Fluor-Dravit

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Fluor-Dravit
Turmalin (schwarz) aus der Crabtree Mine, der Typlokalität des Fluor-Dravit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2009-089[1]

IMA-Symbol

Fdrv[2]

Andere Namen

IMA2009-089[3]

Chemische Formel NaMg2+3Al6(Si6O18)(BO3)3(OH)3F[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)

VIII/E.19-018

9.CK.05[4]
Ähnliche Minerale Dravit, Oxy-Dravit, Schörl
Kristallographische Daten
Kristallsystem trigonal
Kristallklasse; Symbol 3/mVorlage:Kristallklasse/Unbekannte Kristallklasse
Raumgruppe R3m (Nr. 160)Vorlage:Raumgruppe/160
Gitterparameter a = 15,955(3) Å; c = 7,153(2) Å[5]
Formeleinheiten Z = 3[5]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 7[5]
Dichte (g/cm3) berechnet: 3,120[5]
Spaltbarkeit nicht beobachtet[5]
Bruch; Tenazität muschelig[5]
Farbe braunschwarz[5]
Strichfarbe blass braun[5]
Transparenz Bitte ergänzen!
Glanz Glasglanz[5]
Radioaktivität -
Magnetismus -
Kristalloptik
Brechungsindizes nω = 1,645(2)[5]
nε = 1,621(2)[5]
Doppelbrechung δ = 0,024
Optischer Charakter einachsig negativ[5]
Pleochroismus blass gelb-braun nach farblos[5]

Das Mineral Fluor-Dravit ist ein seltenes Ringsilikat aus der Turmalingruppe mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung NaMg2+3Al6(Si6O18)(BO3)3(OH)3F.

Anhand äußerer Kennzeichen ist Fluor-Dravit nicht von anderen, ähnlich gefärbten Turmalinen wie Dravit, Oxy-Dravit oder Schörl zu unterscheiden. Sie kristallisieren mit trigonaler Symmetrie und bilden schwarz-braune Kristalle von wenigen mm Größe. Im Dünnschliff zeigen sie einen deutlichen Pleochroismus von gelblich braun nach farblos.[5] Wie alle Minerale der Turmalingruppe sind sie stark pyroelektrisch und piezoelektrisch.

Typlokalität ist ein granitischer Pegmatit, der in der Crabtree Smaragdmine bei Spruce Pine im Mitchell County in North Carolina abgebaut wurde.[5]

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dass Fluor (F-) ein essentieller Bestandteil von Turmalinen sein kann, weiß man seit Mitte des 19. Jahrhunderts[6] und auch der Dravit aus der Typlokalität im Drave-Gebiet enthält ~0,1 apfu (Atom pro Formeleinheit) Fluor.[7] Grice und Ercit dokumentierten 1993 in einer Übersichtsarbeit Dravite mit 42–44 Mol-% Fluorkomponente[8] und eisenreicher Dravit mit 0,6–0,7 apfu Fluor wurde 1998 in einer metamorphen Fluorit-Lage in einem Orthogneis der Svratka-Einheit bei Nedvědice in Tschechien beschrieben.[9] Ein hypothetisches F-Dravit-Endglied führten Hawthorne und Henry 1999 in ihrer überarbeiteten Klassifikation der Turmalingruppe ein.[10] Es folgte eine systematische Suche nach neuen Turmalinendgliedern durch eine Doktorandin von Hawthorne, die im Jahr 2002 neben Fluor-Dravit mit 75 mol-% Fluor-Komponente auch Fluor-Elbait, Fluor-Schörl, Hydroxy-Uvit, Chromo-Alumino-Povondrait (Cralpoit) und Chrom-Dravit beschrieb.[11] Fluor-Dravit wurde im Jahr 2010 von der International Mineralogical Association (IMA) als neues Mineral anerkannt[3] und die vollständige Beschreibung des Flour-Dravit im Jahr darauf publiziert. Der Name Fluor-Dravit bezieht sich auf dessen Zusammensetzung. Fluor-Dravit ist das Fluor-Analog von Dravit.[5]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der strukturellen Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) gehört Fluor-Dravit zusammen mit Schörl, Dravit, Fluor-Schörl, Tsilaisit, Fluor-Tsilaisit, Chrom-Dravit und Vanadium-Dravit zur Alkali-Untergruppe 1 der Alkaligruppe in der Turmalinobergruppe.[12][13]

