International Centre for Migration Policy Development

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International Centre for Migration Policy Development
(ICMPD)
Logo
Gründung 1993
Sitz Wien Österreich
Vorsitz Michael Spindelegger[1]
Beschäftigte 480[2]
Mitglieder 20
Website www.icmpd.org

Das International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) mit Sitz in Wien ist eine internationale Organisation, die 1993 von Österreich und der Schweiz gegründet wurde und mittlerweile 20 Mitgliedsstaaten (Stand 2023) umfasst.[3][4] Das ICMPD hat derzeit rund 480 Mitarbeiter, eine Mission in Brüssel sowie Vertretungen in Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten.[2]

Zweck[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das ICMPD wurde gegründet, um Forschung, Projekte und Aktivitäten zu migrationsbezogenen Themen durchzuführen und politische Empfehlungen an die Regierungsbehörden von Staaten sowie an externe staatliche und zwischenstaatliche Stellen zu geben. Nach Eigendarstellung ist das ICMPD eine internationale Organisation mit 20 Mitgliedsstaaten und ist in mehr als 90 Ländern aktiv mit knapp 500 Mitarbeitern.[4] Die Organisation hat außerdem Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen.[5][6]

Das ICMPD soll nach eigenen Angaben Entscheidungsträgern und Politikern die Grundlagen für ihre Entscheidungen liefern.[7]

Das ICMPD kooperiert nach eigenen Aussagen mit Regierungen, internationalen Organisationen, Forschungsinstituten und Mitgliedern der Zivilgesellschaft bei der Entwicklung von Richtlinien in migrationsbezogenen Bereichen sowie bei der Organisation von Schulungen etc. zum Transfer von Know-how im Umgang mit Migrationsfragen.[8]

Das ICMPD wurde ursprünglich als ziviler Think Tank gegründet und war bis 2015 auf Osteuropa und den Balkan fokussiert.[9][10]

Seit 2016 hat das ICMPD seinen Schwerpunkt auf nordafrikanische Länder wie Libyen, Tunesien und Marokko verlagert und setzt dort direkt Grenzkontrollprojekte um, organisiert die Beschaffung für Grenzaufrüstungen, beteiligt sich an der Gestaltung von Curricula für Polizeiausbildungsprogramme und an der Entwicklung von Überwachungstechnologie.[9]

Im Oktober 2020 schrieb der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) an den damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer, er plane, in Zusammenarbeit mit Michael Spindelegger und dem ICMPD eine spezielle Art von digitaler Flüchtlingskarte in Bayern einzuführen, die als Debitkarte dienen könne und als Modell für ähnliche Projekte in Europa dienen solle. Seehofer bezeichnete das Vorhaben sogar als „Leuchtturmprojekt“. Initiator der Idee sei das ICMPD gewesen.[11]

Darüber hinaus ist das ICMPD mit seinen Aktivitäten zum Aufbau von Kapazitäten in verschiedenen Bereichen des Migrationsmanagements vor Ort präsent.[12]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das ICMPD ist unter anderem auch in Libyen, Marokko und Tunesien aktiv und unterstützt dort im Auftrag der EU die Küstenwachen mit Trainings, Equipment und dem Bau von Trainingscentern.[13] Verschiedene Projekte des Centers stehen in der Kritik, unter anderem auch die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache, die immer wieder wegen Menschenrechtsverlätzungen kritiziert werden.[14] Beispielsweise sei der marokkanischen Behörde eine Überwachungssoftware für Mobilgeräte übermittelt worden. Unter anderem wird auch darauf verwiesen, dass Finanzen zu intransparent seien.[15]

Im Mai 2023 reichte das International Centre for Migration Policy Development am Handelsgericht Wien eine Klage wegen kreditschädigender Äußerungen gegen die Nichtregierungsorganisation SOS Balkanroute und den Gründer und Obmann Petar Rosandić (Kid Pex) ein. Hintergrund ist eine von der ICMPD im Flüchtlingslager Lipa in Bosnien und Herzegowina eingerichtete Internierungsanstalt, die Rosandić als „Guantanamo“ bezeichnete. Maria Windhager, die Anwältin, die die NGO und Rosandić in der Rechtssache vertrag, orteten eine SLAPP-Klage. Rosandić bezeichnete die Klage in einer Aussendung als „politische[n] Einschüchterungsversuch, wie man diese sonst aus Ungarn, Russland oder Serbien kennt“ sei.[16][17] Nach Verhandlung im Juli 2023 wurde die Klage vom Handelsgericht in Wien abgewiesen, im November 2023 lag die schriftliche Ausfertigung des Urteils vor[18] und wurde im Dezember 2023 rechtskräftig.[19]

Mitgliedsstaaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mitgliedsstaaten der ICMPD (Stand 2020)

Nach der Gründung im Jahr 1993 durch Österreich und die Schweiz kamen 1995 Ungarn und 1998 Slowenien hinzu. 2001 wurde Tschechien Mitglied, 2002 folgten Portugal und Schweden, 2003 Bulgarien und Polen, 2004 Kroatien, 2006 die Slowakei, 2010 Rumänien, 2011 Bosnien und Herzegowina und Serbien und 2012 die Republik Nordmazedonien.[2][20] Malta und die Türkei traten beide 2018 bei.[21][22] Deutschland trat 2020 der ICMPD bei.[23] Griechenland folgte im Jahr 2021 und die Niederlande 2023.[24]

Generaldirektoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Pressekonferenz: Michael Spindelegger übernimmt Leitung der europäischen Migrations-Organisation ICMPD. APA-OTS-Aussendung des ICMPD, 26. Jänner 2016, abgerufen am 16. Dezember.
  2. a b c Annual Report 2022. (PDF; 10,1 MB) In: Website des ICMPD, Mai 2022, abgerufen am 16. Dezember 2023 (englisch).
  3. The Organisation. ICMPD, abgerufen am 16. Dezember 2022 (englisch).
  4. a b Über uns. ICMPD, abgerufen am 16. Dezember 2022 (englisch).
  5. International Centre for Migration Policy. In: UNHCR.org, 7. Dezember 2023, abgerufen am 16. Dezember 2023 (englisch).
  6. a b New Permanent Observer of the International Centre for Migration Policy Development Presents Credentials. In: UNIS/BIO/945. United Nations Information Service Vienna (UNIS Wien), 4. Juli 2011, abgerufen am 16. Dezember 2023 (englisch).
  7. Spindelegger: Migrationspolitik braucht präzisere Grundlagen. APA-OTS-Aussendung des ICMPD, 29. Jänner 2016, abgerufen am 16. Dezember.
  8. Contribution to the fifteenth coordination meeting of international migration. (PDF; 270 KB) In: Website der Vereinten Nationen. International Centre for Migration Policy Development (ICMPD), 13. Februar 2017, abgerufen am 16. Dezember 2023 (englisch).
  9. a b Sofian Philip Naceur: EU-Flüchtlingspolitik in Tunesien: Fortlaufende Grenzverschiebung. Über verschiedene Verträge rüsten Deutschland und die EU Tunesiens Grenzschützer aus. Es geht darum, Flüchtende von Europa fernzuhalten. In: taz.de. 23. Juli 2020, abgerufen am 16. Dezember 2023 (unter besonderem Blickwinkel auf die ICMPD und ihre Rolle „in Sachen EU-Grenzauslagerung in Tunesien“).
  10. Merve Aydogan: Turkey joins Vienna-based migration policy center. In: aa.com. Anadolu Ajansı, 15. Mai 2018, abgerufen am 16. Dezember 2023 (englisch).
  11. Der Traum vom gläsernen Geflüchteten. In: Bayerische Staatszeitung, 29. Juni 2023, abgerufen am 16. Dezember 2023.
  12. What is ICMPD? (PDF; 37,8 KB) In: OSCE.org. Kurzdarstellung des ICMPD, September 2006, abgerufen am 16. Dezember 2023 (englisch).
  13. Zentral im EU-Grenzschutz, umstritten und kaum bekannt: Spindeleggers ICMPD. Abgerufen am 21. April 2024 (österreichisches Deutsch).
  14. tagesschau.de: UN-Bericht: EU hat in Libyen Beihilfe zu Straftaten geleistet. Abgerufen am 21. April 2024.
  15. Fabian Schmid, Vera Deleja-Hotko u. a.: Zentral im EU-Grenzschutz, umstritten und kaum bekannt: Spindeleggers ICMPD. „Das ICMPD spielt im ‚Migrationsmanagement‘ der EU eine wichtige Rolle – und ist eng mit Österreich verbunden. Doch zusehends rücken Skandale die Organisation in ein schiefes Licht“ In: Der Standard, 19. Mai 2023, abgerufen am 16. Dezember 2023.
  16. Kreditschädigungsklage gegen die NGO „SOS Balkanroute“ wegen eines Camps in Lipa. In: Der Standard. 11. Mai 2023, abgerufen am 16. Dezember 2023 (redigierte APA-Meldung).
  17. ICMPD klagt SOS Balkanroute. In: wien.ORF.at. 17. Juli 2023, abgerufen am 16. Dezember 2023.
  18. SOS Balkanroute: Schriftliches Urteil liegt vor. In: wien.ORF.at. 7. November 2023, abgerufen am 16. Dezember 2023.
  19. SOS Balkanroute: Urteil rechtskräftig. In: wien.ORF.at. 13. Dezember 2023, abgerufen am 14. Dezember 2023.
  20. Resolution on Migration Policy of the Republic of Macedonia 2015–2020. (PDF; 1,6 MB) In: north-macedonia.iom. Government of the Republic of Macedonia. Jänner 2015, abgerufen am 16. Dezember 2023.
  21. Malta becomes the first Central Mediterranean Member State of the International Centre for Migration Policy Development. Pressemitteilung der Regierung von Malta. Website des Ministry for Foreign and European Affairs and Trade (MFET) in der Version vom 12. Juli 2018 (englisch; online am 16. Dezember 2023 nicht mehr erreichbar).
  22. Press Release Regarding Turkey’s Membership to International Centre For Migration Policy Development (ICMPD). Pressemitteilung Nr. 138. Republic of Türkiye Ministry of Foreign Affairs, 15. Mai 2018, abgerufen am 16. Dezember 2023 (englisch).
  23. Gründe für deutschen ICMPD-Beitritt. Heute im Bundestag (hib): Inneres und Heimat — Antwort — hib 726/2020. In: bundestag.de, 7. Juli 2020, abgerufen am 16. Dezember 2023.
  24. ICMPD Gets Bigger: Netherlands Joins as New Member. (Memento vom 4. November 2023 im Internet Archive). In: Vindobona. Vienna International News, 14. Juni 2023 (englisch).
  25. Mark J. Miller: In memory of Jonas Widgren. In: Gale Academic OneFile. Ursprung: International Migration Review, Sage Publications. Band 38, Nr. 4, Winter 2004, S. 1598.
  26. New Permanent Representative of International Centre for Migration Policy Development Presents Credentials. In: UNIS/BIO/744. United Nations Information Service Vienna (UNIS Wien), 7. April 2005, abgerufen am 16. Dezember 2023 (englisch).
  27. EU funds development of « Smart Traveller » mobile customs application to enhance travel experience in Tunisia. In: EU Neighbours South, 26. Juni 2018, abgerufen am 16. Dezember 2023 (englisch).