Haplochromis

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Haplochromis

Haplochromis latifasciatus aus dem Kyogasee.

Systematik
Ovalentaria
Ordnung: Cichliformes
Familie: Buntbarsche (Cichlidae)
Unterfamilie: Pseudocrenilabrinae
Tribus: Haplochromini
Gattung: Haplochromis
Wissenschaftlicher Name
Haplochromis
Hilgendorf, 1888

Haplochromis (Gr. haplos = einfach, Chromis = Gattung von Riffbarschen, in der früher auch Buntbarsche beschrieben wurden) ist die, mit über 200 wissenschaftlich beschriebenen Arten, größte Gattung der Buntbarsche (Cichlidae). Sie leben in Süd- und Ostafrika, hauptsächlich im Bereich des Großen Afrikanischen Grabenbruchs, Verbreitungsschwerpunkt ist der Victoriasee und seine Zuflüsse. Viele Haplochromis-Arten des Victoriasees sind durch den vom Menschen eingeführten Nilbarsch (Lates niloticus) in ihrem Bestand gefährdet, vom Aussterben bedroht oder gar schon ausgestorben.

Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haplochromis-Arten werden 7 bis 27 Zentimeter lang, ihre Schwanzflosse endet gerade abgeschnitten, gerundet oder leicht eingebuchtet. Männliche Haplochromis in Balzstimmung sind intensiv gefärbt, mitunter sehr bunt und unterscheiden sich dadurch deutlich von den meist grau oder braun gefärbten Weibchen. In der Afterflosse tragen die Männchen Eiflecke, die von einem transparenten Rand umgeben sind. Bei den weiblichen Tieren sind die Eiflecke kleiner, ihre Anzahl ist geringer, sie können auch fehlen. Der transparente Rand fehlt immer.

Die teils in Kenia Furu, in Tansania Mbipi und in Uganda Enkejje oder Oroy genannten Haplochromis und nah verwandte Gattungen des Victoriasee-Einzugs, entwickelten verschiedene Maulformen und Zahntypen und passten sich so an unterschiedliche Nahrungsquellen an. Man unterscheidet bis zu 15 verschiedene trophische Gruppen:

Haplochromis flavipinnis, ein Fischfresser
Haplochromis obesus, ein Pädophage
  • Fischfresser (Piscivore), die ganze, erwachsene Fische fressen und nicht nur Teile (Schuppen, Flossen) oder Eier und Larven (Pädophage)
  • Algenfresser (Unterscheidung in Algengraser und Phytoplanktonfresser)
  • Blätterfresser (Pflanzenfresser)
  • Insektenfresser (Insectivore)
  • Fischbrutfresser (Pädophagen)
  • Schneckenfresser (Unterscheidung in Schneckenknacker und -schäler)
  • Zooplanktonfresser (Zooplanctivore)
  • Krustentierfresser (Unterscheidung in Garnelen- und Krabbenfresser)
  • Schlammsieber (Detritivore)
  • Parasitenfresser (Putzerfische)
  • Schuppenfresser (Scale Eater)
  • Flossenbeißer

Fortpflanzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alle Haplochromis-Arten sind Maulbrüter. Die Männchen sind polygam. Vor der Paarung bereitet das Männchen oft eine Grube im Gewässerboden als Laichplatz vor. Mit flatternden Bewegungen, bei denen besonders die mit den Eiflecken versehen Afterflosse präsentiert wird, wirbt es um das Weibchen. Während und unmittelbar nach dem Ablaichen nimmt das Weibchen die Eier, teilweise noch vor der Befruchtung ins Maul. Die im Maul befindlichen Eier werden erst besamt, wenn das Weibchen nach den Eiflecken auf der Afterflosse des Männchens schnappt, das dabei Sperma ausstößt. Die Jungen schlüpfen, je nach Art und Wassertemperatur, nach 15 bis 25 Tagen und werden artspezifisch sich selbst überlassen oder noch mehrere Tage bewacht und dann bei Gefahr und nachts wieder ins Maul aufgenommen.

