Frontale fibrosierende Alopezie

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Die frontale fibrosierende Alopezie (FFA, Synonym: postmenopausale frontale fibrosierende Alopezie, M. Kossard) ist eine Autoimmunerkrankung der Haut, die durch eine Zerstörung der Haarfollikel (Haarwurzelscheide) zur narbigen Alopezie (Haarausfall) führt. Die Auslöser der Autoimmunreaktion sind nicht vollständig geklärt, diskutiert werden unter anderem hormonelle Faktoren. Betroffen sind vor allem Frauen nach den Wechseljahren[1].

Durch die Zerstörung der Haarfollikel kommt es zu einem fortschreitenden und unwiederbringlichen diffusen Haarverlust typischerweise entlang des Stirnhaaransatzes, aber auch andere Regionen der Kopfhaut und des übrigen Körpers können betroffen sein. Zurück bleiben haarlose, glatte Hautareale, in deren Randbereich als Zeichen der aktiven Entzündung eine kleinfleckige Rötung und Schuppung der Kopfhaut um die verbliebenen Haarfollikel zu sehen sein kann[2][3].

Die Diagnostik umfasst eine hautärztliche Untersuchung; zur Sicherung der Diagnose kann außerdem die Entnahme einer Gewebeprobe zur Untersuchung unter dem Mikroskop erforderlich sein. Hier zeigt sich eine durch Lymphozyten (Untergruppe der weißen Blutkörperchen) vermittelte Entzündung von Vellus- und Terminalhaarfollikeln mit Vernarbung des Umgebungsgewebes[4].

Therapeutisch kommen vor allem Corticosteroide lokal (äußerlich oder als Injektion) oder systemisch zum Einsatz. Die Behandlung sollte möglichst früh im Krankheitsverlauf einsetzen, um weiteren Haarverlust zu vermeiden.[2]

Da das Entzündungsmuster der frontalen fibrosierenden Alopezie dem des Lichen planopilaris sehr ähnlich ist, wird die FFA auch als Variante des Lichen planopilaris (Lichen ruber planus der behaarten Haut) betrachtet. Ein gleichzeitiges Auftreten mit anderen Varianten des Lichen ruber planus kommt selten vor[5][6][7]. Die Überlappung mit Zeichen der androgenetischen Alopezie wird als fibrosierende Alopezie mit androgenetischem Muster bezeichnet[8].

Klassifikation nach ICD-10
L66.8 Sonstige narbige Alopezie
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Verbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Betroffen sind meist Frauen über 50 Jahre und nach den Wechseljahren. Fälle einer frontalen fibrosierenden Alopezie bei Frauen vor den Wechseljahren und bei Männern[1] sowie bei Kindern[9] sind jedoch beschrieben.[3]

Ursache und Krankheitsentstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch eine gestörte Funktion des Immunsystems kommt es zu einer durch T-Lymphozyten vermittelten Autoimmunreaktion gegen Zellbestandteile der Keratinozyten (hornbildende Zellen) der Haarwurzelscheide.[2]

Die Ursache der Autoimmunreaktion gilt als ungeklärt. Das häufige Auftreten der Krankheit nach den Wechseljahren lässt auf hormonelle Faktoren schließen.[2] Eine bestimmte HLA-Genausstattung macht möglicherweise besonders anfällig für die Erkrankung[10].

Eine Assoziation der FFA besteht Fallberichten zufolge mit dem Graham-Little Syndrom[11], dem Sjögren-Syndrom[12], mit beidseitiger Entfernung der Eierstöcke[13], Haartransplantation[14], starkem Schwitzen[15] und Vitiligo[16] der Kopfhaut.

Klinische Erscheinungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zerstörung der Haarfollikel führt zu einer vernarbenden Alopezie entlang des Stirnhaaransatzes, welcher mit zunehmender Dauer der Erkrankung symmetrisch nach hinten wandert.

Zurück bleiben Areale glatter, blasser Haut, in deren Randbereich Zeichen der follikulären Entzündung mit Hyperkeratose (überschießender Verhornung) der Follikel, Aufweitung der Follikelöffnung und kleinfleckiger, follikelgebundener Rötung und Schuppung der Kopfhaut zu sehen ein können. Anders als beim klassischen Lichen planus zeigt sich dabei eher keine fleckförmige Ausprägung der Veränderungen, sondern ein fortschreitendes diffuses Verschwinden der Haarfollikel innerhalb größerer Areale[17].

