Kamāl al-Dīn al-Fārisī

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Kamal al-Din Hasan ibn Ali ibn Hasan al-Farisi[1][2][3] oder Abu Hasan Muhammad ibn Hasan (arabisch كمال‌الدين بن على بن حسن الفارسی, DMG Kamāl ad-Dīn bin ‘Alī bin Ḥasan al-Fārisī; geboren 1266 oder 1267 vermutlich in Täbris oder Isfahan[4], gestorben am 12. Januar 1319 in Täbris),[2][5] war ein persischer[6] Physiker und Mathematiker, der bedeutende Beiträge zur Optik und Zahlentheorie leistete. Al-Farisi war Schüler des Astronomen und Mathematikers Qutb ad-Din asch-Schirazi (1236–1311), der wiederum ein Schüler des Universalgelehrten Nasīr ad-Dīn at-Tūsī (1201–1274) war. Laut der Encyclopædia Iranica ist Kamāl al-Dīn al-Fārisī der bedeutendste persische Optiker aus der Blütezeit des Islam.[7]

Biografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abgesehen von seinen unsicheren Lebensdaten ist nur wenig über das Leben von Kamāl al-Dīn al-Fārisī bekannt. Der Autor Naini gibt an, dass er (gemäß seinem Namen) in der Provinz Fars geboren wurde.[8] Al-Farisi gelangte einige Zeit vor 1290 nach Täbris, um dort bei Qutb ad-Din asch-Schirazi zu studieren.[9] Zeit seines Lebens herrschten die mongolischen Ilchane über Persien, Täbris war die Hauptstadt dieses Reiches.[10]

Zahlentheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In seinem mathematischen Hauptwerk mit dem Titel Aṣās al-Qawāʿīd fī uṣūl al-fāwāʾīd („Fundamentale Prinzipien gesicherter Tatsachen“) entwickelte al-Fārisī die Zahlentheorie al-Chwarizmis aus dem 9. Jahrhundert so weiter, dass es die gesamten Erkenntnisse dieser Zeit auf diesem Gebiet vermittelte. Dieses Buch war in der Folgezeit insofern von Bedeutung, weil es den Theoretikern, aber auch ganz besonders Praktikern wie Baumeistern und Architekten ein Nachschlagewerk in die Hand gegeben hat, das die Berechnung ihrer Projekte wesentlich erleichterte. So gab al-Farisi darin einen Überblick wie die Disziplinen der Algebra, Arithmetik, Zahlentheorie und der Trigonometrie miteinander in Beziehung stehen und praktisch angewendet werden konnten.

Die Abhandlung Taḏkirat al-aḥbāb fi bayān al-taḥābb (Denkschrift für Interessierte an den Befreundeten Zahlen) widmete al-Fārisī den befreundeten Zahlen. Aufbauend auf dem von Thabit ibn Qurra gefundenen Satz gelang ihm die Entdeckung des Zahlenpaars für ungefähr 300 Jahre vor Pierre de Fermat.[11]

Optik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seite einer Handschrift des Buches Tanqih al-Manazir (Revision des Buchs der Optik)

Al-Farisis Forschungen auf dem Gebiet der Optik waren inspiriert von Abu Ali al-Hasan ibn al-Haithams Buch Kitāb al-Manāẓir (Schatz der Optik) in dem er aber vergebens nach Erklärungen zur Refraktion des Lichts suchte. Sein außergewöhnliches Talent, Fragen und Problemen auf den Grund zu gehen, mündeten letztendlich in sein zweites Hauptwerk: Tanqīḥ al-manāẓir li-dhawī al-abṣār wa-al-baṣāʼir (Revision des Buchs der Optik für die Sehenden und Wissenden), in dem erstmals befriedigende mathematische Erklärungen zum Phänomen des Regenbogens beschrieben wurden. Weiterhin wurden von al-Fārisī Erläuterungen zur Natur der Farben gegeben.

Dazu nutzte er eine Versuchsanordnung, die in ähnlicher Weise schon von Abu Sad al-Ala ibn Sahl (ca. 1000) und Ibn al-Haitam (ca. 1041) konzipiert worden war. Farisi stellte ein großes durchsichtiges Glas Wasser, das als großes Modell eines Regentropfens dienen sollte, in einen geschlossenen Kasten mit einem Loch (Camera obscura), durch das er kontrolliert einen Lichtstrahl hindurchleitete. Mit kleinen Positionsänderungen der Lichtquelle zeigten sich danach Reflexionen und Brechungen des Lichts auf dem Hintergrund des Kastens, womit er die Natur der Farben des Regenbogens eindrucksvoll bewiesen hat.

