GW1516

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Strukturformel
Struktur von GW501516
Allgemeines
Name GW1516
Andere Namen
  • {4-[({4-Methyl-2-[4-(trifluormethyl)­phenyl]-1,3-thiazol-5-yl}methyl)sulfanyl]­2-methylphenoxy}essigsäure (IUPAC)
  • GW-501,516
  • GSK-516
  • Cardarine
  • Endurobol
Summenformel C21H18F3NO3S2
Kurzbeschreibung

weißer Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 317318-70-0
PubChem 9803963
ChemSpider 7979723
DrugBank DB05416
Wikidata Q5515069
Eigenschaften
Molare Masse 453,50 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

GW1516 (auch bekannt unter den Bezeichnungen GW-501,516, GW501516, GSK-516, Cardarine und auf dem Schwarzmarkt als Endurobol[2]) ist ein Aktivator (Agonist) des PPARδ-Rezeptors. Er wurde in einer Zusammenarbeit zwischen Ligand Pharmaceuticals und GlaxoSmithKline (GSK) in den 1990er Jahren entwickelt als ein Arzneimittelkandidat für Stoffwechselerkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Entwicklung wurde im Jahr 2007 aufgegeben, nachdem das Mittel in Tierversuchen Krebs verursacht hatte, der sich schnell in mehreren Organen (Leber, Magen, Zunge, Haut, Harnblase, Eierstöcke, Gebärmutter und Hoden) ausbreitete.[3]

Ein 2007 veröffentlichtes Forschungsergebnis zeigte, dass die Gabe hoher Dosen von GW1516 bei Mäusen deren körperliche Leistungsfähigkeit drastisch verbesserte. Die Arbeit wurde ausführlich in populären Medien diskutiert und führte zu einem Schwarzmarkt für die Substanz und zu deren Missbrauch als Dopingmittel. Die World Anti-Doping Agency (WADA) entwickelte einen Test für GW1516 und andere verwandte Substanzen und fügte den Stoff 2009 ihrer Verbotsliste hinzu; es wurden zusätzliche Warnungen an die Athleten ausgegeben, dass GW1516 nicht sicher sei.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wirkung von GW1516 wurde ursprünglich während einer 1992 begonnenen Forschungskooperation zwischen GSK und Ligand Pharmaceuticals entdeckt[4] und in einer 2001 erschienenen Ausgabe von Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.[5] W. R. Oliver et al. berichten, dass sie die Substanz mit Hilfe von „kombinatorischer Chemie und strukturbasiertem Wirkstoffdesign“ entwickelt hätten.[6] Unter den Autoren war ein Sohn von Leo Sternbach, der in den 1960er Jahren erstmals verschiedene Benzodiazepine synthetisierte.[7]

Wie R&D Focus Drug News berichtete, begann GSK im Jahr 2000 Phase I Tests des Mittels zur Behandlung von Hyperlipoproteinämie,[8] gefolgt von Phase I/II Tests im Jahr 2002.[9] Im Jahr 2003 erhielt Ligand Pharmaceuticals eine 1-Million-US-Dollar-Zahlung als Folge der von GSK fortgesetzten Phase-I-Entwicklung.[10]

Im Jahr 2007 wurden zu GW1516 zwei klinische Studien der Phase II und weitere Studien über Adipositas, Diabetes, Dyslipidämie und Herz-Kreislauf-Erkrankungen abgeschlossen,[11][12] aber GSK beendete die Weiterentwicklung des Arzneimittels im Jahr 2007 aus Gründen, die damals nicht bekannt waren.[13] Es stellte sich später heraus, dass die Gabe des Medikaments abgebrochen wurde, weil die Substanz in Tierversuchen Krebs verursacht hatte, der sich schnell in mehreren Organen ausbreitete, und zwar bei Dosierungen von 3 mg pro kg und Tag bei Mäusen und Ratten.[14][15][16]

Das Labor von Ronald M. Evans kaufte eine Probe von GW1516 und verabreichte Mäusen eine viel höhere Dosis, als sie in den Experimenten von GSK verwendet wurde. Man fand heraus, dass die Verbindung die körperliche Leistungsfähigkeit der Mäuse drastisch erhöhte. Die Arbeit wurde 2007 in Cell publiziert, worüber weithin in der populärwissenschaftlichen Presse einschließlich der New York Times und dem Wall Street Journal berichtet wurde.[17]

