Jarqonbahn

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Jarqonbahn
Alter Bahnhof Petach Tiqwah von 1921
Alter Bahnhof Petach Tiqwah von 1921
Streckenlänge:15 km
Spurweite:1435 mm (Normalspur)
Stromsystem:25 kV, 50 Hz ~
Zweigleisigkeit:ja
0,0 Ostbahn von/nach ← Chaderah und → Lod
Rabah
Gleisdreieck des
Bahnknotens Rosch haʿAjin
2,0 Jarqon
Anschluss al-Mirr wohl seit 1941
Landstraße Jaffa–Nablus (hier Kvisch )
4,5 Petach Tiqwah Sgullah seit 2000
Schiloh
Verlauf der Stichbahn 1921
Petach Tiqwah Güterbhf. 1921–2000
6,6 Petach Tiqwah (Kopfbahnhof) 1922–1993
Danqal-Depot Qirjat Arjeh
9,3 Petach Tiqwah Qirjat Arjeh seit 2008
Rote Linie nach Bat Jam haQomemijjut
Anschluss Olivenholzfabrik ab 1958
Kvisch  (Autobahn)
11,9 Güterbahnhof Bnei Braq
12,3 Bnei Braq 1949–93; ab 2000 dieser Name
1949–93: Tel Aviv haZafon (d. h. Norden)
Feldbahn ← Jenkin’s Hill–Hafen Jaffa →
Jarqon
Bahnknoten Tel Baruch in Tel Aviv
            
Zufahrt zum Autokino
            
Kvisch  (Ajjalon-Autobahn)
            
15,0 Küstenbahn der Hauptlinie von/nach
Naharija und → Beʾer Scheva via Tel Aviv

Die Jarqonbahn (hebräisch מְסִלַּת הַיַּרְקוֹן Məsillat ha-Jarqōn, Plene: מסילת …; auch Jarḳonbahn) ist eine zweigleisige, elektrifizierte normalspurige Bahnstrecke im israelischen Zentralbezirk und jenem Tel Avivs, die etwa 15 Kilometer lang in Ost-West-Richtung in der Senke des Jarqons verläuft. Sie verbindet zwei Hauptstrecken des israelischen Bahnunternehmens Rakkevet Israel (RI), die Küstenbahn der Hauptlinie im Westen und die Ostbahn.

Verlauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Osten beginnt die Jarqonbahn in Rosch haʿAjin am Gleisdreieck des gleichnamigen Bahnknotens bei Tel Afeq mit der Ostbahn zwischen deren Bahnhöfen Rosch haʿAjin Zafon (d. h. Nord) und Rosch haʿAjin Darom (d. h. Süd). Sie verläuft dann westwärts durch die Senke des Jarqons, den sie zweimal mittels Brücken quert. Bis zur Regulierung des Wasserstandes kam es in der Regenzeit oft zu Überschwemmungen der Strecke.[1]:468

Auf der Strecke liegen die Bahnhöfe Petach Tiqwah Sgullah, Petach Tiqwah Qirjat Arjeh, Güterbahnhof Bnei Braq und der gleichnamige Personenbahnhof. Das Gleisdreieck des Bahnknotens Tel Baruch in Tel Aviv-Jaffa stellt die Verbindung zur Küstenbahn der Hauptlinie her, wenig nördlich von deren Bahnhof Tel Aviv Universitah. Mit der nördlich parallel verlaufenden Scharonbahn, ebenfalls Küsten- und Ostbahn verbindend, bildet über diese Verbindungen die Jarqonbahn die Ringbahn Lulʾat ha-Scharon (לוּלְאַת הַשָּׁרוֹן ‚Schleife der Scharon[ebene] ). Mit deren für 2022 erwarteten durchgehenden Befahrbarkeit werden die Zugverbindungen im Gusch Dan (Tel Avivs Ballungsraum) neu strukturiert werden.

Entstehung und Entwicklung der Strecke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Anfänge der Jarqonbahn gehen auf eine Stichstrecke der am 1. Oktober 1920 gegründeten Palestine Railways (PR) zurück, die von der Ostbahn nördlich Rosch haʿAjins abzweigt und westwärts nach Petach Tiqwah führt. Nach sechs Monaten Bauzeit 1920/1921 ging sie mit Verzug am 21. November 1921 in Betrieb[2] – die Baukosten beliefen sich jedoch entgegen den erwarteten 20 000 ägyptischen £ auf 53 000 £.