Die seit 2001 gültige und bislang von der IMA verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik führt den Fluor-Dravit noch als hypothetisches Endglied in der Klasse 9 der „Silikate und Germanate“ und dort in der Abteilung C der „Ringsilikate“ auf. Diese Abteilung ist weiter unterteilt nach der Größe, Verknüpfung und Verzweigung der Silikatringe, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „K. [Si6O18]12−-Sechser-Einfachringe mit inselartigen, komplexen Anionen“ zu finden ist, wo es zusammen mit Ferri-Feruvit, Ferri-Uvit, Fluor-Chromdravit, Fluor-Schörl, Fluor-Elbait, Fluor-Foitit, Fluor-Mg-Foitit, Fluor-Olenit, Fluor-Rossmanit, Hydroxy-Buergerit (heute Buergerit), Hydroxy-Feruvit (heute Feruvit), Hydroxy-Liddicoatit (heute Liddicoatit), Hydroxy-Uvit (heute Uvit), Oxy-Chromdravit (heute Oxy-Chrom-Dravit), Oxy-Dravit, Oxy-Elbait (heute Darrellhenryit), Oxy-Ferri-Foitit, Oxy-Feruvit (heute Lucchesiit), Oxy-Foitit, Oxy-Liddicoatit, Oxy-Mg-Ferri-Foitit, Oxy-Mg-Foitit, Oxy-Rossmanit, Oxy-Schörl und Oxy-Uvit (heute Magnesio-Lucchesiit) noch zu den hypothetischen Endgliedern der „Turmalingruppe“ mit der System-Nr. 9.CK.05 gezählt wird.

Da Fluor-Dravit erst 2010 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet. Einzig im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch an dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz orientiert, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VIII/E.19-18. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort der Abteilung „Ringsilikate“, wo Fluor-Dravit zusammen mit Adachiit, Bosiit, Chromdravit (heute Chrom-Dravit), Chromo-Aluminopovondrait (heute Chromo-Alumino-Povondrait), Darrellhenryit, Dravit, Elbait, Feruvit, Fluor-Buergerit, Fluor-Elbait, Fluor-Liddicoatit, Fluor-Schörl, Fluor-Tsilaisit, Fluor-Uvit, Foitit, Lucchesiit, Luinait-(OH), Magnesiofoitit, Maruyamait, Oxy-Chromdravit (heute Oxy-Chrom-Dravit), Oxy-Dravit, Oxy-Foitit, Oxy-Schörl, Oxy-Vanadiumdravit (heute Oxy-Vanadium-Dravit), Rossmanit, Schörl, Olenit, Povondrait, Tsilaisit, Uvit, Vanadio-Oxy-Chromdravit (heute Vanadio-Oxy-Chrom-Dravit), Vanadio-Oxy-Dravit die „Turmalin-Gruppe“ bildet (Stand 2018).[14]

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fluor-Dravit ist das Fluor-Analog von Dravit bzw. das Magnesium (Mg2+)- Analog von Fluor-Schörl und hat die idealisierte Zusammensetzung [X]Na[Y]Mg2+3[Z]Al6([T]Si6O18)(BO3)3[V](OH)3[W]F, wobei [X], [Y], [Z], [T], [V] und [W] die Positionen in der Turmalinstruktur sind. Für den Fluor-Dravit aus der Typlokalität wurde folgende empirische Zusammensetzung ermittelt:[5]

  • [X](Na0,880,08Ca0,04) [Y](Mg1,30Fe2+0,87Al0,58Mn0,09Li0,13Ti0,03Zn0,010,03) [Z](Al5,43Mg0,57) [T](Si5,87Al0,08B0,05)O18(BO3)3[V](OH)3 [W][F0,75(OH)0,47]

Fluor-Dravit bildet Mischkristalle vor allem mit Fluor-Schörl und Dravit entsprechend der Austauschreaktionen

  • [W]F = [W](OH) (Dravit)
  • [Y]Mg2+ = [Y]Fe2+ (Fluor-Schörl).

Aluminium und Magnesium verteilen sich über beide Oktaederpositionen entsprechend der Austauschreaktion

  • [Y]Mg2+ + [Z]Al3+ = [Y]Al3+ + [Z]Mg2+

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fluor-Dravit kristallisiert mit trigonaler Symmetrie in der Raumgruppe R3m (Raumgruppen-Nr. 160)Vorlage:Raumgruppe/160 mit 3 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Die Gitterparameter des natürlichen Mischkristalls aus North Carolina sind: a = 15,955(3) Å, c = 7,153(2) Å.

