Hans Neurath

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Hans Neurath (* 29. Oktober 1909 in Wien; † 2. April 2002 in Seattle)[1] war ein US-amerikanischer Biochemiker und als solcher ein Pionier der Proteinforschung.

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neurath, der Sohn eines Professors für Pädiatrie an der Universität Wien, wurde 1933 an der Universität Wien bei Wolfgang Josef Pauli in Chemie promoviert. Thema seiner Dissertation waren schon Forschungen zu Proteinen. Danach war er ein Jahr Assistent bei Pauli, bevor er als Post-Doktorand an die Universität London in die Gruppe von Frederick Donnan ging, wo er über Proteine und Fettsäuren als Modelle biologischer Membranen forschte. Er kehrte kurz nach Wien zurück und ging dann, als sich schon der drohende Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich abzeichnete in die USA, wo er an der University of Minnesota bei Ross A. Gortner (1885–1942) an der landwirtschaftlichen Biochemie und an der Harvard University bei Edwin J. Cohn war, damals ein Zentrum der Proteinforschung, wo auch die Proteinforscher John Edsall, Jesse Greenstein und Larry Oncley (1910–2004) waren. 1936 wurde er George Fisher Baker Fellow und Instructor für Chemie an der Cornell University (wo er Linus Pauling, Peter Debye, Nevil Sidgwick und Karl Landsteiner traf und bei einem Besuch in Princeton Albert Einstein, mit dem er Einsteins Formel über die Bestimmung des Molekulargewichts diskutierte). 1938 wurde er Assistant Professor an der Duke University, wo er Kollege von Philip Handler war. Während des Zweiten Weltkriegs entwickelte er für die US Army Methoden, falsche positive Testresultate in Blutproben auf Syphilis zu eliminieren.

1950 gründete er die Abteilung Biochemie der University of Washington und stand dieser bis zu seiner Emeritierung 1975 vor. Danach hatte er in Teilzeit die wissenschaftliche Leitung des Fred Hutchinson Cancer Research Center (FHCRC) in Seattle. Eine Forschungsprofessur war ihm an seiner alten Universität verweigert worden, so dass er sich anderswo nach Forschungsgeldern umsah. Das war ein Grund, warum er 1980 das Angebot annahm, wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg zu werden. Hier kam es allerdings zu erheblichen Konflikten, als er die seiner Meinung nach unzureichend wissenschaftlich etablierte Neutronenbestrahlungstherapie seines Vorgängers als Direktor ablehnte, was auch politische Wellen schlug. Er setzte sich zwar durch (und in der Folge wurde das Zentrum grundlegend reformiert), gab aber die Leitung 1981 ab und kehrte nach Seattle zurück.

Er war ein Pionier in der Erforschung der Struktur und physikalischen Chemie von Proteinen, wobei er frühe Modelle wie die von William Astbury widerlegte (und auch die von Linus Pauling über die Struktur von Antikörpern). Er forschte über Denaturierung von Proteinen und Proteasen wie Trypsin, Chymotrypsin und Carboxypeptidase. Insbesondere klärte er den Mechanismus der Aktivierung von Vorläufern von Enzymen (Zymogene) und er klärte mit seinen Mitarbeitern (Ken Walsh, Ralph Bradshaw, Ko Titani) die Primärstruktur einer Reihe von Proteinen. Er wies nach, dass verschiedene Serin-Proteasen miteinander verwandt sind, was das Konzept der strukturellen Homologie dieser Enzyme stützte.

Er war 1992 Gründungsherausgeber der Zeitschrift Protein Science, die er bis 1998 herausgab, und 1961 der Zeitschrift Biochemistry, die er bis 1991 herausgab, wobei die anderen Herausgeber aus seiner Fakultät kamen (was beibehalten wurde, als die Zeitschrift nach dem Ausscheiden von Neurath als Herausgeber an der Duke University von Gordon Hammes herausgegeben wurde). Außerdem gab er 1953 bis 1982 die Reihe The Proteins (Academic Press) heraus, anfangs mit Kenneth Bailey, später mit Robert L. Hill.

1961 wurde er Mitglied der National Academy of Sciences und er war Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.

Er war ein exzellenter Pianist, der auch Kammermusikkonzerte gab, sowie leidenschaftlicher Bergsteiger und Skifahrer. Neurath hinterließ seine Frau, Ruth Spitzer Neurath, mit der er 41 Jahre lang verheiratet war, einen Sohn aus erster Ehe, einen Stiefsohn und eine Stieftochter.

Hans Neurath Award[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Protein Society vergibt ihm zu Ehren jährlich den Hans Neurath Award für Proteinforschung.[2]

Preisträger waren:

Hans Neurath Lecture[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund einer Stiftung seiner Witwe und Unterstützung von ZymoGenetics gibt es an der University of Washington die jährlichen[3] Neurath Lectures in Biochemie. Vortragende waren:

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • mit B. S. Hartley: Proteolytic Enzymes, Ann. Rev. Biochem., Band 29, 1960, S. 45–72
  • Evolution of proteolytic enzymes, Science, Band 224, 1984, S. 350–357
  • Proteolytic enzymes past and present: the second golden era, Protein Science, Band 3, 1994, S. 1734–1739.
  • The Golden Years of Protein Science, Protein Science, Band 4, 1995, S. 1939–1943 (Ansprache beim Bankett des ersten European Symposium of the Protein Society in Davos, 30. Mai 1995)
  • From colloids to proteases, Biochim. Biophys. Acta, 2000, S. 7–15.
  • From proteases to proteomics, Protein Science, Band 10, 2001, S. 892–890

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Edmond H. Fischer, Earl W. Davie, Biographical Memoirs National Academy of Sciences, 2013, pdf

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wolfgang Saxon: Hans Neurath, 92; Explained a Basic of Life (Published 2002). In: nytimes.com. 18. April 2002, abgerufen am 1. Dezember 2020 (englisch).
  2. Protein Society Awards. Abgerufen am 6. März 2023.
  3. Mit wenigen Unterbrechungen, Offizielle Webseite, Neurath Lecture