Khuda Bakhsh

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Khuda Bakhsh, um 1880

Sir Khan Bahadur Khuda Bakhsh OIE[1] (Urdu خدا بخش خان, Hindi खुदाबक़्श), geb. 2. August 1842[2] im Dorf Ukhai bei Siwan im Distrikt von Chhapra/Bihar[3], gestorben 3. August 1908 in Patna/Bihar, war ein angloindischer muslimischer Jurist und Bücherliebhaber. Seine Sammlung von Manuskripten und Büchern bilden den Grundstock der nach ihm benannten Khuda Bakhsh Oriental Library in Patna/Bihar.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Familie, Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Khuda Bakhsh entstammte einer Familie von muslimischen Rechtsgelehrten, die schon den Mogulkaiser Aurangzeb (1618–1707) bei der Zusammenstellung seiner Gesetzessammlung „Fatawa-al-Alamgiri“ beraten hatte. Nach dem Besuch der High School (Oberschule) in Patna studierte er bis 1869 Jura an der University of Calcutta; nach dem Abschluss des Studiums nahm er in Patna eine erfolgreiche Tätigkeit als Rechtsanwalt auf. Aufgrund seiner Erfolge wurde er bald Public Prosecutor (Staatsanwalt).

Berufstätigkeit und Aufbau der Sammlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits von seinem Vater hatte Khuda Bakhsh die Leidenschaft für das Sammeln von seltenen arabischen und persischen Manuskripten geerbt; als der Vater 1876 schwer erkrankte und aufgrund einer Lähmung ans Bett gefesselt war, ließ er sich von seinem Sohn versprechen, die bis dahin gesammelten Bestände (etwa 1400 Handschriften, von denen er 300 selbst geerbt hatte)[4] zu pflegen, zu mehren und in eine fromme Stiftung islamischen Rechts (waqf) zu überführen.

Khuda Bakhsh kam dieser Aufgabe trotz der anfangs finanziell bedrängten Lage seiner Familie neben seiner juristischen Berufstätigkeit nach, wobei ihm bald der Ruf eines besessenen Manuskriptjägers vorauseilte, der sich, auch unter persönlichen Opfern, gegen internationale und lokale Konkurrenz, in der islamischen Welt von Andalusien über Marokko und Ägypten bis Indien, in den Besitz seltener Handschriften zu setzen wusste. Er warb den arabischen Handschriftenjäger Muhammad Makki – „that juwel of a book-hunter“[5] – aus Hyderabad ab, der nun gegen ein festes Gehalt (plus Kommission) die nächsten 18 Jahre den Nahen und Mittleren Osten nach interessanten Erwerbungen für Khuda Bakhsh absuchte.[6] Den einheimischen Handschriftenhändlern, die ihn aufsuchten, erstattete Khuda Bakhsh den doppelten Preis für ihre Bahntickets, auch wenn er nichts kaufte; dadurch gelang es ihm bald, stets als erster in Indien Neuerwerbungen angeboten zu bekommen.[7]

Zahlreiche Schenkungen seltener Handschriften gingen im Lauf der Zeit auf den wachsenden Ruf der Bibliothek zurück. In ihr vereinigten sich, wenigstens teilweise, die durch Kriegswirren mehrfach zerstreuten Handschriftenbestände der Höfe von Bijapur, Hyderabad, Lucknow/Oudh und Delhi, aber auch aus dem ehemals muslimischen al Andalus (Andalusien),[8] darunter Bände aus der 1236 im Zuge der Reconquista eroberten Stadt Córdoba.[9]

Stiftung der Oriental Public Library[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1891 wandelte Khuda Bakhsh die inzwischen auf 4000 Manuskripte angewachsene Sammlung, deren Wert offiziell auf über Rs. 250.000 (₤ 16.666) geschätzt wurde, in eine öffentliche Stiftung um und stiftete zugleich das dazugehörige Bibliotheksgebäude (Wert: Rs. 80.000) sowie die europäischen Buchbestände (Wert: ca. Rs. 100.000)[10]. Die Stiftung wurde im gleichen Jahr durch den Vizegouverneur von Bengalen und Bihar, Charles Alfred Elliott, unter dem Namen „Oriental Public Library“ offiziell eingeweiht. Gleichzeitig erhielt Khuda Bakhsh den Ehrentitel Khan Bahadur.

Öffentliche Tätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1877 wurde Khuda Bakhsh aufgrund seines Ansehens zum ersten Vizepräsident des von Lord Ripon neu eingerichteten Selbstverwaltungsgremiums, der Patna Municipality und des Patna District Board. 1891 erhielt er den Titel „Khan Bahadur“. 1894 erreichte er den Gipfel seiner Karriere, als man an als Chief Justice (Vorsitzenden Richter) an den High Court (Obergericht) von Hyderabad/Dekkan berief. Seit seiner Pensionierung im Jahr 1898 lebte er wieder in Patna.