Haarverlust entlang des Stirnhaaransatzes (a), in der Schläfenregion (b) und im Bereich der Augenbrauen (c). Histologisches Bild mit Fibrose und lymphozytären Infiltraten im Umgebungsgewebe der Haarfollikel (d).

Neben dem Stirnhaaransatz können auch die Schläfen- und Scheitelregion, das Gesicht einschließlich Wimpern und Augenbrauen, der Nacken sowie Rumpf, Gliedmaße, Achselhöhlen und Genitalregion betroffen sein.[3][2]

Gleichzeitige Läsionen eines klassischen Lichen ruber planus in anderen Körperregionen gelten als selten, sind ebenso wie Fälle eines gleichzeitigen Lichen ruber planus der Nägel und Lichen ruber pigmentosus aber beschrieben.[5][7][6]

Untersuchungsmethoden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Diagnostik umfasst eine hautärztliche Untersuchung, gegebenenfalls ergänzt um eine Gewebeprobe der Kopfhaut zur lichtmikroskopischen Untersuchung. Diese kann in klinisch unklaren Fällen anhand des Entzündungsmusters die Diagnosesicherung ermöglichen.

Pathologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der mikroskopischen Untersuchung zeigt sich eine verminderte Anzahl an Haarfollikeln, die nach und nach durch Bindegewebsstränge ersetzt werden. Ähnlich dem Lichen planopilaris zeigt sich auf Höhe des Isthmus (mittlerer Anteil des Haarschaftes) ein lymphozytäres Entzündungsinfiltrat des follikulären Umgebungsgewebes. Hier besteht zudem eine Fibrose (Bindegewebsvermehrung im Sinne einer Vernarbung), welche durch einen Verlust der elastischen Fasern in der Elastica-van-Gieson-Färbung hervorgehoben werden kann. Vorzeitig abgestorbene Keratinozyten im Follikelepithel sind in variablem Ausmaß zu sehen.

Als Abgrenzungsmerkmal gegenüber dem Lichen planopilaris gilt vor allem im frühen Krankheitsstadium eine entzündliche Beteiligung von Vellusfollikeln und von Terminalhaarfollikeln in allen Stadien des Haarzyklus[18]. Die oberflächliche Epidermis (Oberhaut) ist am Entzündungsprozess nicht beteiligt[19].

In der direkten Immunfluoreszenz finden sich relativ unspezifische Veränderungen wie beim Lichen planus: entlang der Basalmembran (Grenzschicht zwischen Follikelepithel und fibröser Wurzelscheide) zeigt sich eine Hervorhebung abgestorbener Keratinozyten auf IgM und IgA und gelegentlich eine Fluoreszenz auf Fibrinogen[20]. Aufgrund größerer Unterschiede im klinischen Bild spielt die direkte Immunfluoreszenz zur Abgrenzung einer frontalen fibrosierenden Alopezie gegenüber einem Lupus erythematodes der Kopfhaut jedoch eine geringere Rolle als dies beim Lichen planopilaris der Fall ist.[4]

Behandlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Vermeidung unwiederbringlichen Haarverlustes sollte die Therapie möglichst früh im Krankheitsverlauf einsetzen. Wie beim Lichen planopilaris kommen vor allem Corticosteroide (äußerlich, als Injektion in betroffene Hautareale oder systemisch) zum Einsatz. Ergänzend wird die Gabe von Ciclosporin, Finasterid, Dutasterid und Minoxidil diskutiert.[2]

Heilungsaussicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Vorhersage über Ausmaß des Haarverlustes und Therapieerfolg ist nicht möglich. Zumeist kommt die Erkrankung mit oder ohne Behandlung über die Zeit zum Stillstand[21].

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Erstbeschreibung des Krankheitsbildes erfolgte im Jahr 1994 durch den australischen Dermatologen Steven Kossard[22].