Die Jarqonbahn bediente expandierende Zitrusplantagen entlang der Landstraße Jaffa–Nablus (heute u. a. Kvisch und Kvisch ) im nordöstlichen Hinterland Tel Avivs. Apfelsinen müssen schnell und frisch zu den Schiffen transportiert werden, um sie exportieren zu können. Das war mit Kamelkarawanen auf sandigen Pisten schwer zu machen. Also setzten Zitruspflanzer schon unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg auf die Britischen Militärbahnen in Palästina (PMR, Palestine Military Railways), die im Zuge der siegreichen alliierten Offensive an der Palästinafront eine normalspurige Bahnverbindung mit Ägypten (Sinai-Bahn) neu erbaut, bestehende Bahnstrecken im Heiligen Land überwiegend auf Normalspur umgespurt und Netzlücken (Ostbahn bis zum Hafen Haifa) geschlossen hatten.

Die PMR wollten die Stichstrecke nicht allein anlegen, weshalb die Stadt Petach Tiqwah sich mit 50 % als Investor beteiligte. Zitruspflanzer gewannen Edmond de Rothschild, einen Kredit über 20 000 £ für das Projekt zu gewähren. Für den Betrieb forderten die PR von den Initiatoren der Strecke, für ein bestimmtes Ladungs- und Reisendenaufkommen (täglich mindestens 100 Nutzer) zu garantieren. Für die privat kofinanzierte Stichbahn (Kondominalbahn), die daher als auf englisch Petah Tiqva Railway von der PR getrennte Rechnung führte,[1]:49 verlangten deren Initiatoren, dass an Schabbat der Bahnverkehr ruhe, worauf die PR dies auch für sonntags festlegten. Diese gut 6,6 Kilometer lange Stichbahn war die einzige Strecke der PR, die aus ökonomischen Erwägungen angelegt wurde.[1]:48 Nach Abzug einer jährlichen Aufwandspauschale für den Betrieb von 840 Palästina-£ wurde der Gewinn zwischen den Eigentümern hälftig geteilt.[2]

Landkarte von 1945: Stichbahn (Mitte oben) im heute Gusch Dan genannten Ballungsraum um Tel Aviv mit umwegigen Bahnstrecken nach Jaffa

Die Bahn war sofort ein wirtschaftlicher Erfolg. Die Transportkosten für Orangen an die Küste sanken um mehr als die Hälfte. Auch im Reiseverkehr hatte die Strecke Erfolg, ersetzte der Zug doch eine vier- bis fünfstündige Fahrt im offenen Pferdewagen über unbefestigte Sandpisten. Die Fahrzeit mit der Bahn nach Jaffa und Tel Aviv dauerte insgesamt – wenn alles pünktlich ablief – etwa 90 Minuten. Direktverbindungen gab es nicht, die Reisende fuhren in ein oder zwei Personenwagen, die den Güterzügen nach Ras alʿAyn (heute: Rosch haʿAjin Darom [d. h. Süd]) mitgegeben und dort bis Lydda (Lod) an die Züge Haifaal-Qantara (Ostbahn und ihre südliche Ausgangsstrecke, die Sinai-Bahn) angehängt wurden. In Lydda mussten die Reisenden in Züge der J&J-Linie umsteigen, meist Richtung Jaffa und Tel Aviv, die wichtigsten Geschäftszentren des Landes, oder nach Jerusalem, die Hauptstadt.

Als allerdings 1928 die Landstraße von Jaffa nach Nablus asphaltiert wurde, bedeutete das sofort das Ende des Reiseverkehrs auf der umwegigen Strecke. Busse übernahmen nun die Aufgabe. Doch die PR stellten um und boten Kombifahrkarten ab Ras alʿAyn via Petach Tiqwah und von dort per Bus weiter nach Tel Aviv.[1]:73 Im Bürgerkrieg der Mandatszeit zwischen arabischen und jüdischen Palästinensern ab November 1947 (nach dem UNO-Beschluss 181 (II), Palästina zu teilen) kam es zu Stockungen im Betrieb auf der Stichbahn, da nichtjüdische arabische Bahnarbeiter, die bislang die Züge auf der Strecke führten, sich weigerten, dies weiterhin zu tun und jüdische Eisenbahner aus dem Bereich Tel Aviv kaum gewonnen werden konnten, dies statt ersterer zu übernehmen.[1]:240 Die Fracht ging dann teils per Lastwagen nach Chaderah, um von dort per Bahn den Hafen Haifa zu erreichen.[1]:244

