Geleitstraße 4 (Weimar)

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Donndorfbrunnen und im Hintergrund das um 1760 erbaute Gebäude Geleitstraße 4, 1963[1]
Donndorfbrunnen vor dem Hababusch, 2014
Gedenktafel mit ausgelöschten Schriftzügen am Haus Geleitstraße 4

Die Geleitstraße 4 ist ein spätbarockes Haus in der Geleitstraße in Weimar.

Das dreigeschossige Gebäude besitzt ein Mansarddach. Bemerkenswert ist der Erker, der 1905 durch den damaligen Besitzer, Kommerzienrat Louis Döllstädt[2] zunächst als Balkonanlage über dem Durchgang zum Hinterhof angebracht wurde und an das klassizistische Nachbarhaus Rittergasse 12 anschließt.[3] Unter dem Erker befindet sich heute der Eingang des Gebäudes. Das Gebäude ist an der südlichen Fassade mit Wildem Wein bewachsen.

Vor dem Gebäude befindet sich der Donndorfbrunnen. Zusammen mit der Rittergasse 12 bildet das Haus Geleitstraße 4 eine platzartige Erweiterung mit dem Donndorfbrunnen als Mittelpunkt. Der Gesamtentwurf der Anlage kam vom Weimarer Stadtbaumeister Bruno Schmidt.[4] Der Donndorfbrunnen ist ein Einzeldenkmal.

Baugeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Errichtung des Gebäudes um 1760 stand auf dem Platz um den Donndorfbrunnen noch ein niedriger Bau, der später entfernt wurde.

Wohl gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das kleinere nördlich angrenzende Wohnhaus[5] mit dem Haupthaus zusammengelegt.

Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte das Gebäude dem Ehringsdorfer Ritterguts- und Brauereibesitzer Richard Heydenreich. Der ursprünglich eigenständige nördliche Gebäudeteil wurde 1939 mit Schaufenstern im Erdgeschoss ausgestattet und der dahinterliegende Treppenaufgang wurde nach hinten verlegt, um vorne ein Ladengeschäft einzurichten.

Im Jahr 1945 bestanden im Gebäude 5 Wohnungen, sowie offenbar ein Lebensmittelgeschäft und Lagerflächen für umliegende Ladengeschäfte, später eine Drogerie. Bei den Fliegerangriffen, die das gegenüberliegende Zeughaus Anfang 1945 weitgehend zerstörten, wurde auch dieses Gebäude an Dach und Fassade beschädigt. Die auf Abbildungen zu erkennende „reiche Putzfassade des Rokokos“ wurde offenbar im Zuge der Reparaturarbeiten entfernt.[6]

Da die Familie Heydenreich über 100 Hektar Land besaß, wurde ihr Besitz in der sowjetischen Besatzungszeit enteignet. Zusammen mit der Brauerei wurde das Gebäude offenbar an den Verband Thüringer Konsumgenossenschaften eGmbH übergeben.[7] Zur Wendezeit wurde es von der Kommunalen Wohnungsverwaltung der Stadt Weimar verwaltet.

Ebenso wie die Nachbargebäude wurde das Gebäude Anfang der 80er Jahre saniert und mit einer Kohlezentralheizung ausgestattet,[8] zu deren Betrieb ein Heizer abgestellt wurde. Die Trockentoiletten im Hofbereich wurden abgebrochen und die 1,8 m hohen Türen entfernt, um die Durchgänge auf 2 Meter zu vergrößern. Die bestehenden 8 Wohnungen wurde zu einem „Internat mit Klubraum“ der Hochschule für Architektur und Bauwesen zusammengelegt, das als Studentenwohnheim mit 29 Betten in Doppelzimmern genutzt wurde und informell dem Studentenclub Kasseturm angeschlossen war. Einer der ersten studentischen Bewohner des Gebäudes, Torsten Bude, pflanzte den Wein an der Fassade, nachdem er bei der Denkmalbehörde eine Genehmigung hierfür beantragt hatte. Im Erdgeschoss befand sich bis zur Wende ein Blumenladen.

Nach der Wende stand das Gebäude leer, bis es 1996 von einem studentischen Verein übernommen wurde, der es bis 2012 als Wohnprojekt und Hostel für Rucksackreisende „Hababusch“ betrieb. Seitdem wird es wieder überwiegend von Studenten bewohnt. Über Nutzung, Sanierung und Umgang mit dem Gebäude gab es anhaltende Auseinandersetzungen.[9][10] Der heute bekannte Name des Gebäudes geht zurück auf Lieselotte Haberbusch, die allemannische Freundin der Großmutter eines Bekannten der Hausbewohner von 1996, deren Name später zu Hababusch gekürzt und abgewandelt wurde.