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • H. Wolff, T. W. Fischer, U. Blume-Peytavi: Diagnostik und Therapie von Haar- und Kopfhauterkrankungen. In: Deutsches Ärzteblatt. 2016, doi:10.3238/arztebl.2016.0377.
  • Alfred Lienhard: Frontale fibrosierende Alopezie diagnostizieren und behandeln. 2017 (rosenfluh.ch [PDF] Session «Spotlights 2» beim 26. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV)).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Sergio Vañó-Galván, Ana M. Molina-Ruiz, Cristina Serrano-Falcón, Salvador Arias-Santiago, Ana R. Rodrigues-Barata: Frontal fibrosing alopecia: a multicenter review of 355 patients. In: Journal of the American Academy of Dermatology. Band 70, Nr. 4, April 2014, ISSN 1097-6787, S. 670–678, doi:10.1016/j.jaad.2013.12.003, PMID 24508293.
  2. a b c d e f D. Ioannides, E. Vakirlis et al.: EDF S1 Guidelines on the management of Lichen Planus. (PDF) In: European Dermatology Forum. Abgerufen am 9. Januar 2020 (englisch).
  3. a b c Eduardo Calonje, Thomas Brenn, Alexander Lazar, Steven D. Billings: McKee’s pathology of the skin with clinical correlations. 5. Auflage. ohne Ort, ISBN 978-0-7020-7552-0, S. 1099.
  4. a b Eduardo Calonje, Thomas Brenn, Alexander Lazar, Steven D. Billings: McKee’s pathology of the skin with clinical correlations. Fifth edition Auflage. ohne Ort, ISBN 978-0-7020-7552-0, S. 1100 (Abschnitt Pathologie).
  5. a b Melanie Macpherson, Parinaz Hohendorf-Ansari, Ralph Michel Trüeb: Nail Involvement in Frontal Fibrosing Alopecia. In: International Journal of Trichology. Band 7, Nr. 2, April 2015, ISSN 0974-7753, S. 64–66, doi:10.4103/0974-7753.160107, PMID 26180450, PMC 4502476 (freier Volltext).
  6. a b D. A. Mehregan, H. M. Van Hale, S. A. Muller: Lichen planopilaris: clinical and pathologic study of forty-five patients. In: Journal of the American Academy of Dermatology. Band 27, 6 Pt 1, Dezember 1992, ISSN 0190-9622, S. 935–942, doi:10.1016/0190-9622(92)70290-v, PMID 1479098.
  7. a b R. Pirmez, B. Duque-Estrada, A. Donati, G. Campos-do-Carmo, N. S. Valente: Clinical and dermoscopic features of lichen planus pigmentosus in 37 patients with frontal fibrosing alopecia. In: The British Journal of Dermatology. Band 175, Nr. 6, Dezember 2016, ISSN 1365-2133, S. 1387–1390, doi:10.1111/bjd.14722, PMID 27233640.
  8. Jacob Griggs, Ralph M. Trüeb, Maria Fernanda Reis Gavazzoni Dias, Maria Hordinsky, Antonella Tosti: Fibrosing alopecia in a pattern distribution. In: Journal of the American Academy of Dermatology. 8. Januar 2020, ISSN 1097-6787, doi:10.1016/j.jaad.2019.12.056, PMID 31926219.
  9. H. Atarguine, O. Hocar, A. Hamdaoui, N. Akhdari, S. Amal: [Frontal fibrosing alopecia: Report on three pediatric cases]. In: Archives De Pediatrie: Organe Officiel De La Societe Francaise De Pediatrie. Band 23, Nr. 8, August 2016, ISSN 1769-664X, S. 832–835, doi:10.1016/j.arcped.2016.05.006, PMID 27345558.
  10. Derek V. Chan, Joseph Flynn, Rebecca Ziegler, Henry K. Wong: HLA-DR1 in familial frontal fibrosing alopecia. In: Journal of the American Academy of Dermatology. Band 73, Nr. 1, Juli 2015, ISSN 1097-6787, S. e39, doi:10.1016/j.jaad.2015.03.056, PMID 26089075.
