Iwakura-Mission in Deutschland

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Reiseroute in Deutschland
Japanische Banknote 1873
gedruckt in Frankfurt
Beginn des offiziellen Berichts:
Erziehung in Deutschland
Japanische Studenten in Berlin um 1875, darunter Shimizudani, Bōjō
Schleusenbrücke mit Schloss, Uchida 1876[1]

Die japanische Iwakura-Mission (japanisch 岩倉使節団, Iwakura shisetsudan), benannt nach ihrem Leiter, Fürst Iwakura Tomomi, besuchte im Rahmen ihrer Weltreise zwischen März und Mai 1873 das Deutsche Reich. Der Besuch Berlins stand dabei im Mittelpunkt.

Verlauf der Reise in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch den Bericht Kume Kunitakes, den Tagebuchaufzeichnungen Kido Takayoshis, einem der Stellvertreter des Fürsten, und durch Berichte in den deutschen Zeitungen sind wir über den Besuch in Deutschland gut unterrichtet. Von Holland kommend besuchte die Delegation die Kruppschen Werke in Essen und hielt sich dann drei Wochen in Berlin auf. Nach dem Besuch in Russland reiste sie mit dem Schiff von Kiel nach Kopenhagen und weiter nach Schweden. Von dort reiste sie ein drittes Mal nach Deutschland ein[2] und machte in Hamburg, Frankfurt und München Station. In Frankfurt besuchte sie die Druckerei C. Naumann, die gerade die ersten modernen Banknoten Japans druckte.

Der Besuch in Berlin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da es nach der bereits in den USA gescheiterten Revision der Ungleichen Verträge mit dem Westen auch in Berlin nichts zu verhandeln gab, hatten die offiziellen Kontakte bis zur Abreise am 28. März mit gegenseitigen Einladungen eher gesellschaftlichen Charakter. Höhepunkt war der Empfang des Kaisers, der 11 Jahre zuvor als König schon die Takenouchi-Mission empfangen hatte. Es folgten Einladungen zur Eröffnung der Sitzungsperiode des Reichstages am 12. März, zum Geburtstag des Kaisers am 22. März,[Anm. 1] zur Oper, zum Pferderennen im Hippodrom. Den Kaiser traf die Delegation auch bei der Eröffnung der Großen Fischerei-Ausstellung und war beeindruckt, wie dieser sich ganz selbstverständlich unters Volk begab.

Die Mission nutzte die Zeit für Gespräche mit den in Berlin lebenden Japanern, mit dem Gesandten, Samejima Naonobu, mit Shinagawa Yajirō, der ursprünglich als militärischer Beobachter des Frankreich-Feldzuges 1870/71 nach Europa gekommen war, und mit Aoki Shūzō, der sich zu Studien in Berlin aufhielt. Insbesondere Aoki, später Botschafter, dann Außenminister, verstand es, die japanische Führungsspitze der Mission für Preußen und seine Verfassung zu interessieren. Die Vertreter der verschiedenen Ministerien sammelten Fachinformation und fertigten Berichte[Anm. 2] an.

Mit der Iwakura-Mission kamen einige Studenten nach Berlin, meist aus dem Hof-Adel (kuge). Darunter war Mushanokōji Saneyo, der zwar kurz nach der Geburt seiner Söhne starb, aber doch bei diesen, Kintomo und Saneatsu, ein Interesse an Deutschland hinterließ. Shimizudani Kinnaru (1845–1883) und Bōjō Toshiaya (1847–1906) machten nach ihrer Rückkehr Karriere, Ersterer in der Verwaltung von Hokkaidō, Letzterer im Militär und als Gouverneur der Präfektur Yamagata.

Abbildungen aus Kumes Buch (nach deutschen Vorlagen)[3]

Das Besuchsprogramm[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der „Flensburger Löwe“
am Wannsee

Der Mission wurden in Berlin folgende repräsentative Einrichtungen vorgestellt (‡ = nicht mehr, bzw. nicht mehr in damaliger Form, vorhanden):

In Potsdam besuchte man am 27. März:

Beim Besuch im Zeughaus wird den Japanern erklärt, den riesigen Löwen im Innenhof hätte man 1864 den Dänen weggenommen, die ihn nach dem Sieg in der Schlacht bei Idstedt 1850 in Flensburg aufgestellt hätten. Kume erinnert sich, dass auf dem Waterloo-Denkmal ein Löwe steht, den die Engländer den Franzosen weggenommen hatten. Und er weiß auch, dass Napoleon die Quadriga auf dem Brandenburger Tor abtransportieren ließ. Er kommt, leicht ironisch, zum Schluss, in Europa ginge es bei den Kriegen um das gegenseitige Wegnehmen von Löwen.[Anm. 3]

Eine Rede Bismarcks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bismarck (aus der Sammlung
Kido Takayoshi)[4]

Bismarck gab, nachdem er am Tage zuvor die Mission im Hotel aufgesucht hatte, dieser ein Essen in seiner Residenz. Er hielt dabei eine Rede, die Kume in seinem Buch wiedergibt. Man findet sie auch als Eine neue Rede Bismarcks,[5] aber diese ist eine Übersetzung aus dem Japanischen, zunächst abgedruckt in einer Zeitung[6] anlässlich des Besuches von Itō Hirobumi 1901 in Berlin. Bismarck führte in dieser Rede aus, dass man zwar zur Zeit die Einführung eines Völkerrechtes diskutiere, was aber schwachen Ländern bei der Durchsetzung ihrer Rechte wenig helfen würde. Japan müsse daher versuchen, stark zu werden. Er wünsche Japan viel Erfolg bei der Modernisierung des Landes und betonte, Deutschland beabsichtige nicht – im ausdrücklichen Gegensatz zu England und Frankreich – sich am Wettlauf um Kolonien zu beteiligen. (Dieses Versprechen konnte Bismarck am Ende seiner Dienstzeit nicht ganz einhalten.)

Schlussbemerkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kume widmete Deutschland in seinem Werk[Anm. 4] trotz der relativ kurzen Besuchsdauer von nur einem Monat zehn Kapitel.[Anm. 5] Er beschreibt nicht nur die besuchten Orte, sondern widmet allen vier Königreichen, den Herzog- und Fürstentümern und den drei Stadtrepubliken Kapitel oder Seiten in seinem Werk. Kume, hochgebildet, beschreibt den Westen, Deutschland aus fernöstlicher Distanz. Dieser Blick von außen ist eine bemerkenswerte Ergänzung zum deutschen Geschichtsbewusstsein.

Für die japanische Seite war der Besuch in Deutschland wichtig, weil man dieses Land in einer ähnlichen Lage sah wie das eigene. Wie Deutschland – erst seit kurzem vereinigt – zu den wirtschaftlich-technisch überlegenen Ländern England und Frankreich aufschließen wollte und seinen Platz zwischen den etablierten Großmächten zu finden bemüht war, so musste Japan seinen Platz in der westlich dominierten Welt finden.

Nicht zu übersehen ist bei Kume, dass er zwar die westliche, die deutsche Technik anerkannte, Japan aber in gesellschaftlicher Hinsicht zumindest ebenbürtig sah. Auch entging Kume nicht, dass – zumindest in Deutschland – der Staat bemüht war, den Einfluss der Kirche zurückzudrängen, dass die deutsche Gesellschaft selbst begann, Religion in Frage zu stellen, in einer Bewegung, die Kume mit dem deutschen Wort Moral-Philosophie charakterisierte.

Unmittelbare Auswirkung hatte der Besuch vor allem auf die Verfassungsdiskussion zu Hause. Für die Übernahme der deutschen Hochschul-Ausbildung in der Medizin hatte man sich bereits vor der Reise entschieden, auf anderen Gebieten wirkte sich der deutsche Einfluss erst in den Jahren danach aus.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Abbildung aus dem verbreiteten Geographiebuch: Uchida Masao (Hrsg.): Yochi shiryaku, 1876. Der Qualitätssprung bei Kume ist offensichtlich.
  2. Zeitreise: Als Japan Schleswig-Holstein entdeckte
  3. Laut Auskunft des Kume-Museums Tokyo sind kaum Original-Unterlagen zu Kumes Buch erhalten.
  4. Das Bismarck-Foto und auch das Foto der japanischen Studenten finden sich in der unten angegebenen Schrift des Kasumi Kaikan (Club des japanischen Adels).
  5. Bismarck. Die gesammelten Werke, Band 8. Gespräche, S. 64–65.
  6. Staatsbürgerzeitung Nr. 1 vom 1. Januar 1902. Als Verfasser wird dort ein Han-Nama angegeben. Dabei dürfte es sich um das gut englisch sprechende Mitglied der Mission Hatakeyama Yoshinari handeln.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. An diesem Tage gründeten im fernen Tokio deutsche Gelehrte und Kaufleute, unterstützt von der Deutschen Botschaft, die Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens, kurz OAG. Diese Auslandsgesellschaft ist bis zum heutigen Tage aktiv.
  2. Abgebildet ist der Beginn des Berichts zur Erziehung in Deutschland, hier 蠋乙國 geschrieben.
  3. Zum weiteren Schicksal des Löwen siehe Flensburger Löwe.
  4. Von japanischer Seite wurde die fünfbändige Ausgabe geschickt an den Gesandten Karl von Eisendecher, an den vormaligen Gesandten Max von Brandt, an die Begleiter Oberst Charles von Wright, Oberstleutnant Johann Roerdansz in Berlin, an Hofrat Albert Kanski und an Krupp in Essen.
  5. Die USA und England erhielten je 20 Kapitel, Frankreich (in dem man sich deutlich länger aufhielt als in Deutschland) ebenfalls zehn, alle anderen Länder – auch die großen Mächte Österreich und Russland – weniger

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kume Kunitake: Bei-Ō kairan jikki (米歐回覧実記) Shuko shobo 1975 (Faksimile-Nachdruck der fünfbändigen Original-Ausgabe von 1878).
  • Riji kōtei (理事功程) 1875 (offizielle Berichte der jeweils fachlich zuständigen Delegationsmitglieder, National Archives of Japan, Tokyo).
  • Tanaka Akira (Hrsg.): Bei-Ō kairan jikki. Iwanami Bunko 1977–82 (5 Bände, Originaltext in modernisierter Schriftform, kommentiert).
  • Kido, Takayoshi (1983): The Diary of Kido Takayoshi (Sidney DeVere Brown and Akiko Hirota, Übersetzer), Vol. II (1871–1874). Tokyo: University of Tokyo Press.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Peter Pantzer (Übers. & Hrsg.): Die Iwakura-Mission. Iudicium-Verlag 2002. ISBN 3-89129-746-7 (Übersetzung der Kume-Texte bezüglich Deutschland, Österreich und die Schweiz, dazu ergänzendes Material).
  • The Iwakura Embassy 1871–73. Curzon-Press 2002. ISBN 0-7007-1712-9 (Gesamtübersetzung in 5 Bänden).
  • Germany, in: I. Nish (Hrsg.): The Iwakura Mission to America and Europe: A New Assessment. Routledge/Curzon, 1998. ISBN 1-873410-84-0.
  • Kasumi Kaikan (Hrsg.): Uchinaru kaikoku („Innere Öffnung des Landes“), 1993.
  • Baedeker’s Berlin u. Potsdam. Faksimile-Druck 1987 der Original-Ausgabe von 1878, ISBN 3-87954-105-1.