Italianità

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Der Begriff Italianità („Italianität“) kam während des 19. Jahrhunderts im Zuge des Risorgimento in den Reihen der panitalienischen Bewegung auf. Er postulierte eine genuine gesamtitalienische Identität. Italianità umfasst das Wesen, die Art, die Natur und den Charakter Italiens und der Italiener.

Begriffsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Bedeutung unter anderem auf den Gebieten der Kunst und Architektur bei der Herausbildung eines eigenen italienischen Zuganges zur Moderne.

Eine besondere Rolle spielte das Schlagwort Italianità in der Zeit des Faschismus bei der zwangsweisen Italianisierung der nach dem Ersten Weltkrieg einverleibten Gebiete mit nicht-italienischer Bevölkerungsmehrheit (zum Beispiel Südtirol mit deutschsprachiger und ladinischer Bevölkerung).

Auch in der italienischsprachigen Bevölkerung der Schweiz wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Diskussion um die Italianità geführt,[1] sie entstand wegen des befürchteten Kulturverlusts durch den massiven Zuzug von Deutschschweizern und Deutschlanddeutschen, hauptsächlich Angestellte in leitender Stellung, die eigene Schulen und eine eigene Zeitung (Tessiner Zeitung)[2] betrieben, und sich vom Bäcker bis zum Anwalt eine eigene Infrastruktur in Tessin aufbauten. Eine Reaktion darauf waren die Rivendicazioni ticinesi (Tessiner Ansprüche; auch als Tessiner Begehren[2] übersetzt).[3] Die 30 Forderungen an den Bundesrat wurden etwa zur Hälfte erfüllt und hatten die Schließung der deutschsprachigen Schulen (außer von zwei Privatschulen) zur Folge.[2]

Im Italien der Nachkriegszeit ist der Gebrauch des Schlagwortes zurückgegangen. Allerdings wurde es durch den ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi wieder häufiger benutzt. Dieser hatte unter anderem während der Sanierung bzw. dem Verkauf der Fluggesellschaft Alitalia immer wieder betont, dass es wichtig sei für Italien, eine nationale Fluggesellschaft zu haben. Dabei verwendete Berlusconi den Begriff der Italianità. Im Wahlkampf des Jahres 2008 verhinderte er so unter anderem eine komplette Übernahme der Fluggesellschaft durch die Air France.

In der deutschsprachigen Schweiz hat Italianità durch entsprechendes Marketing eine positive Bedeutung erhalten. Sie ist Ausdruck italienischer Lebensart und Lebensfreude, des Dolce Vita geworden, die durch die eingewanderten Italiener seit 1960 und durch Ferien in Italien, Einzug gehalten haben. Typische Beispiele italienischer Alltagskultur sind Gerichte wie Pasta und Pizza, Trinken von Kaffee (Espresso, Cappuccino) und Wein, Musik von Eros Ramazzotti, Zucchero, Laura Pausini, Tiziano Ferro und Gianna Nannini, Motorräder wie die Vespa von Piaggio und Autos von Fiat und Alfa Romeo.[4]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gualtiero Boaglio: Italianità. Eine Begriffsgeschichte. Wien, Praesens 2008, ISBN 978-3706905138.
  • Reinhold R. Grimm, Peter Koch, Thomas Stehl, Winfried Wehle: Italianità. Ein literarisches, sprachliches und kulturelles Identitätsmuster. Gunter Narr Verlag 2003, ISBN 978-3-8233-5853-4.
  • Klaus Tragbar: ‚Romanità‘, ‚italianità‘, ‚ambientismo‘ – Kontinuität und Rückbesinnung in der italienischen Moderne. Vortrag in: Bericht über die 42. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bauforschung vom 8. bis 12. Mai 2002 in München, S. 72–83 (PDF, 8,4 MB).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Silvano Gilardoni: Italianità. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 2. April 2009, abgerufen am 23. Juni 2019.
  2. a b c Beat Allenbach: Tessin – Bilder eines Lebensraums. Werd Verlag, Zürich 1999, ISBN 3-85932-263-X, S. 109 ff.
  3. Silvano Gilardoni: Rivendicazioni ticinesi. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 10. Februar 2012, abgerufen am 23. Juni 2019.
  4. Italianità in der Schweiz – Caffè, Vespa oder Bagnino: Sechs Schweizer Fotografen mit italienischem Blut zeigen, was bei ihnen Heimatgefühle auslöst. In: Migros-Magazin. 3. August 2015, abgerufen am 9. August 2020.