Die Struktur ist die von Turmalin. Natrium (Na+) wird auf der von acht bis neun Sauerstoffen umgebenen [X]-Position eingebaut und Silicium (Si4+) besetzt die tetraedrisch von 4 Sauerstoffionen umgebene T-Position. Magnesium (Mg2+) und Aluminium (Al3+) verteilen sich relativ gleichmäßig auf die oktaedrisch koordinierten [Y]- und [Z]-Positionen. Die Anionenposition [V] ist mit (OH)-Gruppen belegt und Fluor (F-) ersetzt die OH-Gruppe auf der [W]-Position.[5]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Crabtree Steinbruch

Fluor-Dravit bildet sich bei der Reaktion von Fluor- und Bor-reichen, pegmatitischen Lösungen mit Eisen-armen Gesteinen und ist bisher nur an wenigen Fundorten zweifelsfrei identifiziert worden.[15]

Crabtree Pegmatit mit Turmalin (schwarz) mit Quarz (grau), Feldspat (weiß), Beryl (grün) und Almandin (rot)

In der Typlokalität, der Crabtree Smaragdmine bei Spruce Pine im Mitchell County in North Carolina, tritt Fluor-Dravit zusammen mit Kalifeldspat, Plagioklas, Quarz, Beryll, Muskowit, Almandin, Biotit und Fluorit am Kontakt eines granitischen Pegmatits mit dem Nebengestein auf.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 26. Januar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. a b c Peter A. Williams, Frédéric Hatert, Marco Pasero, Stuart Mills: New minerals approved in 2010. In: International Mineralogical Association. 2010, S. 1–7 (englisch, rruff.info [PDF; 131 kB; abgerufen am 18. Juni 2021]).
  4. Fluor-Dravit bei mindat.org
  5. a b c d e f g h i j k l m n o p q Christine M. Clark, Frank C. Hawthorne and Luisa Ottolini: Fluor-dravite, NaMg3Al6Si6O18(BO3)3(OH)3F, a new mineral species of the tourmaline group from the Crabtree Emerald mine, Mitchell County, North Carolina: Description and crystal structure. In: The Canadian Mineralogist. Band 49, 2011, S. 57–62 (englisch, rruff.info [PDF; 847 kB; abgerufen am 18. Juni 2021]).
  6. Carl Rammelsberg: Ueber die Zusammensetzung des Turmalins, verglichen mit derjenigen des Glimmers und Feldspaths, und über die Ursache der Isomorphie ungleichartiger Verbindungen. In: Annalen der Physik und Chemie. Band 157, 1850, S. 1–45 (docme.su [abgerufen am 9. Oktober 2020]).
  7. Dravite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 73 kB; abgerufen am 10. März 2021]).
  8. Joel D. Grice and T. Scott Ercit: Ordering of Fe and Mg in the tourmaline crystal structure: The correct formula. In: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Abhandlungen. Band 165(3), 1993, S. 245–266 (englisch, rruff.info [PDF; 227 kB; abgerufen am 15. Februar 2020]).
  9. Milan Novák, Julie B. Selway, Stanislav Houzar: Potassium-bearing, fluorine-rich tourmaline from metamorphosed fluorite layer in leucocratic orthogneiss at Nedvědice, Svratka Unit, western Moravia. In: Journal of the Czech Geological Society. Band 43(1-2), 1998, S. 37–48 (englisch, jgeosci.org [PDF; 7,3 MB; abgerufen am 19. Januar 2021]).
  10. Frank C. Hawthorne and Darrell J. Henry: Classification of the minerals of the tourmaline group. In: European Journal of Mineralogy. Band 11, 1999, S. 201–215 (englisch, researchgate.net [PDF; 3,6 MB; abgerufen am 12. Oktober 2020]).
  11. Cristine M. Clark McCracken: Aspects of the crystal chemistry of the tourmaline-group minerals. 2002, S. 201–215 (englisch, umanitoba.ca [PDF; 10,9 MB; abgerufen am 20. Juni 2021]).
  12. Darrell J. Henry, Milan Novák (Chairman), Frank C. Hawthorne, Andreas Ertl, Barbara L. Dutrow, Pavel Uher, and Federico Pezzotta: Nomenclature of the tourmaline-supergroup minerals. In: The American Mineralogist. Band 96, 2011, S. 895–913 (englisch, [1] [PDF; 617 kB; abgerufen am 13. Dezember 2020]).
  13. Darrell J. Henry, Barbara L. Dutrow: Tourmaline studies through time: contributions to scientific advancements. In: Journal of Geosciences. Band 63, 2018, S. 77–98 (englisch, jgeosci.org [PDF; 2,2 MB; abgerufen am 12. August 2020]).
  14. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  15. Fundortliste für Fluor-Dravit beim Mineralienatlas und bei Mindat