Grossit

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Grossit
Elektronenmikroskopischen Bild eines Hibonit-Grossit-Vanadium-Aggregates. Hbn: Hibonit (schwarz), Gros: Grossit (dunkel-Olivgrün), Ca4Al6F2O12 (hell Olivgrün), Fluorit (gelb)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1993-052[1]

IMA-Symbol

Gss[2]

Andere Namen

Calcium-Dialuminat, CA2[3][4]

Chemische Formel CaAl4O7[4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

-
IV/B.9-10[5]

4.CC.15
07.03.02.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin[4]
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m[6]
Raumgruppe C2/c (Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15[4]
Gitterparameter a = 12,94(1) Å; b = 8,910(8) Å; c = 5,446(4) Å
β = 107,0(1)°°[4]
Formeleinheiten Z = 4[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte Bitte ergänzen!
Dichte (g/cm3) berechnet: 2,88[4]
Spaltbarkeit Bitte ergänzen!
Farbe farblos bis weiß,[4] selten blass violett[7]
Strichfarbe weiß[4]
Transparenz transparent
Glanz Glasglanz
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,6178(3)[8]
nβ = 1,6184(3)[8]
nγ = 1,6516(3)[8]
Doppelbrechung δ = 0,0338
Optischer Charakter zweiachsig positiv[8]
Achsenwinkel 2V = 12(1)°[8]

Das Mineral Grossit ist ein sehr selten vorkommendes Oxid mit der idealisierten chemische Zusammensetzung CaAl4O7. Es kristallisiert im monoklinem Kristallsystem und entwickelt farblose bis weiße Kristalle und Aggregate.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zementklinker bestehen überwiegend aus CaO - Al2O3 - SiO2- Verbindungen und SiO2-arme Zemente sind schnell härtende Spezialzemente. Daher wurden diese Verbindungen seit Beginn des 20. Jahrhunderts systematisch untersucht und 1935 publizierte B. Tavasci die erste Beschreibung von synthetischen Calciumdialuminat.[9][3]

Anfang der 1970er Jahre suchten Materialwissenschaftler nach temperaturstabielen Trägerstrukturen für laseraktive Ionen wie Neodym Nd3+. In diesem Zusmmenhang untersuchten D. W. Goodwin and A. J. Lindop von der University of York erneut die Struktur von Calciumdialuminat.[10]

Das erste natürliche Vorkommen von Calciumdialuminat beschrieb Shulamit Gross 1977. In der pyrometamorphen Hatrurim-Formation fand sie das Mineral akzessorisch in einigen Larnit-Fesen.[3] Die französische Mineralogin Mireille Christophe Michel-Lévy war die erste, die 1984 ein Vorkommen von Calcium-Dialuminat in einem Calcium-Aluminium-reicher Einschluss (CAI) des Leoville Meteoriten beschrieb.[11]

Die Anerkennung als Mineral durch die International Mineralogical Association (IMA) erfolgte 1993 nach einer Charakterisierung von Calciumdialuminat aus der Hatrurim-Formation in Israel und dem Meteoriten Acfer 182 durch Dietmar Weber und Adolf Bischoff vom Institut für Planetologie der Universität Münster. Sie benannten das neue Mineral nach Shulamit Gross, der Mineralogin und emiritiertem Mitglied des Geological Survey of Israel, die das erste natürliche Vorkommen entdeckte.[4] Einige Jahre später wurde das Mineral Shulamitit ebenfalls nach ihr benannt.

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da der Grossit erst 1994 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich im Aufbau noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. IV/B.09-10. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort der Gruppe „ Oxide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : Sauerstoff = 3 : 4 (Spinelltyp M3O4 und verwandte Verbindungen)“, wo Grossit zusammen mit Dmitryivanovit und Krotit die unbenannte Gruppe mit der System-Nr. IV/B.09 bildet.[5]

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Grossit ebenfalls in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach Größe und Kationen-Anionenverhältnissen, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Gruppe „C Metall : Sauerstoff = 2 : 3, 3 : 5 und vergleichbare - C. Mit großen und mittelgroßen Kationen“ zu finden ist. Darin ist es das einzige Mineral in der Gruppe mit der System-Nr. 4.CC.15.[12]

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Grossit in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“, dort in die feiner unterteilte Gruppe der „ Mehrfachen Oxide mit 2+ und höher geladenen Kationen“ ein. Hier ist es das einzige Mineral in der unbenannten Untergruppe „07.03.02“ mit der System-Nr. 07.03.02.01.

