Jüdische Gemeinde Sušice

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Die ersten Berichte über die jüdische Bevölkerung (und Gemeinde) in Sušice (deutsch Schüttenhofen), Bezirk Okres Klatovy in der südwestböhmischen Region Plzeňský kraj, Tschechien, stammen aus dem 16. Jahrhundert. Ab dem 17. Jahrhundert nimmt derer Zahl zu, um 1860 ihren Höhepunkt mit 300 Personen zu erreichen. Sie lebten ghettoartig vor allem in der damaligen Judenstraße. Nachdem sie 1942 in Konzentrationslager deportiert wurden, kamen bei Kriegsende nur zehn Personen zurück, und die Gemeinde wurde nicht mehr erneuert.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die erste schriftliche Erwähnung eines jüdischen Einwohners in Sušice stammt von 1562, als in der sog. smolná kniha[Anm 1] zwei Juden namentlich auftauchen. Nur zwei Jahre später, 1564, findet sich im Buch der Mälzereizeche in Böhmen (kniha cechu sladovnickeho) ebenfalls ein Vermerk über einen jüdischen Bierbrauer.[1] Der erste Bericht über die zahlenmäßige Stärke der Juden in der Stadt stammen aus der Berní rula (deutsch Steuerrolle) von 1654 bis 1655, in der 14 männliche jüdische Einwohner erwähnt werden.[2][Anm 2]

Grundangaben über die jüdischen Einwohner wie Geburts- und Todesdatum sowie Heiraten wurde durch eine Verordnung erst im Februar 1827 eingeführt, die ab 1839 als jüdische Matriken geführt wurden. Die Anzahl der dauerhaft in der Gemeinde lebenden jüdischen Personen, der sogenannten "Familianten", die im Zuge der Raabisation zum Grund und Boden gekommen sind, wurde eingeschränkt. Gegen eine Gebühr standen sie unter dem Schutz der Gemeinde. Nach dem Revolutionsjahr 1848 (knapp 30 jüdische Bürger traten der Bürgerwehr bei) kam es zur Lockerung der strengen Vorschriften: Juden konnten stärker am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, leichter Handel betreiben, Häuser auch außerhalb des Ghettos kaufen und bauen. Zu ersten Konflikten kam es erst 1866 infolge antijüdischer Pogrome.[2][3]

Etwa 90 der in Sušice lebenden Juden wurden am 27. November 1942 abgeholt und nach Klatovy gebracht, dann mit dem Transport Ce am 30. November 1942 von Klatovy nach Theresienstadt und anschließend nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Die meisten wurden ermordet, nur zehn Person kehrten nach dem Kriegsende zurück. Die jüdische Gemeinde wurde nicht mehr erneuert.[4][5][6]

Entwicklung der jüdischen Bevölkerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im 16. Jahrhundert lebten in Sušice nur vereinzelte jüdische Familien. 1618 wurden in der Gemeinde überhaupt keine jüdischen Einwohner verzeichnet.[3] Die jüdische Bevölkerung in Sušice entwickelte sich danach wie folgt[1][2][3][7]:

1625 1 Familie
1654/55 14 Personen[Anm 3]
um 1700 10 Familien
1734 93 Personen in 15 Familien
1748 76 Personen
1791 14 Familien
1825 124 Personen in 26 Familien
um 1860 ca. 300 Personen ca. 7 Prozent der Gesamtbevölkerung
1890 171 Personen ca. 2 Prozent der Gesamtbevölkerung
1930 112 Personen ca. 1 Prozent der Gesamtbevölkerung

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Smolná kniha, lateinisch acta negra maleficorum, deutsch häufig als Achtbuch, Blutbuch, Urgichtenbuch usw. bekannt, ist historischer Name für ein Gerichtsbuch.
  2. Aus welcher konkreten historischen Quelle die Angabe "eine Familie" für 1625 stammt konnte nicht ermittelt werden.
  3. Entsprechend der Quelle mestosusice.cz/... handelt es sich hierbei lediglich um männliche Einwohner ohne Frauen und Kinder.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Kajetán Turek: Geschichte der Juden in Schüttenhofen / Dějiny Židů v kral. městě Sušici. In: Hugo Gold (Hrsg.): Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. Jüdischer Buch- und Kunstverlag, Brünn/Prag 1934, S. 587–593 (landesbibliothek.at; tschechisch).
  2. a b c Židovské hřbitovy střední Šumavy - Stručné dějiny židů v Sušici, Website der Stadt Sušice, online auf: mestosusice.cz/...
  3. a b c Jiří Fiedler: Židovské památky v Čechách a na Moravě, Stichwort Sušice, online auf: holocaust.cz/...
  4. Klaus-Dieter Alicke: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, 3 Bände, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2008, ISBN 978-3-579-08035-2, Stichwort Schüttenhofen (Böhmen), online auf: jüdische-gemeinden.de/...
  5. Židovské památky, Website der Stadt Sušice, online (archiviert) auf: susice-sumava.cz/...
  6. Deportovaní občané města Sušice, Verzeichnis der aus Sušice deportierten Juden (namentlich aufgeführt), in: Původ.cz, Portal für genealogische Studien, betrieben von Jana Sopóci, online auf: puvod.cz/... (Memento des Originals vom 2. September 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.puvod.cz; abgeglichen mit Transport Ce (30. 11. 1942 Klatovy -> Terezín), verzeichnis der mit dem Transport Ce am 30. November 1942 von Klatovy nach Theresienstadt deportierten Personen (insges. 619 Personen) mit Angaben zu einzelnen Personen (Wohnort vor der Deportation, Folgetransporte, Sterbeort), online auf: holocaust.cz/... (deutsche Version)
  7. Ingild Janda-Busl: Auf den Spuren jüdischen Lebens entlang der Böhmisch-Bayrischen Grenze im Bereich des Böhmerwaldes, Maschinenmanuskript, Bamberg 2003, S. 30 – 32; zit. nach Klaus-Dieter Alicke: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, 3 Bände, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2008, ISBN 978-3-579-08035-2, Stichwort Schüttenhofen (Böhmen), online auf: jüdische-gemeinden.de/...

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]