Nachdem der Landeskonservator Ende der 90er Jahre feststellte, dass die meisten Einbauten bei der Sanierung in den 80er Jahren entfernt oder überbaut worden waren, verlor das Gebäude den Status des Einzeldenkmals.[6]

Die griechische Künstlerin Eleni Froudaraki brachte 2006 an der Straßenseite eine historische ovale Grabplatte an, deren Beschriftung in einer Art Abolitio Nominis durch eingemeißelte Linien unleserlich gemacht wurde.

Archäologische Funde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Jahren 2022 und 2023 wurden im Zuge der im Hinterhof ausgeführten Bauarbeiten Spuren eines Grubenhauses aus der Zeit des sogenannten Thüringer Königreichs in den Jahren 430 bis 550 nach Christus entdeckt, das Aufschluss über die früheste Besiedlung des Weimarer Stadtgebiets nahe der Ilm gibt.

Ein danebenliegender ehemaliger Brunnen wurde im 13. Jahrhundert verfüllt. Am Grunde des Brunnens fanden sich 30 intakte Tongefäße und viele weitere Keramikfragmente. Sowohl die Gefäße am Grundes des Brunnens wie auch der bis nahe der Geländeoberfläche reichende und aus flachen Natursteinen mit Lehm vermauerte Brunnenschacht waren mit Brandschutt bedeckt, so dass der Brunnen möglicherweise nach dem Brand und Einsturz des darüberstehenden Gebäudes aufgegeben und verfüllt wurde. Aufgrund der großen Anzahl der Gefäße am Boden des rund 6 Meter tiefen Brunnens, die auch als Schankgefäße für Bier gedient haben könnten, vermuten die Archäologen, dass sich entweder eine Töpferwerkstatt oder eine mittelalterliche Gaststätte darüber befunden haben könnte. Teile der Funde sind im Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens ausgestellt.[11]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gitta Günther: Weimarer Ehrenbürger (29): Der Künstler Adolf von Donndorf. In: Thüringische Landeszeitung. 25. August 2011, abgerufen am 2. September 2023.
  2. Bereits 1840 wird ein Kaufmann Louis Döllstädt in den Bauunterlagen als Besitzer genannt, vermutlich der Vater.
  3. 1952 wird der Erker in den Bauunterlagen noch als „Balkon“ bezeichnet.
  4. Donndorf-Brunnen auf Weimar-Lese
  5. evtl. ehemals Geleitstraße 6, diese Hausnummer wird heute nicht mehr verwendet; alle anderen Gebäude bis zum Anna-Amalia-Hotel nahe des Goetheplatzes mit der Hausnummer 8–12 sind anderen Straßen zugeordnet
  6. a b laut Schreiben "Streichung aus der Denkmalliste" vom 15.10.1998 von Dipl.-phil. R. Müller, Konservator z. A., Abteilung Erfassung/ Inventarisation, Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege
  7. alternativ im Schriftverkehr auch als Konsum Genossenschaftsverband Bezirk Erfurt eGmbH bezeichnet
  8. Die Bauakten zur 'Rekonstruktion' des Gebäudes nennen im Dezember 1982 als Eigentümer die KWV, als Plan- & Investträger den Rat der Stadt Weimar gemeinsam mit einiHAG komplexer Wohnungsbau, als Projektierungsbetrieb VEW Stadtbau Weimar sowie als Hauptauftragnehmer PGH Aufbau
  9. Konzept Hababusch Haus Weimar. (PDF) hababusch.de, Januar 2014, abgerufen am 28. Januar 2024.
  10. Räumung im Hababusch droht - Verhandlung wegen umstrittener Baumaßnahmen. Thüringer Allgemeine, 6. Oktober 2022, abgerufen am 28. Januar 2024.
  11. Marvin Reinhart: Hababusch: Archäologischer Sensationsfund auf Weimars abenteuerlichster Baustelle, 21.02.2024, Thüringer Allgemeine Tageszeitung, Funke Medien Gruppe. In: archive.ph

Koordinaten: 50° 58′ 50,3″ N, 11° 19′ 39,5″ O