Johannes Pinckert

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Johannes Pinckert (* 21. Dezember 1879 in Leipzig; † 1956) war ein deutscher Alttestamentler, Semitist und Gymnasiallehrer.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pinckert wurde 1879 als Sohn des Kaufmanns Gustav Pinckert in Leipzig geboren. Er besuchte bis 1890 die Bürgerschule und im Anschluss bis 1899 das Nikolaigymnasium,[1] welches von Otto Kaemmel geleitet wurde. Danach studierte er Evangelische Theologie und Semitische Sprachen bei Hermann Guthe, Heinrich Zimmern und August Fischer an der Universität Leipzig. 1904 legte er sein Erstes Theologisches Examen pro candidatura et licentia concionandi ab.[1] Von 1905 bis 1907 war er Mitglied des Predigerkollegiums zu St. Pauli in Leipzig. Im Jahr 1907 folgte das Zweite Theologische Examen. Zugleich wurde er beim Orientalisten Zimmern[2] mit der Dissertation Hymnen und Gebete an Nebo zum Dr. phil. promoviert.[3][4][5][6][7] Das Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie rezipierte später seine Nabus-Interpretationen „ohne den Graben und Kanal verschlossen bleiben“[8][9] und „Befehlsinhaber“.[10][11] Der Orientalist Jürgen Tubach unterstrich die Übersetzung „Bote der Wahrheit“.[12][13] Pinckert ging nach seinem Studium für einige Monate nach Gablonz in Österreich und wurde als evangelischer Vikar ausgebildet.[2]

Im Jahr 1909 wurde er Studienrat (später Oberstudienrat[14]) an der Thomasschule zu Leipzig[15] unter Emil Jungmann. Pinckert diente im Ersten Weltkrieg und wurde schwer verwundet.[16] Er wurde mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse, der Landwehrdienstauszeichnung 2. Klasse, der Silbernen Medaille für Rettung aus Lebensgefahr (Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz) und dem Ritterkreuz 2. Klasse des Sächsischen Albrechts-Ordens ausgezeichnet.[17] Zuletzt war er Oberleutnant der Landwehr.[17]

Pinckert war Mitglied der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft in Leipzig.[18] Ab 1922[19] wirkte er als leitender Bibliothekar des Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas,[20] der erstmals die deutschsprachige Palästinaforschung vereinte. Bereits vor dem Krieg arbeitete er an den umfangreichen ethnologischen und archäologischen Sammlungen des Vereins[16] (seit 1918 untergebracht im Indogermanischen Institut des Paulinums), die er als Nachfolger von Richard Hartmann verwaltete.[21] 1929 übergab er das Vorsteheramt an Martin Noth. Die Sammlung wurde 1943 zerstört.

