Gebr. Freundlich

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Die Gebr. Freundlich AG war eine Holzhandlung und Parkettfabrik mit einem Dampfsägewerk in München, Filialen in Stuttgart und Kirchberg in Tirol, sowie Holzlager in Deutschland, Österreich und Importlager in Osteuropa und Russland.[1]

Gründung und Aufstieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fabrikhalle der Gebr. Freundlich in Kirchberg in Tirol

Die Holzhandlung Gebr. Freundlich wurde 1875 in München von Moritz Freundlich (1840–1892) und Julius Freundlich (* 31. März 1853 in Wittelshofen, verstorben am 28. September 1937) gegründet. Die Firma besaß ab 1916 ein Sägewerk, ein Lager in der Elsenheimer Str. 23, ein großes Holzlager in der heutigen Landsberger Straße 426/428 sowie beträchtliche Holzverwertungsbetriebe in Österreich und Ungarn. Sie lieferte Eichenholz in fast alle Länder Europas. Das Büro befand sich in der Sonnenstraße. 1912 erfolgte die Umwandlung in eine OHG. In Kirchberg/Tirol wurde Rohparkett für Osteuropa und den Balkan produziert. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in Zürich die Holz-Contor AG gegründet, die sich zu einer Firma von europäischem Rang entwickelte. 1921 kaufte die Firma ein Dampfsägewerk (heute Landsbergerstr. 432) das zu einem Hobelwerk für Parkett erweitert wurde.[1]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Julius Freundlich wurde 1904 der Titel Kommerzienrat verliehen und es erfolgte die Berufung zum ehrenamtlichen Handelsrichter bei der IHK.[2]

Die Familien-AG[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1922 erfolgt die Umwandlung der OHG in eine Familien-AG. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise Ende 1929 musste die Familie Wertpapiere aus ihrem Privatbesitz an Schweizer Banken verpfänden. Dieser Umstand stellte sich Jahre später als Vorteil heraus. Dieses Vermögen war vor dem Zugriff des NS-Regimes sicher. Es wurde jedoch erst zehn Jahre nach Kriegsende freigegeben.[3]

Die Familien Freundlich und Prager[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Julius Freundlich kam 1868 15-jährig nach München und arbeitete in einer Münchner Holzhandlung als Gehilfe. Am 29. Juni 1885 heiratete er Karolina (Lina) Prager (1863–1937) aus Heilbronn. Am 2. Mai 1886 wurde Tochter Cornelia geboren. 1907 heiratete Carolina Freundlich den nichtjüdischen Rechtsanwalt Dr. jur. Rolf Ritter und Edler von Paur (1883–1959). Zwei Brüder von Lina Freundlich traten in die Firma ein: 1912 Ludwig Löb Prager (1866–1936) und 1916 Alfred Siegfried Prager (1883–1940). 1919 trat Schwiegersohn Rolf von Paur in die Firma ein.[1]

Während der Zeit des Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Tod von Julius Freundlich 1937 wurde das Ehepaar von Paur Hauptaktionär (50 %) und Rolf von Paur Vorstandsvorsitzender. Der letzte jüdische Teilhaber schied aus dem Vorstand aus. Die Firma hieß nun „Holzhandel AG“. Teilhaber waren mit je 25 % Alfred Prager und der Sohn von Ludwig Prager, Fritz Peter Prager. Im Juli 1938 wurden Alfred Prager und Rolf von Paur verhaftet und der Vermögensverschiebung in die Schweiz angeklagt. Das Verfahren wurde schließlich ergebnislos eingestellt. Jedoch stimmten die Unternehmer bedingt durch Verhaftung und Anklageerhebung der Einsetzung eines Treuhänders und Generalbevollmächtigten zu. Diesen Posten übernahm ein SS-Hauptsturmführer, der nun die volle Verfügungsgewalt über die Firma hatte. Im August wurde Alfred Prager erneut verhaftet und danach, im Zuge der Reichskristallnacht, ins KZ Dachau verschleppt. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands wurde er in eine Klinik transportiert und dort bis Anfang 1940 unter Arrest gestellt. Im September 1940 verstarb Alfred Prager in Haft. Seine Frau Lilly bemühte sich erfolglos um Emigration und wurde am 20. November 1941 nach Kaunas deportiert und dort am 25. November im Fort IX ermordet.[4]

Rolf von Paur bemühte sich vergeblich um Anerkennung der Firma als ein nichtjüdisches Unternehmen. Gestapo und Reichswirtschaftsministerium waren jedoch nicht einer Meinung. Das Ministerium legte noch im Sommer 1938 dar, es müsse befürchtet werden, dass, wenn der einzige Nichtarier aus der Firma hinausgedrängt werde, diese im Ausland hoch angesehene Firma empfindlichen Schaden durch Auslandsboykott erleiden könne. Das NS-Regime übte Druck auf von Paur aus, er solle sich scheiden lassen. Dem kam er jedoch nicht nach. 1942 erfolgte die Verhaftung des Ehepaars, Cornelia von Paur wurde zu sieben Monaten Zwangsarbeit verurteilt. Sohn Claus leistete vier Jahre Militärdienst, wurde verwundet und musste schließlich in einem Thüringer Salzbergwerk Zwangsarbeit leisten. Rolf von Paur, 17 Monate in Haft bzw. Arrest, gab im Juni 1942 dem Druck nach und verließ den Vorstand. Im Oktober 1942 übertrug Fritz Peter Prager seine Anteile an seine „arische“ Mutter.[5]

Nachkriegszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rolf von Paur übernahm wieder die Geschäftsleitung. Die Firma konnte jedoch nicht mehr an ihre Erfolge anknüpfen. Büro und Lagergebäude waren zerstört. Als Lager diente die Elsenheimer Str. 23. 1956 wurde der Beschluss zur Geschäftsauflösung in 1958 gefällt.[6]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bernhard Koch: Ausgeliefert an willfährige Vollstrecker – Die Holzhandlung Gebrüder Freundlich, in: Ins Licht gerückt, Jüdische Lebenswege im Münchner Westen, Utz München 2008, S. 85–98.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Bernhard Koch in: Ins Licht gerückt, Jüdische Lebenswege im Münchner Westen. Utz München 2008, S. 85–87 google books.
  2. Bernhard Koch in: Ins Licht gerückt, Jüdische Lebenswege im Münchner Westen. Utz München 2008, S. 85.
  3. Bernhard Koch in: Ins Licht gerückt, Jüdische Lebenswege im Münchner Westen. Utz München 2008, S. 86.
  4. Alfred Gottwaldt, Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941–1945: eine kommentierte Chronologie. Marix, Wiesbaden 2005, ISBN 3-86539-059-5, S. 106.
  5. Bernhard Koch in: Ins Licht gerückt, Jüdische Lebenswege im Münchner Westen. Utz München 2008, S. 88–93.
  6. Bernhard Koch in: Ins Licht gerückt, Jüdische Lebenswege im Münchner Westen. Utz München 2008, S. 94.