Arten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ursprünglich wurden über 400 Arten zur Gattung Haplochromis gezählt, darunter viele endemische Arten des Malawisees. Nach der Ausgliederung dieser und anderen Arten besteht unter Fachleuten aber weiterhin Uneinigkeit wie weit oder eng die Gattung gefasst sein soll. Greenwood splittete Haplochromis in verschiedene Gattungen auf,[1][2] von denen einige monotypisch sind, z. B. Macropleurodus, Platytaeniodus und Schubotzia. Durch die Beschreibung von später gefundenen neuen Arten und zahlreichen noch unbeschriebenen, erwiesen sich die Aufspaltungen als teilweise unbrauchbar, weshalb sie von manchen Wissenschaftlern bis zu einer Neudefinition abgelehnt wird.[3] Andere Autoren haben anschließend manche der Greenwood'schen Gattungen revidiert oder sogar neue geschaffen (Lithochromis, Mbipia, Pundamilia).[4][5] Lippitsch konnte in einem Fall keine passende Gattung finden und hat neue Arten zwar in Haplochromis beschrieben, den Gattungsnamen aber in Anführungszeichen gesetzt.[6] Laut Fishbase werden gegenwärtig über 230 Arten in die Gattung Haplochromis eingeordnet[7]. Allerdings ist die Gattung auch in dieser Zusammensetzung kein Monophylum, d. h. sie enthält nicht alle Nachkommen des letzten gemeinsamen Vorfahren.

Die meisten Haplochromis-Arten gehören zum „Lake Victoria region superflock“ das heißt der Cichlidenradiation, die im Victoriasee und den in Nähe gelegenen Seen des westlichen Abschnitts des großen afrikanischen Grabenbruchs (Georgsee, Edwardsee, Albertsee und Kivusee). Der letzte gemeinsame Vorfahre dieser monophyletischen, etwa 700 Arten umfassenden Gruppe entstand wahrscheinlich vor ca. 150.000 als – während einer Feuchtzeit – eine kongolesische Linie die Region des Viktoriasees kolonisierte, die schon Vertreter aus dem Gebiet des Nils beherbergte. Zu den rezenten Vertretern der kongolesischen Line, die die Schwestergruppe des „Lake Victoria region superflocks“ darstellt, gehören Astatotilapia stappersi und eine bisher unbeschriebene Astatotilapia-Art (Astatotilapia sp. ‘Yaekama’) aus dem mittleren Kongo. Die Linie aus dem Nilgebiet, zu der auch Arten gehören, die in ostafrikanischen Flüssen vorkommen, wird heute durch Astatotilapia bloyeti, ‘Haplochromis’ gracilior aus dem Kivusee und Haplochromis pharyngalis aus dem Edwardsee vertreten. Obwohl die beiden letztgenannten Arten sympatrisch mit Arten aus dem Artenschwarm des Victoriasees vorkommen, gehören sie nicht zu dieser Radiation, sondern zu einer Gruppe verwandter Arten aus dem oberen Nil. Die Nilklade ist die Schwestergruppe einer Klade die aus der Kongo-Linie und dem „Lake Victoria region superflocks“. Die Hybridisierung der unterschiedlichen Buntbarscharten aus dem Gebiet des Kongo und des Nils ermöglichte die Rekombination genetischer Varianten in einem Maßstab, der sonst in diesem Ausmaß nicht möglich wäre. Aus der Hybridpopulation entstanden dann unabhängig voneinander im Zuge einer raschen adaptiven Radiation zahlreiche neue Arten, zunächst in den im westlichen Abschnitts des großen afrikanischen Grabenbruchs gelegenen Seen und nach einer Trockenperiode beginnend vor etwa 15.000 Jahren auch im Victoriasee mit ca. 500 neuen endemischen Buntbarscharten mit einer Vielzahl von ökologischen Spezialisierungen. Die besondere genetische Vielfalt und Anpassungsfähigkeit der Buntbarsche des Viktoriasees wird durch die Tatsache belegt, dass er durch mehr als 40 andere Fischarten besiedelt wurde, die sich aber nicht so weit diversifizierten.[8]

Durch die zunehmende Einleitung von Abwässern in den im Victoriasee kam es in den letzten 50 Jahren zu erhöhter Trübung und einem Sauerstoffmangel in tieferen Gewässern. Infolgedessen haben sich verschiedene Arten zu Hybridpopulationen zusammengeschlossen, da die männliche Prachtfärbung, die für weibliche Tiere derselben Art anziehend ist, nicht mehr gut sichtbar ist. In einigen Tiefwasserhabitaten ist die Fischfauna weitgehend verschwunden. Ein Teil der Artenvielfalt des Sees ist dadurch verloren gegangen.[8]

H. humilis, H. placodus, H. smithii und H. snoeksi gehören zu einer Verwandtschaftsgruppe von Buntbarschgattungen aus dem südlichen Afrika, die abgeleitet von der Gattung Serranochromis den provisorischen Namen „Serranochromini“ erhalten hat und Haplochromis gracilior bildet eine isolierte Linie.[9]

Lake Victoria superflock[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Victoriasee[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Albertsee[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Georgsee und Edwardsee[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kivusee[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nabugabosee[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Turkanasee[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sonstige[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Serranochromini[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

isolierte Linien bzw. unklare Systematik

Neben den anerkannten Arten gibt es viele noch unbeschriebenen Formen, die unter Aquarianern mit Trivialnamen wie Haplochromis "Thick Skin" CH44 bezeichnet werden.