1903 wurde er für seinen Beitrag auf dem Gebiet der Bildung und Literatur mit dem Titel „CIB“ geehrt. Anlässlich seines Besuches in Patna im Jahr 1903 ordnete der damalige Vizekönig, Lord Curzon, einen Bibliotheksneubau an, ferner die Pflege und weitere katalogmäßige Erschließung der Bestände durch den Persischprofessor, Orientalisten und Leiter des Madrasa Muslim College in Calcutta[11], Edward Denison Ross (1871–1940)[12]. Im gleichen Jahr erhielt Khuda Bakhsh in Anerkennung seiner Verdienste den britischen Orden Companion of the Order of the Indian Empire (C.I.E.).

Erkrankung und Tod[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Khuda Bakhsh litt gegen Lebensende an Lähmungserscheinungen und geistigem Verfall, die ihm keine weitere Berufstätigkeit mehr erlaubten; die Stiftung hatte ihn seine gesamten Ersparnisse gekostet, so dass die Regierung von Bengalen für seine medizinische Versorgung aufkam[13], nach seinem Tod auch für die Schulden in Höhe von Rs. 6.000[14].

Sein Grab befindet sich auf dem Gelände der Bibliothek, die er gegründet hatte.

Khuda Bakhsh hatte vier Söhne, von denen zwei die literarischen und juristischen Interessen des Vaters teilten.[15]

Die Khuda Bakhsh Oriental Library in Patna[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Khuda Baksh Oriental Library

Die drohende Auflösung oder Verlegung der Bibliothek anlässlich der Teilung des Landes im Jahr 1947 konnte verhindert werden. 1969 wurde die Bibliothek durch den 'Khuda Bakhsh Oriental Public Library Act' als nationales Kulturgut vom Staat übernommen. Sie hat den Status einer Nationalbibliothek und fungiert als selbständige Organisation unter Aufsicht des Ministeriums für Kultur der indischen Regierung, mit dem Gouverneur von Bihar als Vorsitzendem.[16]

Heute birgt die Bibliothek außer ihren umfangreichen englisch- und anderssprachigen Buchbeständen (284 Tsd. gedruckte Bücher)[17], mogulzeitlichen Gemälden, Zeichnungen und Kalligraphien 21.136 zum Teil einmalige Handschriften in arabischer, persischer, Urdu-, türkischer und Paschto-Sprache, u. a. das Timur Nama, Firdausis Shah Nama, Shahansha Nama, Padishah Nama, den Diwan des Hafis aus dem Besitz des Kaisers Jahangir, teilweise mit den Autographen der Mogulherrscher.

Die Bibliothek leidet derzeit unter Führungs- und Personalproblemen[18]. Mangelnde Kenntnisse des Arabischen und Persischen haben von Anbeginn an die Nutzung der Bestände eingeschränkt[19]. Ob der moderne Bibliotheksanbau – 2014 stand bereits der Rohbau – inzwischen fertiggestellt ist, geht aus der Bibliothekswebseite nicht hervor.[20]

Zitate[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • „Er war der indische Bodley“; Sarkar 1917
  • "Man nannte ihn zu Recht Khuda Bakhsh – 'Gottes Geschenk'; Sarkar 1917

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sh.[eikh] Innayatullah: Khuda Bakhsh. In: Encyclopedia of Islam (EI), Bd. 5 (1986), S. 43 f.
  • Salah-ud-Din Khuda Bakhsh: My father, his life and reminiscences. Calcutta 1909. – Neudruck Patna: Khuda Bakhsh Oriental Public Library 1991
  • Vincent C.[larence] Scott O’Connor [1869–1945]: An Eastern library. An introduction to the Khuda Bakhsh Oriental Public Library. 2. rev. and enl. ed., 3. impr. 92 S. – Patna : Khuda Bakhsh Oriental Public Library 1985. – Erstauflage Glasgow : Glasgow University Press 1920.
  • Jadunath Sarkar: Khuda Bakhsh, the Indian Bodley. In: Ders.: Anecdotes of Aurangzib and Historical Essays. Translated into English with Notes. Calcutta : Sarkar 1917. S. 227–242

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Seite der Khuda Bakhsh Library zu ihrem Gründer
  2. Das Geburtsdatum 1824 in EI Bd. 5 (1986) ist ein Druckfehler
  3. Geburtsort nach den Angaben der Website der Khuda Bakhsh Oriental Library; nach anderen Angaben war der Geburtsort Chhapra selbst (EI Bd. 5 (1986), S. 43 und Sarkar, Khuda Bakhsh, S. 227)
  4. Sarkar S. 227
  5. Sarkar S. 238
  6. Sarkar, S. 240
  7. Sarkar S. 238
  8. Sarkar, S. 235 und 241
  9. Martin und Thomas Berkemeier: Indien. Der Norden mit Mumbai und Goa. Bielefeld : ReiseKnowHow 2013. S. 426
  10. Zahlen nach Sarkar S. 227
  11. Auch Mohammedan College genannt, seit 2008 die Aliah University, Kolkata
  12. "Als man mich [1904] einlud, mir die berühmte Khuda Bakhsh Library in Bankipur [im Zentrum von Patna] anzusehen, machte ich mich so bald wie möglich dorthin auf und war überwältigt von ihrem Reichtum an Handschriften, sowohl in Arabisch als auch in Persisch. Damals lebte ihr Gründer noch, und ich saugte mit Freuden seine bewundernswerte Bildung in mich auf. Er kannte jedes einzelne Buch seiner gewaltigen Sammlung. Das Bibliotheksgebäude – an sich vollkommen angemessen – war von einer basti [einer Siedlung] umgeben und damit ständiger Feuergefahr ausgesetzt. Der gelehrte Gründer hatte zwar eine Handliste der wichtigsten Bände angefertigt, aber es gab keinen Katalog. Es schien mir dringend nötig, zunächst das umgebende Land aufzukaufen, um so einen Freiraum rund um die Bibliothek zu schaffen, und dann einen Katalog dieser großen Sammlung zu erstellen. - Ich schrieb umgehend an den Vizekönig, berichtete ihm von der Bibliothek und was meiner Meinung nach getan werden sollte. Wenig später wurde veranlasst, dass das umgebende Gebiet von der Regierung aufgekauft und ein vollständiger Katalog erstellt wurde. Meine nächste Aufgabe bestand darin, einen oder zwei junge Muslime in der Fertigkeit der Katalogisierung nach den Maßgaben der modernen Wissenschaft auszubilden. Ich tat das in der Madrasah selbst, wo es einige unkatalogisierte Manuskripte gab, die – bis auf die Geschichte Gujarats – von keinem besonderen Wert waren. Die Leute erwiesen sich als gelehrige Schüler und gingen sechs Monate später nach Bankipur, um den großen Katalog in Angriff zu nehmen. Er nähert sich heute [um 1940] der Vollendung. Es werden wohl insgesamt mehr oder weniger etwa 25 Bände; daraus kann man auf den Umfang der Sammlung schließen und wieviel Bände Khuda Bakhsh selbst studiert hatte. - Ich glaube, dass der Katalog von Bankipur das bleibende Zeugnis ist, das ich in Indien hinterlassen habe, und das ist – ebenso wie der Schutz der Bibliothek vor der Feuersgefahr – dem verständnisvollen Entgegenkommen von Lord Curzon zu verdanken, wie in allen solchen Angelegenheiten. - Die Katalogbearbeiter waren Abdul Muqtadir, dem die Orientalisten alle Bände verdanken, in denen die persischen Manuskripte beschrieben sind; Azim-ud-Din, Hajji Mui'uddin Nadwi, Hedayat Husain (Sohn von Vilayat Husayn) und Abdul Hamid, die sämtliche arabischen Handschriften bearbeiteten. Ihnen standen einige Engländer zur Seite, vor allem nach meiner Abreise aus Indien, die ihnen beim Lesen der Bände – ein Handschrift nach der anderen, und auch in anderer Hinsicht - behilflich waren. Zu ihnen zählten A. F. Scholfield, der verstorbene Eric Arthur Horne und J. A. Chapman. Vor allem der letztere war mehrere Jahre lang im Auftrag der Regierung für den Katalog verantwortlich. - Als die Bände verteilt wurden, trafen Schreiben mit Interessebekundungen der Wissenschaftler aus Europa ein, u.a. von Brockelmann und Goldziher." - Aus Edward Denison Ross’ Autobiographie Both ends of the Candle, postum 1943, S. 103–104; aus dem Englischen.
  13. Webseite der Bibliothek
  14. Innayatullah, EI; Sarkar S. 231 f.
  15. Sarkar, S. 229 f.
  16. Offizielle Bibliothekswebsite
  17. Annual Report 2015-2016
  18. The Times of India v. 3.8.2017
  19. Sarkar S. 233 f.
  20. Offizielle Bibliothekswebsite