Henni Lehmann

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Vitte/Hiddensee Stolperstein: Henni Lehmann

Henriette „Henni“ Lehmann (geb. Straßmann; * 10. Oktober 1862 in Berlin; † 18. Februar 1937 ebenda) war eine politisch und sozial engagierte deutsche Künstlerin und Autorin. In der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, nahm sie sich 1937 das Leben.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bäuerin auf der Straße in Kloster (Hiddensee)

Henni Lehmann entstammte einer jüdischen Berliner Familie. Ihr Vater Wolfgang Straßmann war von 1862 bis 1885 liberaler Stadtverordneter in Berlin und Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses. Nach dem Besuch der Königlichen Kunstschule heiratete sie 1888 Karl Lehmann, der ebenso jüdische Wurzeln hatte. Beide konvertierten nach der Hochzeit zum Protestantismus. Das Ehepaar zog nach Rostock. Ihre Kinder waren Karl Lehmann(-Hartleben) und Eva Fiesel, die beide Altertumswissenschaftler wurden und 1933 ihre Stellungen in Deutschland verloren. Bis zum Umzug der Familie nach Göttingen im Jahr 1911 war Henni Lehmann Vorsitzende des Rostocker Frauenvereins. Nach dem Tod ihres Mannes 1918 zog sie nach Weimar. In der Weimarer Republik stand sie den Sozialdemokraten nahe und engagierte sich in der Arbeiterwohlfahrt. Sie schrieb sozial engagierte Romane und hielt Vorträge. Auch trat sie gegen den Antisemitismus auf.

Die Blaue Scheune in Vitte, Lehmanns ehemaliges Ferienhaus

Seit 1907 verbrachte die Familie die Ferien auf Hiddensee. Henni Lehmann engagierte sich sehr bei der Schaffung besserer Lebensumstände auf der Insel. 1913 gab sie den Insulanern ein Darlehen zum Bau eines Arzthauses, und 1914 gehörte sie zu den Mitbegründern und ersten Vorstandsmitgliedern des Natur- und Heimatschutzbundes Hiddensee. 1909 zählte sie zu den Gründungsmitgliedern der Genossenschaftsreederei. Während des Ersten Weltkriegs war sie Leiterin der Göttinger Abteilung des Nationalen Frauendienst (NFD) innerhalb des Vaterländischen Kriegshilfsdienst.[1]

Landschaft am See

Ab 1919 traf sich in ihrem Ferienhaus in Vitte, der Blauen Scheune, regelmäßig der Hiddensoer Künstlerinnenbund, zu dem u. a. Clara Arnheim, Elisabeth Büchsel und Käthe Löwenthal gehörten. Durch die NS-Herrschaft war dies ab 1933 nicht mehr möglich.

Das 1907 neben der Blauen Scheune gebaute Landhaus der Familie Henni Lehmanns wurde bis 1937 als Sommersitz genutzt. Entworfen hatte den Bau der Schweriner Architekt Paul Ehmig. Nach der Renovierung und dem Umbau 1989 diente das Gebäude bis 1991 als Rathaus von Vitte. Seit dem 5. Juni 2000 heißt es offiziell Henni-Lehmann-Haus und wird für Veranstaltungen und Ausstellungen sowie durch die örtliche Bibliothek genutzt. In den Gehweg zum Haus ist ein Stolperstein eingelassen, der an die Verfolgung der jüdischen Künstlerin durch die Nationalsozialisten und an ihren daraufhin 1937 begangenen Suizid erinnert.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frauenporträt im Heimatmuseum Hiddensee
  • Die Frauen aus dem Alten Staden Nr. 17, Erzählung, Berlin 1921, Neuausgabe Dresden 2014
  • Es singt das Meer, Sonette und Terzinen, Weimar 1922, Neuausgabe Dresden 2015
  • Armenhauskinder, Erzählung, Jena 1924
  • Feldherr ohne Heer, Roman, Berlin 1928

Zitate von und über Henni Lehmann[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Henni Lehmann im Nachwort zu ihrer Erzählung „Die Frauen aus dem Alten Staden Nr. 17“:

„Sie waren Proletarierfrauen und es war Krieg. Die Selbstgerechten und Frommen nennen die eine eine Verworfene, die andere eine sündige Selbstmörderin, aber sie und die andern alle waren nicht schlecht, sie waren nur unglücklich und schwach. Ach, urteilt nicht hart über sie! Wer weiß, wo ihr ständet und eure Frauen und Töchter, wenn ihr Proletarier wäret, und es wäre Krieg! Helft alle, Proletarier und ihr andern, daß die Welt besser, daß sie friedlicher und gerechter werde!“

Rezension zu Armenhauskinder von Karl Fischer in der SPD-Parteizeitung Vorwärts am 19. Oktober 1924:

Henni Lehmann hat vor Jahren einen Roman geschrieben: „Frauen aus dem Alten Staden Nr. 17“, einen Roman, der in grauen Häusern der Armut spielt und in niedrigen Stuben mit trüber hoffnungsloser Luft, in denen vom Schicksal Geknechtete still einem frühen Tod entgegenleben. Ein paar Personen aus dem alten Staden begegnen uns auch in dieser neuen Erzählung, die im Armenhaus einer kleinen Stadt spielt. Also Armeleutegeschichten mit Armeleutegeruch, wie ja wohl von den anderen, die nur die Sommerseite des Lebens kennen, naserümpfend gesagt wird. Und gerade diese Hochmütigen und Erbarmungslosen sollen die „Armenhauskinder“ lesen, gerade für sie hat Henni Lehmann den Roman geschrieben. Das Buch ist wie ein hohes Lied der Liebe zu den Enterbten des Glücks, und man kann sich denken, dass Menschen, die diese Geschichte lesen und deren Herzen so lange verhärtet waren, gut werden zu den Armen und Unglücklichen.

Gerhart Hauptmann schrieb am 20. August 1910 in seinem Tagebuch[2] über die Malerin:

„Hiddensee. Es ist ein ekelhaft bekrochenes Eiland geworden. Ein dickes Weib hat eine Villa errichtet und malt frech vor der Tür mit zwei Zentnern am Leibe. Fürchterlich!“

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Henriette Lehmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vaterländischer Kriegshilfsdienst in Göttingen. Zweiter Bericht, gegeben Anfang März 1915. S. 21.
  2. Gerhart Hauptmann (Autor), Peter Sprengel (Hrsg.): Tagebücher 1906 bis 1913. Propyläen-Verlag, Frankfurt/M. 1996, ISBN 3-549-05839-X.