Heidengraben

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Verlauf des Heidengrabens
Der Wall des Heidengrabens

Der Heidengraben war ein im 1. Jahrhundert v. Chr. genutztes keltisches Oppidum, das auf der Schwäbischen Alb im Bereich der Gemarkungen Grabenstetten, Erkenbrechtsweiler und Hülben lag. Die Anlage gilt als größte keltische Siedlung Mitteleuropas.[1] Ursprünglich bezeichnete der Begriff nur die Überreste der Befestigung des Oppidums, die noch heute als Wall sichtbar sind und deren Herkunft erst Anfang des 20. Jahrhunderts geklärt werden konnte. Das Oppidum hatte einen äußeren und einen inneren Befestigungsring; innerhalb des letzteren lag die Siedlung, die als Elsachstadt bezeichnet wird (nach dem unterhalb des Oppidums in der Falkensteiner Höhle entspringenden Bach Elsach).

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Wall ist ein Rest des inneren Befestigungsrings am nördlichen Rand der Elsachstadt

Das Oppidum liegt auf der Grabenstettener Halbinsel, die die heutigen Gemeinden Grabenstetten und Hülben (Landkreis Reutlingen) sowie Erkenbrechtsweiler und den Lenninger Ortsteil Hochwang (Landkreis Esslingen) umfasst. Bei der Halbinsel handelt es sich um einem Teil der Albhochfläche, der nur durch einen schmalen Streifen südlich von Grabenstetten mit dem Rest der Albhochfläche verbunden ist, so dass der Albtrauf eine natürliche Befestigung darstellt. Durch diese Lage war es möglich, durch den Bau von vier kurzen Befestigungen ein Gebiet von rund 16,6 km² einzufrieden. Diese Befestigungen trennten das heutige Gebiet der Gemeinde Hülben, das Gebiet Burgwald zwischen Beurener Fels und Brucker Fels, die Verbindung zur restlichen Albhochfläche, sowie das im Süden an die innere Befestigung angrenzende Gebiet Lauereck ab.

Innerhalb des durch die Befestigungsanlagen eingeschlossenen Bereichs befand sich westlich der heutigen Gemeinde Grabenstetten die heute als Elsachstadt bezeichnete keltische Siedlung mit einer Ausdehnung von 1,53 km².

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grabhügel beim Burrenhof (im Hintergrund die Burg Teck)

Offenbar war die Grabenstettener Halbinsel bereits einige Jahrhunderte vor der Anlegung des Oppidums besiedelt. In der Nähe des heutigen Burrenhofs gibt es Gräber aus der Zeit um 1000 v. Chr. und einige noch heute sichtbare Grabhügel, die aus der Zeit um 500 v. Chr. stammen. Die große keltische Siedlung, die Elsachstadt, hatte ihre Blütezeit im späten 2. und frühen 1. Jahrhundert v. Chr.

Archäologische Funde aus dem Gebiet des Heidengrabens können in einem Museum in Grabenstetten und im Stadtmuseum Kornhaus in Kirchheim unter Teck besichtigt werden. Diverse Funde bspw. italische Amphoren, keltische Münzen sowie der Fund einer Waage unterstreichen die Bedeutung des Oppidums für den überregionalen Handel. Für die Fernhandelsrouten nahm die Lage des Heidengrabens unmittelbar an West-/Ost-Verkehrswegen (Lenninger Tal, Erms Tal, Seeburger Tal) vom Neckar über die Schwäbische Alb zur Donau eine zentrale Rolle ein. Hierdurch konnten mutmaßlich Verbindungen zu Gebieten weiter im Osten kontrolliert werden.[1]