Damit wurden die Erkenntnisse ibn al-Haithams nicht nur bearbeitet, sondern substantiell erweitert.[12] Eine wahrscheinlich von al-Fārisī im Jahr 1309 selbst angefertigte Handschrift von Tanqih al-Manazir enthält vermutlich die älteste erhaltene anatomische Darstellung des menschlichen Auges.[10]

Die experimentellen Ergebnisse al-Farisis wurden Jahrhunderte später durch Descartes und Newton eindrucksvoll bestätigt.[13][14][15][16]

Erwähnenswert ist auch, dass al-Farisi lange vor Albert Einstein vermutete, dass die Lichtgeschwindigkeit begrenzt ist[5].

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die wissenschaftlichen Leistungen Kamāl al-Dīn al-Fārisīs wurden lange Zeit ausschließlich in der islamischen Welt wahrgenommen, dort war jedoch das Buch Tanqīḥ al-manāẓir über drei Jahrhunderte lang das Standardwerk über die Optik.[17] Kamāl al-Dīns Werke wurden im Verlauf der folgenden Jahrhunderte nicht in die lateinische Sprache übertragen. Kamāl al-Dīns Deutung der Entstehung des Regenbogens ähnelt derjenigen des Dominikanermönchs Dietrich von Freiberg (De iride et radialibus impressionibus), wobei beide Autoren ihre Erkenntnisse wohl mit sehr großer Wahrscheinlichkeit unabhängig voneinander gewonnen haben.[9]

Der im Iran geborene und später in die Bundesrepublik Deutschland emigrierte Dr. Alireza Djafari Naini behandelte im Rahmen seiner im Januar 1982 veröffentlichten Dissertation Geschichte der Zahlentheorie im Orient im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung persischer Mathematiker erstmals Kamāl al-Dīn's Denkschrift für Interessierte an den Befreundeten Zahlen im deutschen Sprachraum.[18]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mathematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Asas al-qawa'id fi usul al-fawa'id (Fundamentale Prinzipien gesicherter Tatsachen, arabisch أساس القواعد في أصول الفوائد)
  • Taḏkirat al-aḥbāb fi bayān al-taḥābb (Denkschrift für Interessierte an den Befreundeten Zahlen, arabisch تذكرة الأحباب في بيان التحابّ)[19]
  • Risālah fī al-zāwiyah (Eine Abhandlung über den Winkel, arabisch رسـالـة فـي الـزاويـة)