Verwendung zu Dopingzwecken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking äußerten Wissenschaftler Bedenken, dass GW1516 von Athleten zur sportlichen Leistungssteigerung verwendet werden könne, da dessen Verwendung zu dieser Zeit nicht durch Regularien eingeschränkt war und auch durch Standardtests nicht erkannt werden konnte. In Zusammenarbeit mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) entwickelten Forscher einen Dopingtest auf GW1516 und einen weiteren PPAR-Modulator.[18] 2009 fügte die WADA diese Substanzen der Verbotsliste hinzu.[19]

Auf Bodybuilding- und Leichtathletik-Websites gab es Werbung für GW1516,[20] und 2011 war die Substanz schon seit geraumer Zeit auf dem Schwarzmarkt verfügbar.[2][21] 2011 kosteten 10 g der Substanz 1000 US-Dollar.[17] 2012 kategorisierte die WADA GW1516 von einer Gendoping-Verbindung zu einem „Hormon- und Stoffwechselmodulator“ um.[22]

Im Jahr 2013 unternahm die WADA den seltenen Schritt, potenzielle Nutzer der Substanz vor den möglichen gesundheitlichen Risiken zu warnen, in welchem sie informierte, dass schwerwiegende Nebenwirkungen beobachtet worden seien und es keine klinische Zulassung für diese Substanz gebe und auch keine geben werde; der New Scientist hat diese Warnung auf das Krebsrisiko der Verbindung zurückgeführt.[20][23]

Einige Athleten wurde positiv auf GW1516 getestet. Bei der Vuelta Ciclista a Costa Rica im Dezember 2012 wurden vier costa-ricanische Radfahrer positiv auf GW1516 getestet.[24][25][26] Auch in den Folgejahren kam es bei weiteren Athleten aus Rad- und Rennlaufsport zu positiven Dopingtests.[27][28][29][30]

Im Jahr 2017 berichteten erneut – auch deutsche – Medien verschiedentlich über GW1516, ohne die bekannte Krebsgefahr und bereits nachgewiesene Dopingfälle zu erwähnen.[31][32]

Wirkungsweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

GW1516 ist ein selektiver Agonist (Aktivator) des PPARδ-Rezeptors.[33] Es zeigt eine hohe Affinität (Ki = 1 nM) und Potenz (EC50 = 1 nM) für PPARδ mit mehr als 1000-facher Selektivität gegenüber PPARα und PPARγ.[6]