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reiner Grossit hat die Zusammensetzung CaAl4O7. Die Zusammensetzung des Minerls variiert kaum und die gemessene Zusammensetzung des Grossit aus der Typlokalität ist (Ca1,00Fe0,01)Al3,99O7,00.[4] Geringe Anteile des Al3+ können durch V3+ ersetzt werden, was dem Grossit eine violette Farbe verleiht.[7]

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grossit kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe C2/c (Raumgruppen-Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15 mit den Gitterparametern a = 12,94(1) Å, b = 8,910(8) Å, c = 5,446(4) Å und ß = 107,0(1)° sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[4]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grossit ist ein sehr seltenes Mineral und weltweit nur an rund 20 Vorkommen beschrieben worden, die meisten davon Meteorite.[13]

Meteorite[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grossit bildete sich in der Anfangsphase der Entstehung unseres Sonnensystems als eines der ersten Kondensate des präsolaren Nebels nach Korund und Hibonit bei rund 1640°K und 0,001 bar und ist in einigen Calcium-Aluminium-reichen Einschlüssen (CAI) einiger Chondrite erhalten geblieben.[14][4] Grossit tritt hier zusammen mit Korund, Hibonit, Perowskit, Gehlenit und Spinell auf.[11][4][15] Bei späterer Einwirkung von eisenhaltigen Lösungen kann Grossit bei Temperaturen um 500 °C durch Hercynit verdrängt werden.[16]

Pyrometamorphe Gesteine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der pyrometamorphen Hatrurim-Formation bildete sich Grossit bei der Umwandlung von mergeligen Kalkstein bei niedrigen Druck und sehr hohen Temperaturen um 1000 °C. Grossit tritt hier in Form leistenförmiger oder gerundeter Kristallen von bis zu 30 µm Größe zusammen mit Larnit, Brownmillerit und Mineralen der Mayenit-Obergruppe auf.[3]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: September 2023. (PDF; 3,8 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, September 2023, abgerufen am 31. Oktober 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. a b c d S. Gross: The Mineralogy of the Hatrurim Formation, Israel. In: Geological Survey of Israel, Bulletin. Band 70, 1977, S. 11 (englisch, rruff.info [PDF; 5,7 MB; abgerufen am 6. Januar 2024]).
  4. a b c d e f g h i j k l m Dietmar Weber, Adolf Bischoff: Grossite (CaAl4O7) - a rare phase in terrestrial rocks and meteorites. In: European Journal of Mineralogy. Band 6(4), 1994, S. 591–594, doi:10.1127/ejm/6/4/0591 (englisch).
  5. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  6. David Barthelmy: Grossite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 31. Oktober 2023 (englisch).
  7. a b Matteo Ardit, Fernando Cámara and Ulf Hålenius: Vanadium-induced coloration in grossite (CaAl4O7) and hibonite (CaAl12O19). In: American Mineralogist. Band 106, 2021, S. 599–608, doi:10.2138/am-2020-7544 (englisch).
  8. a b c d e E. R. Boyko and L. G. Wisnyl: The optical properties and structures of CaO.2Al2O3 and SrO.2Al2O3. In: Acta Crystallographica. Band 11, 1958, S. 444–445, doi:10.1107/S0365110X58001183 (englisch).
  9. B. Tavasci: Constitution of fused cements - the system CaO-Al203-Si02 and its application for the study of fused cements. In: Chimica industria. Band 17, 1935, S. 461–471 (englisch).
  10. D. W. Goodwin and A. J. Lindop: The crystal structure of CaO.2Al2O3. In: Acta Crystallographica. B26, 1970, S. 1230–1235, doi:10.1107/S056774087000393X (englisch).
  11. a b Mireille Christophe Michel-Lévy, Gero Kurat, Franz Brandstätter: A new calcium-aluminate from a refractory inclusion in the Leoville carbonaceous chondrite. In: Earth and Planetary Science Letters. Band 61-1, 1982, S. 13–22, doi:10.1016/0012-821X(82)90033-4.
  12. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 31. Oktober 2023 (englisch).
  13. Fundortliste für Grossit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 14. Januar 2024.
  14. B. Fegley: The Stability of Calcium Aluminate Minerals in the Solar Nebula. Hrsg.: Lunar and Planetary Institute. 1991, S. 2 (englisch, lpi.usra.edu [PDF; 442 kB; abgerufen am 14. Januar 2024]).
  15. Dietmar Weber, Adolf Bischoff: The occurrence of grossite (CaAl4O7) in chondrites. In: Geochimica et Cosmochimica Acta. Band 58 (18), 1994, S. 3855–3877, doi:10.1016/0016-7037(94)90368-9.
  16. Jangmi Han, Kazu Nagashima, Changkun Park, A. N. Krot, Lindsay Keller: Mineralogical and Oxygen Isotopic Study of Grossite-Bearing Refractory Inclusions from Reduced CV Chondrites. In: Conference: 54th Lunar and Planetary Science Conference 2023At: The Woodlands, TX, USA. 2023, S. 2 (englisch, researchgate.net [PDF; 320 kB; abgerufen am 14. Januar 2024]).