Im Jahr 1928 hielt er die Ansprache zur Verfassungsfeier an der Thomasschule. In dieser setzte er sich kritisch mit der Weimarer Republik auseinander: „Ich habe, wie wohl alle Beamten, dann später den Eid auf die Verfassung abgelegt und werde ihn halten. Die Achtung vor ihr muß unter solchen Umständen unbedingt gewahrt bleiben. Aber zur Liebe lasse ich mich keinesfalls zwingen. Zu Freude und Begeisterung ist kein Grund vorhanden.“[22] Dafür wurde er vom Leipziger Stadtrat heftig attackiert. Der damalige Rektor Karl Tittel bemerkte, dass Pinckert: „zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Thomasschule gehört und seine Haltung stellvertretend für die gesamte Lehrerschaft steht.“[22] Er wurde Konrektor des Gymnasiums und vertrat formal ab 1939 als dienstältester Lehrer den zur Wehrmacht eingezogenen Rektor Alfred Jentzsch. Bereits zum 1. November 1932 (Mitgliedsnr. 1.377.117) war der NSDAP beigetreten.[23] Der deutsch-nationale[22] Lehrer gehörte der SA seit Herbst 1932 an.[24][25] 1943 entließ er seinen „halbjüdischen“ Kollegen Ernst Theodor Eichelbaum, der bisher von der Lehrerschaft gedeckt worden war, mit: „Hier kommen Sie nie wieder herein! Sie sind untragbar für die Schule.“[26] Seit dem 29. Mai 1945 übte Pinckert krankheitsbedingt sein Amt nicht mehr aus[27] und wurde am 31. Juli 1945 durch Kontrollratsbeschluss entlassen.[28]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hymnen und Gebete an Nebo (= Leipziger Semitistische Studien. Band 3, Heft 4). Hinrichs, Leipzig 1920 (zugleich Dissertation, Universität Leipzig 1907); Unveränderter Nachdruck Zentralantiquariat der DDR, Leipzig 1968.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Judith Krasselt, Hans-Jürgen Bersch: Die Thomasschule zu Leipzig zwischen Weimarer Republik und Nationalsozialismus (= Broschüren des Thomanerbund e.V., Band 2). Herausgegeben vom Thomanerbund e.V., Leipzig 2000.
  • Rebecca Ziegs: Die Thomasschule im Wandel der Zeit. Versuch einer Chronik zwischen 1945 und 1972 (= Broschüren des Thomanerbund e.V., Band 3). Herausgegeben vom Thomanerbund e.V., Leipzig 2010.
  • Corinna Wörner: Zwischen Anpassung und Resistenz. Der Thomanerchor Leipzig in zwei politischen Systemen (= Studien und Materialien zur Musikwissenschaft, Bd. 123). Georg Olms Verlag, Hildesheim, Baden-Baden 2023, ISBN 978-3-487-16232-4. (Abstract)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Johannes Pinckert: Hymnen und Gebete an Nebo, S. 33.
  2. a b Johannes Pinckert: Hymnen und Gebete an Nebo, S. 33.
  3. Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 62 (1968), S. XXXVI.
  4. Zeitschrift für Assyriologie und Vorderasiatische Archäologie 21 (1908), S. 274.
  5. Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft 46 (1928), S. 238.
  6. Der große Brockhaus, Band 8, Wiesbaden 1955, S. 308.
  7. Encyclopædia Britannica. A New Survey of Universal Knowledge, Band 16, London 1956, S. 180.
  8. Johannes Pinckert: Hymnen und Gebete an Nebo, S. 25.
  9. Michael P. Streck, Bruno Meissner (Hrsg.): Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie. Walter de Gruyter, Berlin 1993, Band 1, ISBN 3-11-004451-X, S. 419.
  10. Johannes Pinckert: Hymnen und Gebete an Nebo, S. 2.
  11. Michael P. Streck, Bruno Meissner (Hrsg.): Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie. Walter de Gruyter, Berlin 1993, Band 1, ISBN 3-11-004451-X, S. 419.
  12. Johannes Pinckert: Hymnen und Gebete an Nebo, S. 24–25.
  13. Jürgen Tubach: Im Schatten des Sonnengottes. Der Sonnenkult in Edessa, Harran und Hatra am Vorabend der christlichen Mission. Harrassowitz, Wiesbaden 1986, ISBN 3-447-02435-6, S. 381.
  14. Rebecca Ziegs: Die Thomasschule im Wandel der Zeit, S. 15.
  15. Richard Sachse, Karl Ramshorn, Reinhart Herz: Die Lehrer der Thomasschule zu Leipzig 1832–1912. Die Abiturienten der Thomasschule zu Leipzig 1845–1912. B. G. Teubner Verlag, Leipzig 1912, S. 11.
  16. a b Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 38 (1972), S. 165.
  17. a b Gottlieb Tesmer, Walther Müller: Ehrentafel der Thomasschule zu Leipzig. Die Lehrer und Abiturienten der Thomasschule zu Leipzig 1912–1932. Im Auftrag des Thomanerbundes, Selbstverlag, Leipzig 1934, S. 18.
  18. Mitteilungen der Vorderasiatischen Gesellschaft 17/18 (1912), S. 103.
  19. Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 51–52 (1972), S. 305.
  20. Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 56/57 (1972), S. 208.
  21. Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 43–45 (1972), S. 235.
  22. a b c Judith Krasselt, Hans-Jürgen Bersch: Die Thomasschule zu Leipzig zwischen Weimarer Republik und Nationalsozialismus, S. 38.
  23. Corinna Wörner: Zwischen Anpassung und Resistenz, S. 57.
  24. Corinna Wörner: Zwischen Anpassung und Resistenz, S. 57.
  25. Judith Krasselt, Hans-Jürgen Bersch: Die Thomasschule zu Leipzig zwischen Weimarer Republik und Nationalsozialismus, S. 88.
  26. Judith Krasselt, Hans-Jürgen Bersch: Die Thomasschule zu Leipzig zwischen Weimarer Republik und Nationalsozialismus, S. 43.
  27. Rebecca Ziegs: Die Thomasschule im Wandel der Zeit, S. 16.
  28. Rebecca Ziegs: Die Thomasschule im Wandel der Zeit, S. 40.