Optik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Tanqīḥ al-manāẓir li-dhawī al-abṣār wa-al-baṣāʼir (Revisions des Buchs der Optik für die Sehenden und Wissenden, arabisch تنقيح المناظر لذوى الأبصار والبصائر).
    • MS Istanbul, Topkapı Kütüphanesi, Ahmet III 3340 (copied at Nīšāpūr, 15 Šaʿbān 716/1316)
  • Al-Basa'ir fi 'ilm al-manazir (Lehrbuch über die Wissenschaft der Optik, arabisch البصائر في علم المناظر).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kamāl al-Dīn al-Fārisī – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • A. G. Agargün, C. R. Fletcher: al-Farisi and the Fundamental Theorem of Arithmetic. In: Historia Mathematica. 21, 1994, S. 162–173.
  • Nader El-Bizri: Grosseteste’s Meteorological Optics: Explications of the Phenomenon of the Rainbow after Ibn al-Haytham. In: J. Cunningham, M. Hocknull (Hrsg.): Robert Grosseteste and the Pursuit of Religious and Scientific Knowledge in the Middle Ages. Springer, Dordrecht 2016, S. 21–39.
  • Nader El-Bizri: Ibn al-Haytham et le problème de la couleur. In: Oriens-Occidens: Cahiers du centre d'histoire des sciences et des philosophies arabes et médiévales, C.N.R.S. 7, 2009, S. 201–226.
  • Oliver Leaman: The biographical encyclopedia of Islamic philosophy. Bloomsbury Academic, London 2015, ISBN 9781472569455
  • Moustafa Mawaldi (Hrsg.): Kamāl al-Din Abū al-Ḥasan al-Fārisī: Risālah fī al-zāwiyah, Mu’assasat al-Furqān lil-Turāth al-Islāmī, London 2014. ISBN 190512256X.
  • Moustafa Mawaldi: l’ Algèbre de Kamal al-Din al-Farisi. Université de la Sorbonne Nouvelle, Paris 1989.
  • M. Naẓīf: al-Ḥasan b. al-Hayṯam. 2 Bände. Kairo 1942–1943.
  • Alireza Djafari Naini: Geschichte der Zahlentheorie im Orient, im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung persischer Mathematiker. Verlag Klose & Co, Braunschweig 1982.
  • Roshdi Rashed: The Development of Arabic Mathematics: Between Arithmetic and Algebra. Springer, London 1994, ISBN 978-9401732758.
  • Roshdi Rashed: Nombres amiables, parties aliquotes et nombres figurés aux XIIIème et XIVème siècles. In: Archive for History of Exact Sciences. Band 28, 1983, S. 107–147.
  • Roshdi Rashed, Materials for the Study of the History of Amicable Numbers and Combinatorial Analysis (Arabic). In: J. Hist. Arabic Sci. 6, 1982, S. 278–209.
  • Roshdi Rashed: Le modèle de la sphère transparente et l’explication de l’arc-en-ciel: Ibn al-Haytham – al-Farisi. In: Revue d’histoire des sciences. Band 22, 1970, S. 109–140.
  • H. G. Topdemir: Kamal al-Dins Explanation of the Rainbow. In: Humanity & Social Sciences Journal. 2, 2007, S. 75–85.
  • Eilhard Wiedemann: Eine Zeichnung des Auges bei dem Bearbeiter der Optik von Ibn al Haitam Kamāl al-Dīn al-Fārisī. In: Zentralblatt für Augenheilkunde. Band 34, Juli 1910.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Saira Malik: Kamal al-Din Abu al-Hasan (or al-Hasan) al-Farisi. WaybackMachine, 6. April 2009, S. 2, abgerufen am 11. März 2020 (englisch).
  2. a b Library of the Madrasa Ali Shahid Mutahhari, Tehran: MS 554
  3. Tanqih al-Manazir, autograph manuscript, Adilnor Collection, Sweden.
  4. Encyclopaedia of Islam, THREE (abgerufen am 5. September 2020)
  5. a b Mustafa Mawaldi: Kamāl al-Dīn al-Fārisī, Lexikon der bedeutenden Naturwissenschaftler, 2007, Band 2; Elsevier GmbH, München; S. 286; ISBN 3-8274-1883-6
  6. Leaman: The biographical encyclopedia of Islamic philosophy, S. 188
  7. Elaheh Kheirandish: Optik, Artikel der Encyclopædia Iranica vom 30. Dezember 2010 (englisch, abgerufen am 5. September 2020)
  8. Naini: Geschichte der Zahlentheorie im Orient, S. 186
  9. a b Gül A. Russell: Kamāl al-Dīn al-Fārisī, Artikel der Encyclopædia Iranica vom 15. Dezember 1999 (englisch, abgerufen am 5. September 2020)
  10. a b Sothebys: Kamal al-Din al-Hasan ibn 'Ali ibn al-Hasan al-Farisi, Kitab tanqih al-manazir li dhawi al-absar wa’l-basair ('The Book of Correction of Optics for those who have Sight and Mind'), autograph copy (abgerufen am 5. September 2020)
  11. Naini: Geschichte der Zahlentheorie im Orient, S. 54
  12. Nader El-Bizri: Ibn al-Haytham et le problème de la couleur. In: Oriens-Occidens: Cahiers du centre d'histoire des sciences et des philosophies arabes et médiévales, C.N.R.S. 7, 2009, S. 201–226; siehe auch Nader El-Bizri: Grosseteste’s Meteorological Optics: Explications of the Phenomenon of the Rainbow after Ibn al-Haytham. In: J. Cunningham, M. Hocknull (Hrsg.): Robert Grosseteste and the Pursuit of Religious and Scientific Knowledge in the Middle Ages. Springer, Dordrecht 2016, S. 21–39.
  13. Nader El-Bizri: Ibn al-Haytham. In: Thomas F. Glick, Steven J. Livesey, Faith Wallis (Hrsg.): Medieval Science, Technology, and Medicine: An Encyclopedia. Routledge, New York/ London 2005, S. 237–240.
  14. Nader El-Bizri, "Optics", in Medieval Islamic Civilization: An Encyclopedia, ed. Josef W. Meri (New York – London: Routledge, 2005), Vol. II, pp. 578–580
  15. Nader El-Bizri, "Al-Farisi, Kamal al-Din," in The Biographical Encyclopaedia of Islamic Philosophy, ed. Oliver Leaman (London — New York: Thoemmes Continuum, 2006), Vol. I, pp. 131–135
  16. Nader El-Bizri, "Ibn al-Haytham, al-Hasan", in The Biographical Encyclopaedia of Islamic Philosophy, ed. Oliver Leaman (London — New York: Thoemmes Continuum, 2006), Vol. I, pp. 248–255.
  17. Kirchner E., Amirshahi S.H.: Al-Farisi, Kamal al-Din Hasan ibn Ali ibn Hasan. In: Luo R. (eds): Encyclopedia of Color Science and Technology. Springer, Berlin, Heidelberg. 2014 doi:10.1007/978-3-642-27851-8_331-1
  18. Naini: Geschichte der Zahlentheorie im Orient, S. 52ff
  19. Naini: Geschichte der Zahlentheorie im Orient, S. 52