Hervé Falciani

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Hervé Falciani

Hervé Falciani (* 9. Januar 1972 in Monte Carlo, Fürstentum Monaco) ist ein französisch-italienischer Informatiker.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Falciani arbeitete ab 2002 als Informatiker und Finanzsachverständiger bei der monegassischen Niederlassung der Genfer HSBC Private Bank (Suisse), einer Tochter der britischen HSBC-Bank. Die HSBC ist die zweitgrößte Bank der Welt. In dieser Zeit wurde er Kassierer im Ruderklub Société Nautique de Monaco. 2006 wechselte er als IT-Spezialist für Datenbanken in die HSBC-Zentrale nach Genf.[1] Bis 2008 arbeitete er bei der HSBC.[2]

Ende 2008 setzte sich Falciani nach Nizza ab. Focus Online berichtete, dass Falciani im französischen Nizza leben soll, ein Auslieferungsantrag gegen ihn sei unwahrscheinlich.[3] In der Schweiz ist er polizeilich zur Fahndung ausgeschrieben. Arte brachte 2015 einen ausführlichen Bericht über Falciani und den Swiss-Leaks-Skandal. Nach einem Bericht des ZDF lebte Falciani im Februar 2010 mit seiner Frau und seinem Kind in der Nähe von Nizza unter Polizeischutz.[4] Die französische Justiz soll Falciani eine neue Identität verschafft haben.

Am 1. Juli 2012 wurde Falciani in Barcelona verhaftet. Trotz eines Auslieferungsgesuchs der Schweiz[5] wurde er am 8. Mai 2013 aus der Haft entlassen.[6]

2015 wurde er in der Schweiz in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Das Gericht befand Falciani des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes in neun Fällen schuldig, dazu gehören auch Datenlieferungen an den Bundesnachrichtendienst in Deutschland sowie an zwei Steuerbehörden in Großbritannien. Von den weiteren Vorwürfen, darunter Verletzung des Bank- und Geschäftsgeheimnisses und der unbefugten Datenbeschaffung, wurde er freigesprochen. Das Urteil ist rechtskräftig.[7][8]

Falciani besitzt neben der französischen auch die italienische Staatsangehörigkeit.

Swiss-Leaks-Skandal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Falciani geriet erstmals 2009 in die Schlagzeilen, als er im August 2009 den französischen Behörden Listen mit Bankkundendaten von mutmaßlichen Steuerbetrügern übergab. So wie Bradley Birkenfeld die Behörden über die Vorgänge bei der UBS informierte, gab Falciani Material über Kunden der HSBC weiter. Die Unterlagen des Skandals, die im Februar 2015 veröffentlicht wurden, belegen, wie Bankberater den HSBC-Kunden Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche leisteten.[9] Unter den Kunden waren auch Angehörige von Königshäusern aus dem Nahen Osten, Syriens Präsident Baschar al-Assad, Chinas ehemaliger Premierminister Li Peng, Stars wie David Bowie, Sportler wie Fernando Alonso und der Präsident der Santander Bank, Emilio Botín. Außerdem tauchten Verbindungen zu mutmaßlichen Blutdiamantenhändlern und Waffenschiebern auf.[10][11] Damit trug er wohl wesentlich zur Schwächung des Schweizer Bankgeheimnisses bei, zu Entwicklungen wie FATCA und zum Wechsel von einer Schwarz- zu einer Weissgeldstrategie. Steuerhinterzieher bevorzugen heute oft Singapur oder andere Steueroasen.

Frankreich leitete mit diesen Daten Steuerverfahren gegen Steuersünder ein. Die Daten wurden an andere Staaten (Lagarde-Liste) im Rahmen der Amtshilfe weitergegeben. In vielen Fällen ist Frankreich sogar zu gegenseitiger Weitergabe verpflichtet. Auf ähnlichem Wege erhielt Frankreich auch Daten von französischen Steuersündern von Deutschland im Rahmen der Liechtensteiner Steueraffäre. Die Schweiz wird bei jeder Weitergabe von Frankreich unterrichtet und erhielt im Januar 2010 eine Kopie.[12]

Im Januar 2010 kam der Name Hervé Falciani im Zusammenhang mit Daten von 1.300 Bankkunden, die den deutschen Behörden für 2,5 Mio. Euro angeboten wurden, wieder in die Schlagzeilen. Laut Informationen der Financial Times Deutschland soll die angebotene CD von der HSBC stammen und es sich um dieselben Daten handeln, die Falciani im August 2009 den französischen Behörden angeboten hatte.[13] Sowohl Falciani als auch Berliner Regierungskreise bestritten jedoch, dass die HSBC in den deutschen Fall verwickelt sei.[14]

Inzwischen wurde durch zwischenstaatliche Abkommen über Datenaustausch das Bankgeheimnis gekippt. In immer mehr Staaten wird aufgrund der Daten des Swiss-Leaks-Skandals gegen die HSBC wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche ermittelt. Wolfgang Schäuble scheiterte mit seinem Steuerabkommen mit der Schweiz am Widerstand von SPD und Grünen.[15]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Hervé Falciani – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Der ehrenwerte Herr Hervé Falciani in: taz vom 3. Februar 2010
  2. Der «Datendieb» wähnt sich auf einer Mission (Memento vom 18. Dezember 2009 im Internet Archive) Oliver Meiler in: Tages-Anzeiger vom 15. Dezember 2009
  3. Ex-HSBC-Informatiker lässt Steuersünder zittern in: Focus vom 2. Februar 2010
  4. Video Datendieb aus Gewissensgründen: Steuerflüchtige ans Messer geliefert – Bericht und Interview mit Hervé Falciani von Stephan Merseburger (3. Februar 2010) in der ZDFmediathek, abgerufen am 27. Januar 2014. (offline)
  5. Spanien prüft Auslieferung von Datendieb an die Schweiz
  6. Pedro Águeda: Falciani cifra en 200.000 millones el dinero que se evade en impuestos, El Diario, 25. November 2013, abgerufen am 15. Juni 2014
  7. Hervé Falciani zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. In: NZZ vom 27. November 2015.
  8. Urteil gegen Falciani ist rechtskräftig. In: NZZ vom 17. Mai 2016.
  9. Arte: Falciani und der Bankenskandal
  10. Arte: Falciani und der Bankenskandal
  11. „Bankdaten-Klau offenbar systematisch vorbereitet“ (Memento vom 9. Juli 2012 im Webarchiv archive.today), Berner Zeitung, 17. Dezember 2009
  12. „Frankreich gibt gestohlene HSBC-Unterlagen zurück“ (Memento vom 15. Januar 2011 im Internet Archive), Stocks, 21. Januar 2010
  13. „Eidgenossen sehen moderne Form des Banküberfalls (Memento vom 9. Februar 2010 im Internet Archive), Süddeutsche Zeitung, 1. Februar 2010
  14. „Steuer-CD: Herkunft der Daten – Spurensuche mit lachendem Dritten“ (Memento vom 5. Februar 2010 im Internet Archive), Süddeutsche Zeitung, 2. Februar 2010
  15. Der Spiegel vom 12. Dezember 2012