Bahnbrücke in Tel Avivs Jarqonpark mit Flutlichtern des Ramat-Gan-Stadions, 2019

Schließlich erfüllten britische militärangehörige Eisenbahner die Aufgabe.[1]:466 Da wegen diverser Anschläge im Bürgerkrieg auf die J&J-Linie ab Januar 1948 der Bahnhof Jaffa und schließlich der alte Bahnhof Tel Aviv nicht mehr bedient werden konnten, leiteten die PR im Februar 1948 den Verkehr zwischen Tel Aviv im Süden, Jerusalem und dem Norden nach Petach Tiqwah um und weiter per Bus bzw. Lastwagen, wobei sich 400 beladene Güterwagen stauten.[1]:490 Im Ballungsraum Tel Aviv verknappten sich Lebensmittel und Brennstoffe entsprechend.[1]:498

Bis zum 15. Mai 1948 verließen alle britischen Militärangehörigen und Amtspersonen das Land, zuletzt über Haifa, wo der größte Teil der Fahrzeuge und der Ersatzteile nach und nach zusammengezogen wurden. Doch der Chief Operations Controller der PR, Moscheh Peikowitz (bald erster Generaldirektor der RI, Bruder Jigʾal Allons), und einige weitere zivile Kollegen hielten erfolgreich einen Teil des Materials in Petach Tiqwah zurück,[1]:670f bevor der Betrieb wegen Abzugs der Militäreisenbahner am 11. April 1948 eingestellt wurde.[1]:548 Entsprechend konnte das verbliebene einheimische Bahnpersonal, das die RI gründete, den Verkehr ab Juli 1948 in den militärisch gehaltenen und auf im Laufe des Krieges um Israels Unabhängigkeit, die am 14. Mai 1948 erklärt worden war, eingenommenen Bahnstrecken im zentralen Landesteil mit Fahrzeugen von Petach Tiqwah und Rechovot aus wieder in Gang bringen.[1]:681 Von Haifa aus lief der Bahnverkehr bereits ab Juni 1948 wieder bis Chaderah und Qirjat Motzkin.

Bahnhof Tel Aviv haZafon in Bnei Braq am Tag der Eröffnung, 1949

Die RI verlängerte die Stichbahn westwärts Richtung Tel Aviv und nahm sie am 20. September 1949 bis zum neuen Bahnhof Tel Aviv haZafon (Nordbahnhof) in Betrieb, der außerhalb der Grenzen dieser Stadt auf dem Gebiet des benachbarten Bnei Braqs liegt und seit 2000 nach ihm benannt ist. Von Petach Tiqwah bestanden Zugverbindungen nach Jerusalem.[3] Über die Ostbahn boten Züge regelmäßige Verbindungen nach Haifa. Da von der Jarqonbahn kein Gleis nordwärts zur Ostbahn führte, mussten Züge zunächst südwärts in die Ostbahn fahren und im nächsten Bahnhof (Rosch haʿAjin Darom [d. h. Süd]) die Richtung wechseln.

Bahnknoten Tel Baruch: Vorn unterquert ein Zug in der Südkurve zur Jarqonbahn die Nordspur des Ajjalon-Schnellwegs, mittig ein weiterer Zug in der Kurve, 2018

Als zwecks Entlastung der längeren Ostbahn von Haifa im Norden her die kürzere Küstenbahn 1953 den neuen Kopfbahnhof Tel Aviv Merkaz (Zentralbahnhof; 1954 eröffnet) im eigentlichen Stadtgebiet erreichte, wurde die Jarqonbahn und ihr Zugverkehr durch ein Gleisdreieck (Bahnknoten Tel Baruch) westwärts in beide Richtungen zur Küstenbahn durchgebunden, worüber die nördliche Ostbahn mit ihrem Richtungswechsel für den Reiseverkehr ab 1968 außer Gebrauch kam. Im nördlichen Abschnitt der Ostbahn zwischen Chaderah Mizrach (d. h. Ost) und Kfar Saba lag die Strecke still und wurde teils überbaut. Darauf fungierte die Jarqonbahn mit südlicher Ostbahn als einzige Verbindung und damit Hauptstrecke im vorherrschenden Nord-Süd-Verkehr der RI zwischen Küstenbahn und J&J-Linie, bis im Juli 1993 die direkte Verbindung (Ajjalon-Korridor) zwischen Tel Avivs Sackstationen, dem nördlichen Zentral- und dem Südbahnhof in Betrieb ging.

Güterbahnhof Bnei Braq, 2021

Ab 1993 zog der Reiseverkehr an der Jarqonbahn vorbei, doch mit ihrem wichtigen Güterbahnhof Bnei Braq verkehrten auf ihr die meisten Güterzüge. Die Güterzüge zwischen dem Hafen Haifa und dem südlichen Israel bedienen den Güterbahnhof Bnei Braq oder passieren ihn. Täglich verlässt zudem ein Müllzug mit Abfall aus dem Gusch Dan diesen Güterbahnhof in den Negev zu Einrichtungen der Müllverwertung und -deponie. Die Jarqonbahn ist Teil der Güterumgehungsbahn im Gusch Dan, um den Ajjalon-Korridor zu meiden, der ein fünf Kilometer langes Nadelöhr im Bahnnetz bildet, das drei Viertel aller Züge im Lande (v. a. Personenverkehr) passieren.