  11. Ossama Abbas, Adele Chedraoui, Samer Ghosn: Frontal fibrosing alopecia presenting with components of Piccardi-Lassueur-Graham-Little syndrome. In: Journal of the American Academy of Dermatology. Band 57, Nr. 2, August 2007, ISSN 0190-9622, S. S15–S18, doi:10.1016/j.jaad.2006.11.010 (Online [abgerufen am 25. August 2021]).
  12. Makito Sato, Kenji Saga, Hiroyuki Takahashi: Postmenopausal frontal fibrosing alopecia in a Japanese woman with Sjögren’s syndrome. In: The Journal of Dermatology. Band 35, Nr. 11, November 2008, ISSN 0385-2407, S. 729–731, doi:10.1111/j.1346-8138.2008.00555.x, PMID 19120768.
  13. E. Naz, C. Vidaurrázaga, N. Hernández-Cano, P. Herranz, M. Mayor: Postmenopausal frontal fibrosing alopecia. In: Clinical and Experimental Dermatology. Band 28, Nr. 1, Januar 2003, ISSN 0307-6938, S. 25–27, doi:10.1046/j.1365-2230.2003.01131.x, PMID 12558623.
  14. Steven Kossard, Richard C. Shiell: Frontal fibrosing alopecia developing after hair transplantation for androgenetic alopecia. In: International Journal of Dermatology. Band 44, Nr. 4, April 2005, ISSN 0011-9059, S. 321–323, doi:10.1111/j.1365-4632.2004.02251.x, PMID 15811087.
  15. Matthew J. Harries, Sharon Wong, Paul Farrant: Frontal Fibrosing Alopecia and Increased Scalp Sweating: Is Neurogenic Inflammation the Common Link? In: Skin Appendage Disorders. Band 1, Nr. 4, Mai 2016, ISSN 2296-9195, S. 179–184, doi:10.1159/000444758, PMID 27386462, PMC 4908440 (freier Volltext).
  16. M. Miteva, C. Aber, F. Torres, A. Tosti: Frontal fibrosing alopecia occurring on scalp vitiligo: report of four cases. In: The British Journal of Dermatology. Band 165, Nr. 2, August 2011, ISSN 1365-2133, S. 445–447, doi:10.1111/j.1365-2133.2011.10382.x, PMID 21517796.
  17. Paul Armenores, Kyoko Shirato, Catherine Reid, Shireen Sidhu: Frontal fibrosing alopecia associated with generalized hair loss. In: The Australasian Journal of Dermatology. Band 51, Nr. 3, August 2010, ISSN 1440-0960, S. 183–185, doi:10.1111/j.1440-0960.2010.00653.x, PMID 20695856.
  18. M. Miteva, A. Tosti: The follicular triad: a pathological clue to the diagnosis of early frontal fibrosing alopecia. In: The British Journal of Dermatology. Band 166, Nr. 2, Februar 2012, ISSN 1365-2133, S. 440–442, doi:10.1111/j.1365-2133.2011.10533.x, PMID 21787366.
  19. Enrique Poblet, Francisco Jiménez, Alejandro Pascual, Enric Piqué: Frontal fibrosing alopecia versus lichen planopilaris: a clinicopathological study. In: International Journal of Dermatology. Band 45, Nr. 4, April 2006, ISSN 0011-9059, S. 375–380, doi:10.1111/j.1365-4632.2006.02507.x, PMID 16650161.
  20. D. A. Mehregan, H. M. Van Hale, S. A. Muller: Lichen planopilaris: clinical and pathologic study of forty-five patients. In: Journal of the American Academy of Dermatology. Band 27, 6 Pt 1, Dezember 1992, ISSN 0190-9622, S. 935–942, doi:10.1016/0190-9622(92)70290-v, PMID 1479098.
  21. K. T. Tan, A. G. Messenger: Frontal fibrosing alopecia: clinical presentations and prognosis. In: The British Journal of Dermatology. Band 160, Nr. 1, Januar 2009, ISSN 1365-2133, S. 75–79, doi:10.1111/j.1365-2133.2008.08861.x, PMID 18811690.
  22. S. Kossard: Postmenopausal frontal fibrosing alopecia. Scarring alopecia in a pattern distribution. In: Archives of Dermatology. Band 130, Nr. 6, Juni 1994, ISSN 0003-987X, S. 770–774, PMID 8002649.