Teilweise wird das Heidengraben-Oppidum mit dem Ort Riusiava gleichgesetzt, den der antike Geograph Claudius Ptolemäus in seiner Geographike Hyphegesis verzeichnet. Dieser Ortsname wurde in der neuzeitlichen Forschung vielfach mit dem römischen Kastell Rißtissen in Verbindung gebracht. Einige Wissenschaftler wie Paul Reinecke, Rolf Nierhaus und eine Forschergruppe der TU Berlin argumentierten demgegenüber für eine Lokalisierung Riusiavas beim Heidengraben.[2] Auch gegen diese Lokalisierung wurde jedoch Widerspruch von Seiten anderer Forscher laut.[3]

Erforschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entgegen früheren Spekulationen, der Heidengraben stamme aus dem Dreißigjährigen Krieg, setzte sich im 19. Jahrhundert die Ansicht durch, dass es sich um antike, möglicherweise römische oder aus der Hallstattzeit stammende Relikte handle. Erst Friedrich Hertlein erkannte im Jahre 1905, dass es sich um ein keltisches Oppidum handelt.

In jüngerer Zeit wurden durch das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg und der Eberhard Karls Universität Tübingen Grabungen an einer Toranlage bei Erkenbrechtsweiler, dem hallstattzeitlichen Grabhügelfeld am Burrenhof sowie bei der Flurbereinigung innerhalb der Elsachstadt durchgeführt.

Der Heidengraben spielt in der sog. Keltenkonzeption des Landes Baden-Württemberg eine Hauptrolle.[4]

Sichtbare Geländedenkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wallanlage der Elsachstadt
  • Toranlage bei Erkenbrechtsweiler
  • Grabhügelfeld Burrenhof
Panorama der Wallanlage Elsachstadt

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Franz Fischer: Der Heidengraben bei Grabenstetten. Ein keltisches Oppidum auf der Schwäbischen Alb bei Urach (= Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern in Baden-Württemberg. Heft 2). Müller und Graeff, Stuttgart 1971 (3. Auflage, Theiss, Stuttgart 1982, ISBN 3-8062-0317-2).
  • Thomas Knopf: Der Heidengraben bei Grabenstetten. Archäologische Untersuchungen zur Besiedlungsgeschichte (= Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie. Band 141). Rudolf Habelt, Bonn 2006, ISBN 3-7749-3420-7.
  • Dorothee Ade u. a.: Der Heidengraben – Ein keltisches Oppidum auf der Schwäbischen Alb (= Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg. Band 27). Theiss, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-8062-2761-1.
  • Dorothee Ade, Gerd Stegmaier, Andreas Willmy: Der Heidengraben. „Ein geheimnisvolles Befestigungswerk aus uralter Zeit“. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Jahrgang 42, Heft 2, 2013, S. 82–87 (online).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Heidengraben – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Heidengraben – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Das keltische Oppidum Heidengraben. Denkmalpflege Baden-Württemberg, abgerufen am 4. Februar 2023.
  2. Rolf Nierhaus: Zu den topografischen Angaben in der Geographie des Klaudios Ptolemaios über das heutige Süddeutschland. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg. Band 6, 1981, S. 475–500, hier S. 490–493 (mit weiterer Literatur; Digitalisat); Andreas Kleineberg, Christian Marx, Eberhard Knobloch, Dieter Lelgemann: Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios´ „Atlas der Oikumene“. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-534-23757-9.
  3. Sabine Rieckhoff: Wo sind sie geblieben? – Zur archäologischen Evidenz der Kelten in Süddeutschland im 1. Jahrhundert v. Chr. In: Helmut Birkhan (Hrsg.): Kelten-Einfälle an der Donau. Akten des Vierten Symposiums deutschsprachiger Keltologinnen und Keltologen (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historischen Klasse. Denkschriften. Band 345). Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2007, ISBN 3-7001-3670-6, S. 409–440, hier S. 429.
  4. Michael Koch: Den Heidengraben aus dem Dornröschenschlaf erwecken. Nürtinger Zeitung, 2. Juli 2019, abgerufen am 1. August 2021.

Koordinaten: 48° 32′ 0″ N, 9° 27′ 0″ O