HateAid

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HateAid
(HateAid)
Logo
Rechtsform gemeinnützige GmbH
Gründung 11. Dezember 2018
Sitz Berlin, Brüssel
Zweck Stärkung von Menschenrechten im digitalen Raum
Schwerpunkt Einsatz gegen digitale Gewalt (u. a. Hassrede im Internet)
Methode Beratung, Prozesskostenfinanzierung, Rechtsdurchsetzung, Gesetzesvorschläge, Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, Advocacy
Aktionsraum DACH, EU
Geschäftsführung Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon
Eigentümer Campact (50 %), Anna-Lena von Hodenberg (25 %), Fearless Democracy e.V. (25 %)
Umsatz 2.765.177 € (2021)
Beschäftigte 43 (2023)
Website www.hateaid.org

HateAid (von engl. ,hate‘/,Hass‘ und ,aid‘/,Hilfe‘) ist eine gemeinnützige GmbH zur Beratung und Unterstützung von Betroffenen von Online-Hassrede und Hasskommentare mit Sitz in Berlin. Die Organisation beschreibt sich als "unabhängig" und "überparteilich". Sie wurde 2018 von den Nichtregierungsorganisationen Campact und Fearless Democracy zusammen mit Anna-Lena von Hodenberg ins Leben gerufen.[1] Ihrem Selbstverständnis nach setzt sich die Organisation für Menschenrechte im Netz ein und klärt über gesamtgesellschaftliche Gefahren im digitalen Raum für Demokratie und Meinungsfreiheit auf.

Ziele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

HateAid sieht sich als gemeinnützige Organisation für Menschenrechte im Netz. Mit ihrer Betroffenenberatung und rechtlichen Unterstützung sowie mit der Sensibilisierung von Politik und Gesellschaft für digitale Gewalt, will HateAid demokratische Grundwerte im Netz stärken. Die Organisation bietet Betroffenen von digitaler Gewalt[2][3][4] bei Hasskommentaren und anderen Formen digitaler Gewalt eine emotional-stabilisierende Erstberatung, aufbauende Beratungen sowie gegebenenfalls eine Prozesskostenfinanzierung an.[5] Über einen Fonds zur Prozesskostenfinanzierung führt sie Zivilprozesse gegen digitale Straftaten im Namen von Betroffenen. Durch die erstrittenen Schadensersatzansprüche sowie Spenden möchte sie weitere Prozesse finanzieren.[2]

HateAid ist es wichtig, die Rahmenbedingungen von Betroffenen digitaler Gewalt langfristig zu verbessern.[6] Deswegen prägt die Organisation die Rechtsprechung mit.

Am 27. April 2021 unterstützte HateAid die Klage von Renate Künast gegen Facebook zur Löschung illegaler Inhalte am Beispiel eines verleumdenden Memes. Es handelt sich dabei um einen Grundsatzprozess gegen eine Plattform, der in dieser Form zum ersten Mal geführt wird.[7] Nach Auffassung des Medienanwalts Jony Eisenberg ist das politische Ziel im Fall Künast eine Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes.[8] Gemeinsam mit der jüdischen Studierendenorganisation European Union of Jewish Students hat HateAid am 24. Januar 2023 Klage vor dem Landgericht Berlin gegen Twitter eingereicht. Gegenstand der Klage gegen strafbare, antisemitische und volksverhetzende Tweets ist unter anderem auch die Verharmlosung und Leugnung der Shoah.[9]

Seit 2022 gehört die Seite Dickstinction.com zur HateAid gGmbH. Auf dieser Seite werden Betroffene dabei unterstützt, ungewollte Penisbilder zur Anzeige zu bringen.[10]

Mandanten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den ersten Betroffenen, die durch HateAid vertreten werden, zählte die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer. Im Rahmen der Prozesskostenfinanzierung von HateAid bekam sie 2021 vor dem Landgericht Frankfurt eine Entschädigungszahlung von 6.000 Euro zugesprochen, nachdem Akif Pirinçci sie auf Facebook sexistisch und erniedrigend angegriffen hatte.[11] Das Geld floss zurück in den solidarischen Fonds für Betroffene digitaler Gewalt.