Bei Ratten rekrutiert die Bindung von GW1516 an PPARδ den Coaktivator PGC-1α (Peroxisome proliferator-activated receptor gamma coactivator 1-alpha, PPARGC1A). Der PPARδ/Coaktivator-Komplex reguliert wiederum die Expression von Proteinen, die am Energieverbrauch beteiligt sind, hoch.[34] Darüber hinaus wurde bei Ratten, die mit GW1516 behandelt wurden, ein erhöhter Fettsäuremetabolismus im Skelettmuskel und ein Schutz gegen diätinduzierte Adipositas (ernährungsbedingte Adipositas) sowie Diabetes Typ 2 beobachtet. Bei fettleibigen Rhesusaffen wurde durch GW1516 das High Density Lipoprotein (HDL) erhöht und das Very Low Density Lipoprotein (VLDL) erniedrigt.[34] Es wird angenommen, dass – ausgelöst durch GW1516 – verstärkt Typ-I-Muskelfasern („Ausdauermuskulatur“) gebildet werden, ebenso wie Enzyme zur Lipolyse. Beides macht die Substanz zu einem wirksamen Dopingmittel.[35]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Datenblatt GW501516, ≥98% (HPLC) bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 25. September 2017 (PDF).
  2. a b Anti-doping agency warns cheats on the health risks of Endurobol. In: The Conversation. 22. März 2013, abgerufen am 28. März 2020.
  3. A. Sahebkar, G. T. Chew, G. F. Watts: New peroxisome proliferator-activated receptor agonists: potential treatments for atherogenic dyslipidemia and non-alcoholic fatty liver disease. In: Expert Opin Pharmacother. Band 15, Nr. 4, 2014, S. 493–503, doi:10.1517/14656566.2014.876992, PMID 24428677 (englisch). "Despite these promising early results, the further investigation and development of GW501516 was discontinued after observations in animal studies of its association with the rapid induction of cancers in several organs (liver, stomach, tongue, skin, bladder, ovaries, womb and testes)".
  4. GW501516 GlaxoSmithKline, Ligand milestone payment. In: R & D Focus Drug News. 28. Juni 2004.
  5. G. Wolf: The function of the nuclear receptor peroxisome proliferator-activated receptor delta in energy homeostasis. In: Nutr. Rev. Band 61, Nr. 11, November 2003, S. 387–390, doi:10.1301/nr.2003.nov.387-390, PMID 14677574.
  6. a b W. R. Oliver, J. L. Shenk, M. R. Snaith, C. S. Russell, K. D. Plunket, N. L. Bodkin, M. C. Lewis, D. A. Winegar, M. L. Sznaidman, M. H. Lambert, H. E. Xu, D. D. Sternbach, S. A. Kliewer, B. C. Hansen, T. M. Willson: A selective peroxisome proliferator-activated receptor delta agonist promotes reverse cholesterol transport. In: Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. Band 98, Nr. 9, April 2001, S. 5306–5311, doi:10.1073/pnas.091021198, PMID 11309497, PMC 33205 (freier Volltext).
  7. Julia Flynn: Father and Son: In Two Generations, Drug Research Sees a Big Shift. In: The Wall Street Journal. 11. Februar 2004, abgerufen im Jahr 2023.
  8. GW501516 Glaxo Wellcome phase change I, UK. In: R&D Focus Drug News. 20. November 2000.
  9. GW501516 GlaxoSmithKline phase change II, UK. In: R&D Focus Drug News. 25. Februar 2002.
  10. Ligand Pharmaceuticals Incorporated Earns $1 Million Milestone Payment as GlaxoSmithKline Advances Development of 501516. Reuters Significant Developments, 5. Juni 2003, abgerufen am 28. März 2020.
  11. G. D. Barish, V. A. Narkar, R. M. Evans: PPAR delta: a dagger in the heart of the metabolic syndrome. In: J. Clin. Invest. Band 116, Nr. 3, März 2006, S. 590–597, doi:10.1172/JCI27955, PMID 16511591, PMC 1386117 (freier Volltext).
  12. Uwe Dressel, Tamara L. Allen, Jyotsna B. Pippal, Paul R. Rohde, Patrick Lau, George E. O. Musc: The Peroxisome Proliferator-Activated Receptor β/δ Agonist, GW501516, Regulates the Expression of Genes Involved in Lipid Catabolism and Energy Uncoupling in Skeletal Muscle Cells. In: Molecular Endocrinology. Band 17, Nr. 12, 2003, S. 2477–2493, doi:10.1210/me.2003-0151, PMID 14525954.
  13. A. N. Billin: PPAR-beta/delta agonists for Type 2 diabetes and dyslipidemia: an adopted orphan still looking for a home. In: Expert Opin Investig Drugs. Band 17, Nr. 10, Oktober 2008, S. 1465–1471, doi:10.1517/13543784.17.10.1465, PMID 18808307.
