Grantha-Schrift

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Ausschnitt aus einer Sanskrit-sprachigen Bibelübersetzung von 1863 in der Grantha-Schrift

Die Grantha-Schrift (von Sanskrit ग्रन्थ grantha „Buch“ oder „Manuskript“) gehört zum südlichen Zweig der indischen Schriften. Wie die meisten indischen Schriften stammt sie von der Brahmi-Schrift ab. Die Grantha-Schrift lässt sich epigraphisch ab dem 6. Jahrhundert nachweisen und war lange die vorherrschende Schrift in Südindien. Die heutige Malayalam-Schrift stammt von der Grantha-Schrift ab und entwickelte sich im 12. Jahrhundert zu einer eigenständigen Schrift. Auch die Tamil-Schrift wurde in ihrer Entwicklung stark von der Grantha-Schrift beeinflusst. Bis ins frühe 20. Jahrhundert war die Grantha-Schrift diejenige Schrift, in der in den tamilischen Gebieten im Süden Indiens (Tamil Nadu) und in Sri Lanka Sanskrit geschrieben wurde. In dieser Funktion wird sie bisweilen noch heute benutzt.

Textbeispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Grantha-Text ist jeweils lateinisch (ISO 15919) und in Devanagari transliteriert.

Im Juni 2014 wurde die Schrift im Standard Unicode 7.0 als Unicodeblock Grantha (U+11300–U+1137F) aufgenommen.[1]

Beispiel 1[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus dem Kumarasambhavam von Kalidasa

Auszug aus dem Kumarasambhavam von Kalidasa in Grantha und lateinisch

अस्त्युत्तरस्यां दिशि देवतात्मा हिमालयो नाम नगाधिराजः। पूर्वापरौ तोयनिधी वगाह्य स्थितः पृथिव्या इव मानदण्डः ॥

Beispiel 2[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiedergabe des Faksimiles am Anfang dieses Artikels (Joh 3,16 EU)

Wiedergabe des Faksimiles am Anfang dieses Artikels (Joh. 3,16) in Grantha und lateinisch

यत ईश्वरो जगतीत्थं प्रेम चकार यन्निजमेकजातं पुत्रं ददौ तस्मिन् विश्वासी सर्वमनुष्यो यथा न विनश्यानन्तं जीवनं लप्स्यते।

Besonderheiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Grantha-Schrift ist eine Abugida. Sie gehört zum indischen Schriftenkreis. Näheres zur Typologie indischer Schriften und zur alphabetischen Anordnung siehe unter Indischer Schriftenkreis.

Grantha-Alphabet[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vokale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Übersicht der Vokale

Konsonanten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Übersicht der Konsonanten

Virama und Vokaldiakritika[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie andere Abugidas haben die Konsonantenzeichen den inhärenten Vokal /a/. Seine Abwesenheit wird graphisch mit Virama (Halant) markiert:

Halant

Für andere Vokale werden Vokaldiakritika wie folgt benutzt:

Vokaldiakritika

Gelegentlich finden sich Ligaturen von Konsonanten mit Vokaldiakritika, z. B.:

Ligaturen

Bei einigen Konsonanten kommen Sonderzeichen für die vokallose Form vor:

Sonderzeichen

Konsonantenligaturen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grantha bildet zwei Typen von Konsonantenligaturen. Der nordindische Typ wird durch Verschmelzen von zwei oder mehr Konsonanten gebildet analog den meisten nordindischen Schriften wie z. B. Devanagari. Beim südindischen Typ werden die Konsonanten übereinander angeordnet wie in den Schriften für Kannada und Telugu (und teilweise auch Malayalam und das indoarische Oriya).

Ligaturen vom nordindischen Typ[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ligaturen vom nordindischen Typ

Ligaturen vom südindischen Typ[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ihre Komponenten sind leicht zu erkennen. Daher werden hier nur wenige Beispiele gegeben:

Ligaturen vom südindischen Typ

Sonderformen für〈ya〉und〈ra〉[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sonderformen〈ya〉und 〈ra〉am Ende eines Konsonantenclusters werden zu und .

〈ra〉am Anfang einer Ligatur wird zu („Reph“) und wie in anderen indischen Schriften ans Ende der Schreibsilbe verschoben (siehe unter Indischer Schriftenkreis):

Reph-Ligaturen

Grantha-Ziffern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Grantha-Ziffern sind identisch mit den alten Tamil-Ziffern.

Ziffern

Vergleich von Grantha mit verwandten Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus der Grantha-Schrift haben sich die Schriften für Malayalam, Singhalesisch und Tamil entwickelt.

Vokale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vokale in Grantha, Malayalam, Singhalesisch und Tamil

Anmerkung: Wie in Devanagari stehen in der Grantha-Schrift〈e〉und〈o〉für [eː] und [oː]. Ursprünglich wurde auch im Malayalam und Tamil nicht zwischen langem und kurzem〈o〉und〈o〉unterschieden, obwohl beide Sprachen die Phoneme /e/ /eː/ und /o/ /oː/ besitzen. Die Einführung zusätzlicher Zeichen für /eː/ und /oː/ geht auf den italienischen Missionar Constanzo Beschi (1680–1747).

Vokaldiakritika[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vokaldiakritika in Grantha, Malayalam, Singhalesisch und Tamil

Konsonanten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Konsonanten in Grantha, Malayalam, Singhalesisch und Tamil

Die Tamil-Zeichen ஜ ஶ ஷ ஸ ஹ werden auch „Grantha-Buchstaben“ genannt, da sie zur Wiedergabe von Sanskrit-Wörtern aus der Grantha-Schrift in die Tamil-Schrift übernommen wurden. Die Zeichen ழ ற ன und die zugehörigen Laute kommen nur in dravidischen Sprachen vor.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Unicode 7.0.0. Unicode Consortium, 16. Juni 2014, abgerufen am 17. Juni 2014 (englisch).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Grantha script. In: Florian Coulmas: The Blackwell Encyclopedia of Writing Systems. Oxford: Blackwell Publishers, 1996. S. 173.
  • Reinhold Grünendahl: South Indian Scripts in Sanskrit Manuscripts and Prints, Wiesbaden (Germany) 2001, ISBN 3-447-04504-3
  • K. Venugopalan: A Primer in Grantha Characters http:// dsal.uchicago.edu/digbooks/dig_toc.html?BOOKID=PK419.V468_1983