Im Juli 2019 wurde Renate Künast vor dem Landgericht Berlin durch Hate Aid vertreten, um von Facebook die Herausgabe von Nutzerdaten zu erwirken. Ziel war es, die Identität der Urheber mutmaßlich strafbarer Hasskommentare zu ermitteln, um anschließend Strafanzeige stellen zu können.[12] Der Antrag wurde im September 2019 abgewiesen.[13] Nach einer Beschwerde Künasts beim Kammergericht Berlin änderte das Landgericht sein Urteil dahingehend ab, dass nunmehr 6 der 22 Kommentare als Beleidigungen eingestuft wurden.[14] Im Oktober 2022 schätze das Bundesverfassungsgericht auch die restlichen Kommentare als Beleidigungen nach § 185 StGB geahndet ein.[15] Das Kammergericht Berlin erkannte im November 2022 alle 22 Kommentare als Straftat an.[16]

Auch die Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming fand Unterstützung bei HateAid. Im August 2019 hatte sie per Twitter darüber informiert, dass sie von der FU Berlin einen Lehrauftrag erhalten hatte und ein Seminar mit dem Titel Porn in the USA geben würde. Ein Retweet mit abschätzigem Kommentar durch Beatrix von Storch wurde von 250.000 Nutzern gesehen und Oeming erlebte über zwei Tage einen intensiven Shitstorm.[17]

Igor Levit,[18] Nicole Diekmann,[19] Louisa Dellert,[20] Gollaleh Ahmadi[21] und die Elevator Boys[22] sind weitere Klientinnen und Klienten von HateAid, die in der Öffentlichkeit stehen und als Betroffene in der Öffentlichkeit dazu sprechen.

HateAid unterstützt aber nicht nur Prominente, sondern alle Personen, die selbst keinen Hass verbreiten. Im Jahr 2021 hat das Team von HateAid 969 Betroffene in 1.258 Vorfällen betreut. HateAid finanzierte im Jahr 2021 43 Abmahnungen, 16 Zivilklagen, eine einstweilige Verfügung und 3 TMG-Anträge. Im Rahmen des Prozesskostenfinanzierungs-Angebotes konnte außerdem bei der Stellung von 255 Strafanzeigen unterstützt werden (Förderung der Hilfe für Opfer von Straftaten).[23]

Finanzierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geschäftsführerin Anna-Lena von Hodenberg bei einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung (2021)

Die Gründung von HateAid wurde von der Robert Bosch Stiftung unterstützt.[24]

Im Jahr 2021 bestand der Finanzierungsmix aus Privaten Förderungen (58,7 %), Öffentlichen Förderungen (25,3 %), Freien Spenden (13,3 %) und Sonstigen Einkünften wie Geldauflagen (2,7 %).

Die größten Förderer waren 2021 das Bundesministerium der Justiz, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und die Alfred Landecker Foundation.[25] HateAid wird auch durch Förderinnen und Förderer unterstützt, die in der Öffentlichkeit stehen. So spendeten beispielsweise die Journalisten Boris Herrmann und Nico Fried das Preisgeld des Medienpreises des Bundestags an HateAid.[26]

Rechtsanwalt Chan-jo Jun spendete sein Preisgeld des Max-Dortu-Preises für Zivilcourage und gelebte Demokratie der Landeshauptstadt Potsdam an HateAid.[27]

Auszeichnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2023 wurde HateAid mit der Theodor-Heuss-Medaille ausgezeichnet.[28]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. HateAid: Initiative will Opfern von Hass im Netz helfen. In: Spiegel Online. 4. Juli 2019, abgerufen am 4. Juli 2019.
  2. a b Hass im Internet: HateAid klagt für Mobbingopfer. In: tagesschau.de. Abgerufen am 4. Juli 2019.
  3. Hass im Netz – Neue Initiative „HateAid“ unterstützt Opfer. In: deutschlandfunk.de. 4. Juli 2019, abgerufen am 4. Juli 2019.
  4. HateAid. In: das-nettz.de. Abgerufen am 4. Juli 2019.
  5. „HateAid“ gegen Hasskommentare. In: www.evangelisch.de. 4. Juli 2019, abgerufen am 10. Juli 2019.
  6. Erfolge gegen Hass im Netz. In: HateAid. Abgerufen am 9. Mai 2023 (deutsch).
  7. HateAid realisiert Grundsatzprozess gegen Facebook. (PDF) HateAid, abgerufen am 19. Mai 2021.
  8. Jony Eisenberg: Künast-Fall als Testballon für eine Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. In: Telepolis. 27. September 2019, abgerufen am 3. Dezember 2019.
  9. Zentralrat der Juden in Deutschland. In: Klage gegen Twitter von hateAid und EUJS. 25. Januar 2023, abgerufen am 27. März 2023.
  10. Chris Köver: Dickpics: Anzeige in fünf Minuten. Netzpolitik.org, 17. Juli 2020, abgerufen am 27. März 2023 (deutsch).
  11. Luisa Neubauer erzielt Erfolg gegen rechten Autor. In: Spiegel Online, 3. Dezember 2021. Abgerufen am 3. Dezember 2021.
  12. Verena Mayer: Hass im Netz: Was kann man gegen Hetze tun? In: Süddeutsche Zeitung. 25. September 2019, abgerufen am 28. September 2019.
  13. Wolfgang Janisch: Künast-Urteil: Manchmal ist Hass einfach Hass. In: Süddeutsche Zeitung. 21. September 2019, abgerufen am 28. September 2019.
  14. Gericht stuft „Stück Scheisse“ nun doch als beleidigend ein. rbb24, 21. Januar 2020, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Oktober 2020; abgerufen am 24. Oktober 2020.
  15. Bundesverfassungsgericht: Künast verbucht Erfolg im Facebook-Verfahren. In: HateAid GmbH. HateAid, 8. November 2022, abgerufen am 27. März 2023 (deutsch).
  16. rbb24: Berliner Gericht gibt Künast nach Hasskommentaren im Netz Recht. Abgerufen am 27. März 2023.
  17. Jan Heidtmann: Hilfe gegen die Hasser. In: Süddeutsche Zeitung. 3. März 2020, abgerufen am 24. Oktober 2020.
  18. Teilerfolg für Igor Levit. Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R, 16. Januar 2021, abgerufen am 19. Mai 2021.
  19. Christopher redet mit Nicole Diekmann über Journalismus, Social Media und Hass im Netz. In: Christopher Lauer. Abgerufen am 19. Mai 2021 (deutsch).
  20. Benjamin Braden, Rachelle Pouplier, Thies Schnack: Influencerin Louisa Dellert über Hate Speech: »Ich hab' viel geweint«. In: Der Spiegel. 25. April 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 27. März 2023]).
  21. Gollaleh Ahmadi über Hass gegen Frauen und Engagement — HateAid. In: Hate Aid. 20. April 2021, abgerufen am 19. Mai 2021 (deutsch).
  22. Elevator Boys über Hass im Netz: "Wir haben es auch erlebt, wir kennen das Gefühl". 3. Oktober 2022, abgerufen am 27. März 2023.
  23. Tätigkeitsbericht 2021. In: HateAid. Abgerufen am 27. März 2023 (deutsch).
  24. Alexandra Wolters: „Wer bist du auf der digitalen Bühne?“ bosch-stiftung.de vom April 2019, abgerufen am 5. März 2020
  25. Transparenzbericht. In: HateAid. Abgerufen am 5. Oktober 2022 (deutsch).
  26. Medienpreis des Deutschen Bundestags mit Juror Rainer Meyer: Preisträger spenden an Hate Aid. In: DER SPIEGEL. Abgerufen am 19. Mai 2021.
  27. Max-Dortu-Preis für Zivilcourage | Potsdam ehrt Anwalt für Kampf gegen Hass im Netz, Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ), abgerufen am 15. Mai 2023
  28. Der Preis: Theodor Heuss Stiftung. theodor heuss stiftung, abgerufen am 31. Mai 2023.