Judentum in Portugal

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Das Judentum in Portugal hat mit der Ankunft der ersten Juden zurzeit des Römischen Reiches im heutigen Portugal vergleichsweise früh begonnen. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert wurden Juden hart verfolgt.

In der Synagoge von Tomar
Brunnen im Judenviertel von Castelo de Vide

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Antike und arabische Zeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Archäologisch belegt[1] ist die Präsenz von Juden seit etwa 300 n. Chr. Sogenannte Judengassen und die später Judiarias (deutsch: Judenviertel) bezeichnete Viertel gab es in Portugal bereits zur Zeit der Mauren im Al-Andalus.

Mittelalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter Alfons I. (Henriques) (1139–85) gab es eine Anzahl jüdischer Distrikte, darunter Lissabon, Oporto, Santarém und Beja. Der jüdische Schatzmeister Yahia ben Rabbi war der erste in der Liste jüdischer Experten in der Staatsverwaltung. Er wurde auch der erste Oberrabbiner der jüdischen Gemeinschaft.

Bis zum 16. Jahrhundert bildeten die Juden eine eher kleine Minderheit, die in sogenannten comunas (dt.: Kommunen) organisiert waren und in den Städten lebten. Mit der kleinen Gruppe reicher Bankiers, Kaufleute und öffentlicher Amtsinhaber, der größeren Gruppe Handwerker (insbesondere Schneider, Schmiede, Goldschmiede und Schuhmacher) und der kleineren Gruppe Besitzloser lassen sich mindestens drei gesellschaftliche Schichten erkennen. Sie mussten in durch Mauern oder Zäune von den Christen abgesonderten Vierteln leben, den Judiarias, deren Tore nachts abgesperrt wurden. Innerhalb dieser besaßen sie jedoch ihre Synagogen, Bäder und ihr Gemeindeleben. Die außerhalb der Stadtmauern gelegenen islamischen Viertel hießen in Abgrenzung Mouraria (nach Mouros, portugiesisch für: Mauren).

„Neuchristen“ vom 15. bis zum 19. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während zuvor in Portugal die jüdischen Gemeinden vergleichsweise unbehelligt lebten, kamen, nachdem die katholischen Könige Isabella von Kastilien und Ferdinand II. von Aragon mit dem Alhambra-Edikt 1492 die Juden vertrieben hatten, über 50.000 Juden über die Grenze nach Portugal, gegen Zahlung beträchtlicher Geldsummen an die portugiesische Krone. König João II. ließ sie jedoch nur noch für acht Monate ins Land. Viele Juden verließen Portugal danach wieder, andere wurden eingesperrt, und nur 600 der Reichsten und Mächtigsten erhielten für 500 Cruzados eine Aufenthaltserlaubnis.[2]

Gedenktafel in Porto zur Vertreibung der Juden 1496

König Manuel I. ließ die eingesperrten Juden 1495 frei, beschloss auf Druck Kastiliens und der Inquisition dennoch ein Jahr später deren Ausweisung. Von Dezember 1496 bis Oktober 1497 wurden in der Folge fast alle Juden entweder getauft oder grausam vertrieben, zeitgleich mit den ebenfalls ausgewiesenen Muslimen. Manuel I. wollte im April 1497 allen Kindern unter 14 Jahren verbieten, das Land zu verlassen, worauf sich nochmals tausende Juden taufen ließen, um Kinder und Besitz zu behalten. Sie wurden fortan „Neuchristen“ (portugiesisch: novos-cristãos) oder Marranen genannt und auf Grund stetig erneuerter Gesetze offiziell in Ruhe gelassen. Jedoch waren ihnen Nutzungsrechte, öffentliche Ämter und das Einheiraten in adlige Familien untersagt. Zudem kam es oft zu antijüdischen Pogromen, insbesondere um Ostern 1506 in Lissabon, wo etwa 2000 Neuchristen im Massaker von Lissabon umkamen.[3] Einige der elternlos aufwachsenden Neuchristen wurden 1497 zur Besiedlung von Ano Bom (Annobón) und São Tomé in den Golf von Guinea verschleppt.[4] Reiche Juden beteiligten sich an der lukrativen Finanzierung des aufkommenden Indienhandels und neuer Expeditionen.[5] Doch 1534 liefen die Gesetze zu ihrem Schutz endgültig aus, ihre Zahl verringerte sich nun weiter, insbesondere mit der Einführung der Inquisition in Portugal im Jahre 1536.

Die zunehmende Rivalität zwischen Arabern und den zur Weltmacht aufgestiegenen Portugiesen verschärfte die gegenseitige Intoleranz, die auch religiös begründet wurde. Mit den Muslimen mussten auch immer mehr verbliebene Marranen Portugal verlassen.[6] Die Situation entspannte sich etwas nach der Personalunion mit Spanien und dem vorübergehenden Verlust der portugiesischen Unabhängigkeit 1580, mit den nun verbesserten Ausweichmöglichkeiten in einem größeren Staatsgebilde und den Ablenkungen der Obrigkeiten durch die neuen inneren Konflikte und Aufgaben. 1601 erlaubte ein Abkommen der Juden mit dem portugiesisch-spanischen König ihre Ansiedlung und Handelstätigkeit in der Kolonie Guinea. 1605 erließ der Papst eine Generalamnestie für die Marranen in Portugal, durch die 400 Gefängnisinsassen freikamen. Sie bewirkte aber auch Protestunruhen. Die Marranen mussten dafür eine Steuerzahlung von 1,7 Mio. Cruzados leisten, um die portugiesische Flotte im Indischen Ozean aufzurüsten. Einige Händlerfamilien profitierten vom globalen Handel aber erheblich.[7]

