegender Folgen zu minimieren.“
  3. a b c d e Michael Frese, Nina Keith: Action Errors, Error Management, and Learning in Organizations. In: Annual Review of Psychology. Band 66, Nr. 1, 3. Januar 2015, S. 661–687, doi:10.1146/annurev-psych-010814-015205.
  4. Rebecca Funken, Michael M. Gielnik, Maw-Der Foo: How Can Problems Be Turned Into Something Good? The Role of Entrepreneurial Learning and Error Mastery Orientation. In: Entrepreneurship Theory and Practice. Band 44, Nr. 2, 4. Oktober 2018, S. 315–338, doi:10.1177/1042258718801600.
  5. Sebastian Fischer, Michael Frese, Jennifer Clarissa Mertins, Julia Verena Hardt-Gawron: The Role of Error Management Culture for Firm and Individual Innovativeness. In: Applied Psychology. Band 67, Nr. 3, 2018, S. 428–453, doi:10.1111/apps.12129.
  6. Christoph Seckler, Ulfert Gronewold, Markus Reihlen: An error management perspective on audit quality: Toward a multi-level model. In: Accounting, Organizations and Society. Band 62, Oktober 2017, S. 21–42, doi:10.1016/j.aos.2017.08.004 (sciencedirect.com [abgerufen am 9. Dezember 2021]).
  7. a b Volker Rybowiak, Harry Garst, Michael Frese, Bernad Batinic: Error orientation questionnaire (EOQ): reliability, validity, and different language equivalence. In: Journal of Organizational Behavior. Band 20, Nr. 4, 1999, S. 527–547, doi:10.1002/(SICI)1099-1379(199907)20:4<527::AID-JOB886>3.0.CO;2-G.
  8. a b c Christoph Seckler, Sebastian Fischer, Kathrin Rosing: Who Adopts an Error Management Orientation? Discovering the Role of Humility. In: Academy of Management Discoveries. 2. Februar 2021, doi:10.5465/amd.2019.0172.
  9. Maria Luisa Farnese, Roberta Fida, Michele Picoco: Error orientation at work: Dimensionality and relationships with errors and organizational cultural factors. In: Current Psychology. 29. Januar 2020, doi:10.1007/s12144-020-00639-x (uea.ac.uk [abgerufen am 9. Dezember 2021]).
  10. Bradley P. Owens, Michael D. Johnson, Terence R. Mitchell: Expressed Humility in Organizations: Implications for Performance, Teams, and Leadership. In: Organization Science. Band 24, Nr. 5, Oktober 2013, S. 1517–1538, doi:10.1287/orsc.1120.0795.
  11. R. Schwarzer, Matthias Jerusalem: R. Schwarzer, Matthias Jerusalem: General Self-Efficacy Scale. 1995; doi:10.1037/t00393-000