  14. A. Sahebkar, G. T. Chew, G. F. Watts: New peroxisome proliferator-activated receptor agonists: potential treatments for atherogenic dyslipidemia and non-alcoholic fatty liver disease. In: Expert Opin Pharmacother. Band 15, Nr. 4, 2014, S. 493–503, doi:10.1517/14656566.2014.876992, PMID 24428677: „Despite these promising early results, the further investigation and development of GW501516 was discontinued after observations in animal studies of its association with the rapid induction of cancers in several organs (liver, stomach, tongue, skin, bladder, ovaries, womb and testes)“
  15. L. E. Geiger, W. S. Dunsford, D. J. Lewis, C. Brennan, K. C. Liu, S. J. Newsholme: PS 895 – Rat carcinogenicity study with GW501516, a PPAR delta agonist. 48th Annual Meeting of the Society of Toxicology. Society of Toxicology, Baltimore 2009, S. 105 (englisch, toxicology.org (Memento des Originals vom 4. Mai 2015 im Internet Archive) [abgerufen am 22. Juli 2015]).
  16. S. J. Newsholme, W. S. Dunsford, T. Brodie, C. Brennan, M. Brown, L. E. Geiger: PS 896 – Mouse carcinogenicity study with GW501516, a PPAR delta agonist. 48th Annual Meeting of the Society of Toxicology. Society of Toxicology, Baltimore 2009, S. 105 (englisch, toxicology.org (Memento des Originals vom 4. Mai 2015 im Internet Archive) [abgerufen am 22. Juli 2015]).
  17. a b Michael Bezar: Faster. Higher. Squeakier. In: Outside magazine. 1. November 2011, abgerufen am 2. April 2013.
  18. J. Laurance, A. Rajan: Health News, Health & Wellbeing - Warning to Beijing Olympics over pills that mimic exercise. In: The Independent. 1. August 2008, abgerufen am 1. August 2008.
  19. Prohibited List. (PDF) WADA, 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. Februar 2009; abgerufen am 28. März 2020.
  20. a b Anti-doping agency warns athletes of black market drug. In: New Scientist. 26. März 2013, abgerufen am 28. März 2020.
  21. M. Thevis, H. Geyer, A. Thomas, W. Schänzer: Trafficking of drug candidates relevant for sports drug testing: detection of non-approved therapeutics categorized as anabolic and gene doping agents in products distributed via the Internet. In: Drug Test Anal. Band 3, Nr. 5, Mai 2011, S. 331–336, doi:10.1002/dta.283, PMID 21538997.
  22. F. Sanchis-Gomar, G. Lippi: Telmisartan as metabolic modulator: a new perspective in sports doping? In: J Strength Cond Res. Band 26, Nr. 3, März 2012, S. 608–610, doi:10.1519/JSC.0b013e31824301b6, PMID 22130396.
  23. WADA issues alert on GW501516. World Anti-Doping Agency, 21. März 2013, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. Juni 2013; abgerufen am 28. März 2020.
  24. Shane Stokes: GW501516 positives confirmed, three of four riders are from same BCR Pizza Hut team, auf: velonation.com. 15. April 2013.
  25. Shane Stokes: Four riders each handed two year bans for use of GW501516. auf: velonation.com, 30. Juli 2013.
  26. List of sanctions. uci.ch, 1. August 2008, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. Juli 2014; abgerufen am 28. März 2020.
  27. European champion Valery Kaykov sacked for failing drug test. In: BBC. 11. April 2013, abgerufen am 11. April 2013.
  28. Gregory Blachier: Venezuelan Ubeto tests positive for high-risk drug. In: Reuters Sports News. 5. Mai 2013, abgerufen am 19. April 2018.
  29. Sanctioned athletes list, vom 26. Juni 2014
  30. Associated Press: Doping probe launched into Russian walkers, auf: espn.com. 11. Juli 2014.
  31. Kommt die "Fitness-Pille"?, auf: scinexx vom 5. Mai 2017.
  32. Daniela Zeibig: Sportpille hält Mäuse fit. auf: Spektrum.de, 2. Mai 2017.
  33. P. Pelton: GW501516 GlaxoSmithKline/Ligand. In: Curr Opin Investig Drugs. Band 7, Nr. 4, April 2006, S. 360–370, PMID 16625823.
  34. a b D. L. Sprecher: Lipids, lipoproteins, and peroxisome proliferator activated receptor-delta. In: Am. J. Cardiol. Band 100, 11, Suppl. 1, Dezember 2007, S. 20–24, doi:10.1016/j.amjcard.2007.08.009, PMID 18047848.
  35. Doping: Erkaufte Leistung – Wie Dopingsubstanzen wirken sollen. In: Deutsche Apotheker Zeitung. Nr. 7, 2014, Abschnitt S4: Hormone und Stoffwechselmodulatoren, PPARδ- und AMPK-Agonisten