Ab 1999 wurden Bahnhöfe an der Jarqonbahn erneuert bzw. neu erbaut. Am 3. Juni 2000 wurde der Personenverkehr zwischen Tel Aviv und Rosch ha-ʿAjin Darom eröffnet.[4] Der Anschluss der Jarqonbahn zur Ostbahn wurde 2003 mit einem neuen Bogen nordwärts zu einem Gleisdreieck ausgebaut, worauf der Personenverkehr bis Kfar Saba auf der Scharonbahn verlängert wurde.[5] Der Bahnhof Petach Tiqwah Qirjat Arjeh, im Mai 2008 eröffnet,[6] erschließt neue Gewerbegebiete der Hightechindustrie und umliegende Wohnviertel.[7] Seit 2018 verkehren auf der Jarqonbahn Reise- und Nahverkehrszüge via Tel Aviv und Aschqelon, die mittlerweile im Norden bis Raʿanannah und im Süden bis Beʾer Scheva reichen. Seit 18. August 2023 besteht Übergang zur Roten Linie des Danqal-Stadtbahnsystems des Großraums Tel Aviv.[8]

November 2021: Jüngst elektrifizierter Bahnknoten Rosch haʿAjin mit einem Siemens Desiro HC in der Nordkurve über den Rabah.

Zwischen 2003 und 2012 wurde die gesamte Jarqonbahn zweigleisig ausgebaut. Im August 2020 begann die spanische Firma Sociedad Española de Montajes Industriales (SEMI) die Jarqonbahn mit Wechselspannung von 25 kV und einer Frequenz von 50 Hz zu elektrifizieren. Die Arbeiten wurden am 19. November 2021 abgeschlossen. Es verkehren Bombardier-Traxx-Lokomotiven vor Doppelstockwagen des gleichen Herstellers und Triebzüge des Typs Siemens Desiro HC mit doppelstöckigen Mittelwagen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g h i j k l Walter Rothschild, Arthur Kirby and the last years of Palestine Railways: 1945–1948, Berlin: Selbstverlag, 2009, zugl. King’s College Diss., 2007, Seitenzahl wie hinter der Fußnotenzahl angegeben.
  2. a b Walter Rothschild, Arthur Kirby and the last years of Palestine Railways: 1945–1948, Berlin: Selbstverlag, 2009, zugl. King’s College Diss., 2007, S. 57.
  3. רַכֶּבֶת נוֹסְעִים חַד־פַּעֲמִית מִפ"ת לִירוּשָׁלַיִם, in: דָּבָר, 27. April 1977; abgerufen am 31. Januar 2022.
  4. David Chajun (דָּוִד חָיוּן), מִמוֹצָ"שׁ: לוּחַ זְמַנִּים חָדָשׁ לָרַכֶּבֶת, תּוֹסֶפֶת רַכָּבוֹת וְקָו מֵרֹאשׁ-הָעַיִן לְת"א, auf: גְּלְוֹבְּס (Globes), 30. Mai 2000; abgerufen am 31. Januar 2022.
  5. Anat Györgyi (עֲנַת גֶ'ורְג'י), קַו הָרַכֶּבֶת לִכְפָר סָבָּא נִפְתָּח - אַךְ דַּרְכִּי הִגִּישָׁה לְתַחֲנָה הַחְדָּשָׁה עֲדַיִין לֹא נִסְלְלוּ, auf: הָאָרֶץ, den 11. April 2003; abgerufen am 31. Januar 2022.
  6. Avi Bar-Eli (אָבִי בַּר-אֵלִי), נֶחְנְכָה תַּחֲנַת רַכֶּבֶת בְּקִרְיַת אַרְיֵה בְּפ"ת auf: TheMarker, 4. Mai 2008; abgerufen am 31. Januar 2022.
  7. Guy Lieberman (גִּיא לִיבֶּּרְמָן), “‎הַפְּרִיצָה שֶׁל פֶּתַח תִּקְוָה: אוּכְלוּסִיַּית הָעִיר קָפְצָה בְּ-25% בְּעָשׂוֹר auf: TheMarker, 9. Juni 2009; abgerufen am 31. Januar 2022.
  8. NN, "‘We waited a long time for this’: Tel Aviv light rail sets off after years of delays", auf: The Times of Israel, 18. August 2023; abgerufen am 23. August 2023