Im Verlauf des Restaurationskrieges und der schließlich wiedererlangten Unabhängigkeit Portugals 1640 wurden die jüdischen Finanziers für das Königreich dann ein wichtiger Faktor, worauf der Besitz der von der Inquisition verurteilten Neuchristen zwischen 1649 und 1659 unangetastet blieb.[8] Um Investitionen der zahlreichen, vor allem in die Niederlande und nach Hamburg (siehe hierzu Portugiesische Synagoge Amsterdams und Geschichte der Juden in Hamburg) ausgewanderten portugiesischen Juden warb das Königshaus ebenso, auch unter Einsatz von bspw. António Vieiras, was die Position der Juden weiter entlastete.[9] Ihre Zahl blieb im Land jedoch relativ gering und nahm erst ab 1800 wieder nennenswert zu. Am 19. Oktober 1739 wurde der Komödiendichter und Marrane António José da Silva noch von der Inquisition hingerichtet. Am 1. September 1739 starben zuvor vier Männer und acht Frauen den Tod durch Verbrennen.[10] Durch die Aufklärung wurden Inquisition und der Jesuitenorden zum Feindbild der Modernisierer.

Der Bankier Isaac Lyon Goldsmid lebte in London, wurde aber von der portugiesischen Regierung 1846 zum Baron von Palmeira ernannt.

20. und 21. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zweiten Weltkrieg wuchs erneut die jüdische Gemeinde im neutral gebliebenen Portugal, es wurde zum Fluchtpunkt für Exilanten, vor allem aber zum Transitland.[11][12] Heute sind Belmonte, Porto und Lissabon die Zentren der jüdischen Gemeinde in Portugal. In Porto wurde in den 1930er Jahren mit der Sinagoga Kadoorie die größte Synagoge der Iberischen Halbinsel errichtet.

Seit 2015 gilt ein Sondergesetz für sephardische Juden, das es Nachfahren von Vertriebenen erlaubt, die portugiesische Staatsangehörigkeit durch Eintragung zu erhalten. Mit dem Gesetz Nr. 30-A/2015, mit Veröffentlichung im portugiesischen Gesetzblatt am 27. Februar 2015 gültig geworden, vergibt Portugal die Staatsangehörigkeit an Nachfahren der ab 1497 aus Portugal geflohenen Sepharden. Justizministerin Paula Teixeira da Cruz erklärte dazu, diese Maßnahme sei angesichts des historischen Fehlers nur gerecht, wenn sie auch sehr spät komme. Der historische Schaden sei ohnehin nicht zu reparieren.[13][14]

Rede de Judiarias[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Rede de Judiarias (deutsch: Netz der Judenviertel) ist ein Verbund von Orten in Portugal, in denen es historische jüdische Gemeinden gibt oder gab. Durch die einheitliche touristische Vermarktung als Route soll das Interesse an der langen jüdischen Geschichte in Portugal geweckt werden, und das Wissen darum erhalten und verbreitet werden.

Am 17. März 2011 wurde die Rede de Judiarias de Portugal – Rotas de Sefarad (portugiesisch für: Netz der Judenviertel Portugals – Routen des Sepharad) als öffentlicher Verein privaten Rechts mit Sitz in Belmonte gegründet. Der Namenszusatz erinnert an die Sephardim, die früheren jüdischen Gemeinden der Iberischen Halbinsel.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Judaism in Portugal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vermutungen, die bis auf die Zeit Königs Nebukadnezars III. zurückgehen, bleiben hier außer Acht. James Finn
  2. António Henrique de Oliveira Marques: Geschichte Portugals und des portugiesischen Weltreichs (= Kröners Taschenausgabe. Band 385). Aus dem Portugiesischen von Michael von Killisch-Horn. Kröner, Stuttgart 2001, ISBN 3-520-38501-5, S. 42, 44, 49, 129.
  3. S. 131
  4. S. 157
  5. S. 171
  6. S. 180
  7. Jorun Poettering: The General Pardon of 1605 and the Origins of Hamburg’s Portuguese-Jewish Community. In: Harm den Boer et a. (Hrsg.): Caminos de leche y miel. Band I. Barcelona 2018, S. 127–141 (uni-muenchen.de [PDF]).
  8. S. 237
  9. Walther L. Beckmann, Horst Pietschmann: Geschichte Portugals. Verlag C. H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-44756-2, S. 62.
  10. Meyer Kayserling: Geschichte der Juden in Portugal. Band 2, 1861 (uni-frankfurt.de [abgerufen am 11. Mai 2024]).
  11. deutschlandfunk.de: Fluchtpunkt Lissabon - Exil im Portugal der 1940er-Jahre. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  12. Zuflucht am Rande Europas, Portugal 1933-1945 - von Irene Flunser Pimentel und Christa Heinrich. Abgerufen am 11. Mai 2024 (deutsch).
  13. Vertriebene Juden aus Spanien und Portugal - Ein Pass für die Nachfahren, Artikel vom 3. Februar 2015 auf Spiegel Online, abgerufen am 1. Januar 2018
  14. Einbürgerung von Ausländern, die Nachkommen der sephardischen Juden aus Portugal sind, deutschsprachiger PDF-Abruf der Einbürgerungsregularien, Website des portugiesischen Außenministeriums für die Auslandsgemeinden, abgerufen am 13. April 2022