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Günther Sterba: Süsswasserfische der Welt. 2. Auflage. Urania, Leipzig/Jena/Berlin 1990, ISBN 3-332-00109-4.
  • Erwin Schraml: Haplochromis. In: Claus Schaefer, Torsten Schröer (Hrsg.): Das große Lexikon der Aquaristik. Eugen Ulmer, Stuttgart 2004, ISBN 3-8001-7497-9, S. 435–450.
  • Goldschmidt, T. (1997): Darwins Traumsee. Nachrichten von meiner Forschungsreise nach Afrika. München, C. H. Beck, 1997, ISBN 3-406-42881-9.
  • Witte, F. & Van Oijen, M. J. P. (1990): Taxonomy, ecology and fishery of Lake Victoria haplochromine trophic groups. Zool. Verh. Leiden, 262: 1-47.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Greenwood, P. H. (1979): Towards a phyletic classification of the 'genus' Haplochromis (Pisces, Cichlidae) and related taxa. Part I. Bull. Br. Mus. nat. Hist. (Zool.), 35: 265-322.
  2. Greenwood, P. H. (1980): Towards a phyletic classification of the 'genus' Haplochromis (Pisces, Cichlidae) and related taxa. Part II: the species from Lakes Victoria, Nabugabo, Edward. Bull. Br. Mus. nat. Hist. (Zool.), 39: 1-101.
  3. M.J.P. van Oijen: The generic classification of the haplochromine cichlids of Lake Victoria,East Africa.Zool. Verh. Leiden 302, 15.ii.1996: 57-110, ISSN 0024-1652 / ISBN 90-73239-44-3.
  4. Seehausen, O., Lippitsch, E., Bouton, N. & Zwennes, H. (1998): Mbipi, the rock-dwelling cichlids of Lake Victoria: description of three new genera and 15 new species. Ichthyol. Explor. Freshwaters, 9 (2): 129-228.
  5. Kaufman, L. & Lippitsch, E. (2003): Pyxichromis paradoxus (Perciformes: Cichlidae) a new haplochromine species from Lake Edward, East Africa, and reassessment of the genus Pyxichromis Greenwood, 1980. Z. Fischk., 6 (1-2): 87-98.
  6. a b c Elisabeth Lippitsch (2003): Redescription of 'Haplochromis' nubilus (Teleostei: Cichlidae), with description of two new species. Ichthyol. Explor. Freshwaters, 14 (1): 85-95.
  7. Haplochromis auf Fishbase.org (englisch)
  8. a b Joana I. Meier, David A. Marques, Salome Mwaiko, Catherine E. Wagner, Laurent Excoffier, Ole Seehausen: Ancient hybridization fuels rapid cichlid fish adaptive radiations. Nature Communications, 8: (2017), doi:10.1038/ncomms14363
  9. Matschiner, M., Musilová, Z., Barth, J.M.I., Starostová, Z., Salzburger, W., Steel, M. & Bouckaert, R. (2017): Bayesian Phylogenetic Estimation of Clade Ages Supports Trans-Atlantic Dispersal of Cichlid Fishes. Systematic Biology, 66 (1): 3-22. DOI: 10.1093/sysbio/syw076, Seite 154, 156 u. 157 im Supplement.
  10. a b c d e f g h Nathan Vranken, Maarten Van Steenberge, Annelies Heylen, Eva Decru and Jos Snoeks. 2022. From A Pair to A Dozen: The Piscivorous Species of Haplochromis (Cichlidae) from the Lake Edward System. European Journal of Taxonomy. 815(1), 1-94. DOI: 10.5852/ejt.2022.815.1749
  11. a b Nathan Vranken, M. Van Steenberge, M. Mbalassa & Jos Snoeks. (2023): Just below the surface, the pelagic haplochromine cichlids from the Lake Edward system. Hydrobiologia, Mai 2023.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Haplochromis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien