Kifri

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Kifri
Lage
Kifri (Irak)
Kifri (Irak)
Kifri
Koordinaten 34° 41′ N, 44° 58′ OKoordinaten: 34° 41′ N, 44° 58′ O
Staat Irak Irak
Gouvernement Diyala
Basisdaten
Höhe 282 m
Einwohner 32.870 (2014[1])
Vorwahl 53 (Stadt), 964 (Land)

Kifri (arabisch کفري, DMG Kifrī, kurdisch کفری, türkisch Kifri) ist die zentrale Stadt des Distrikts Kifri im irakischen Gouvernement Diyala. Die Stadt hat eine kurdische Mehrheit und eine turkmenische und arabische Minderheit.[2][3] Sie wird von der Autonomen Region Kurdistan verwaltet, bleibt aber ein umstrittenes Gebiet zwischen den Kurden und der Zentralregierung in Bagdad.[4][5]

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Stadt liegt an einem Zufluss des Tigris', der die Stadt in zwei Hälften teilt. Neben der heutigen Stadt gibt es Eski Kifri (was im irakisch-turkmenischen Dialekt „Altes Kifri“ bedeutet), welches eine große und weitläufige Stätte etwa acht Kilometer südwestlich ist.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schon in den 1820er Jahren war bekannt, dass es in Kifri Erdöl gab.[6] James Buckingham besuchte die Stadt in jener Zeit. Er beschrieb die Stadt als sauber und mittelgroß und schätzte ihre Einwohnerzahl auf 3000. Buckingham beschrieb auch, dass die Stadt Basare mit ausgezeichnetem Obst, insbesondere Melonen und Trauben, hatte. Kifri besaß eine Garküche und ein Kaffeehaus.[7]

Kifri war jahrhundertelang Teil des Osmanischen Reiches, wo es auch unter dem Namen Salahiye ein Kaza (Gerichtsbezirk) des Vilâyets Mossul war,[8] bis das Vereinigte Königreich die Stadt im April 1918 während des Mesopotamienfeldzugs eroberte. Anfangs hatten die Briten noch Schwierigkeiten, Mesopotamien zu kontrollieren, was sich in dem schiitisch dominierten Irakaufstand von 1920 und den Revolten von Mahmud Barzandschi, dem sich Kifri aber nicht anschloss, bemerkbar machte.

Während des Britischen Mandats wurde die turkmenische Sprache aufgrund der bedeutenden turkmenischen Bevölkerung eine Amtssprache der Stadt gemäß Artikel 5 des Sprachengesetzes von 1930.[9]

Britischen Daten zufolge machten Kurden 1924 bzw. 1931 67 % bzw. 60 % der Bevölkerung der Stadt aus, während die restliche Bevölkerung Araber und Turkmenen waren.[3] Die Stadt wurde jedoch nicht in die britisch-irakische „Local Languages Law“-Initiative von 1931 aufgenommen, die Kurdisch zu einer Amtssprache in der Stadt gemacht hätte.[10] Bei der irakischen Volkszählung von 1947 waren 70 % der Bevölkerung Kurden.[11]

Irakisch-kurdischer Konflikt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während es zuvor Teil des Gouvernements Kirkuk war, wurde es 1976 im Rahmen der Arabisierungsbemühungen des Irak dem Gouvernement Diyala angegliedert.[2] Die Stadt wurde während des Aufstand im März 1991 schnell von kurdischen Rebellen (Peschmerga) eingenommen.[12] Im Oktober 1991 kam es zu schweren Kämpfen zwischen irakischen Streitkräften und der Peschmerga, nachdem erstere begonnen hatten, die Stadt wahllos zu beschießen, was etwa 1.000 Kurden dazu veranlasste, nach Sulaimaniyya zu fliehen.[13][14] Die irakischen Streitkräfte scheiterten letztendlich bei der Rückeroberung der Stadt[14] und Kifri sollte bei der Gründung im Mai 1992 in die autonome Region Kurdistan aufgenommen werden, obwohl es Teil des Gouvernements Diyala ist.[2] Die Stadt erlebte außerdem im Dezember 1993 tödliche Zusammenstöße zwischen der Patriotischen Union Kurdistans und der Islamischen Bewegung Kurdistans, die sich schnell auf andere Städte in der Region ausbreiteten. Allein am 28. Dezember wurden 18 IBK-Mitglieder getötet.[14]

Obwohl sie der südlichste Punkt der autonomen Region war, blieb die Stadt über ein Jahrzehnt lang ruhig, bis im April 2003 das US-Militär während der US-geführten Invasion im Irakkrieg die Außenbezirke der Stadt beschoss und die irakische Armee zwang, sich nach Süden zurückzuziehen.[15] Im April 2005 wurde in der Stadt ein Massengrab aus der Anfal-Operation entdeckt.[16] Im September 2005 forderten Einwohner von Kifri, wieder in das Gouvernement Kirkuk eingegliedert zu werden, um die Arabisierungspolitik von 1976 rückgängig zu machen.[17]

Im Juli 2020 einigten sich kurdische und irakische Streitkräfte darauf, das Gebiet südlich der Stadt Kifri trotz wiederkehrender Spannungen gemeinsam zu regieren.[4][5]

Jüdische Gemeinschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis zum Exodus nach Israel in den 1950er Jahren existierte in Kifri jahrzehntelang eine jüdische Gemeinde. Während die jüdische Bevölkerung in Kifri 1826 nur sechs Personen betrug, wuchs sie 1845 auf 15 Haushalte mit einer Synagoge in der Stadt an. Die Zahl der Juden betrug 1859 30 Haushalte und 1884 50 Personen. Die jüdische Bevölkerung wuchs bis zur Jahrhundertwende stetig auf 300 Personen im Jahr 1906, 540 im Jahr 1924 und 722 im Jahr 1931.[3][18]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Demographic Survey - Kurdistan Region of Iraq. In: UNFPA. 2018, S. 78 (reliefweb.int [PDF; abgerufen am 18. Oktober 2020]).
  2. a b c Quit Lawrence: Invisible Nation: How the Kurds' Quest for Statehood Is Shaping Iraq and the Middle East. Bloomsbury Publishing, 2009, S. 265.
  3. a b c Fuat Dundar: British Use of Statistics in the Iraqi Kurdish Question (1919–1932). 2012, S. 44 (brandeis.edu [PDF; abgerufen am 12. November 2019]).
  4. a b Kurdish farmers accuse Iraqi army of cutting them off from fields near Kifri. In: Rûdaw. 11. Oktober 2020 (rudaw.net [abgerufen am 18. Oktober 2020]).
  5. a b 'Uncoordinated' Iraqi troop deployment near Kurdistan Region border angers Peshmerga officials. In: Rûdaw. 16. Juli 2020 (rudaw.net [abgerufen am 18. Oktober 2020]).
  6. Iraq Today. Band 104-127, 1980, S. 25.
  7. James Silk Buckingham: Travels In Mesopotamia. 1827, S. 347–353.
  8. Mosul in the Ottoman Vilâyet Salnâmes. In: ORSAM. 2012, ISBN 978-6-05533094-1, S. 32 (org.tr [PDF]).
  9. Bawar Bammarny: Constitutionalism, Human Rights, and Islam After the Arab Spring. Hrsg.: Rainer Grote & Tilmann J. Röder. Oxford University Press, 2016, ISBN 978-0-19-062764-5, The Legal Status of the Kurds in Iraq and Syria, S. 482.
  10. Fuat Dundar: British Use of Statistics in the Iraqi Kurdish Question (1919–1932). 2012, S. 42 (brandeis.edu [PDF; abgerufen am 12. November 2019]).
  11. C. J. Edmonds: Kurds, Turks and Arabs, Politics, Travel and Research in North-Eastern Iraq, 1919-1925. Oxford University Press, 1957, S. 438 (google.com [abgerufen am 17. November 2019]).
  12. Dennis P. Chapman: Security forces of the Kurdistan Regional Government. In: United States Army War College. 2009, S. 19 (dtic.mil [PDF]).
  13. Rebel Kurds kill 60 unarmed Iraqis. In: New York Times. 8. Oktober 1991 (nytimes.com [abgerufen am 18. Oktober 2020]).
  14. a b c Iraq - Human rights abuses in Iraqi Kurdistan since 1991. In: Amnesty International. 1995, S. 8 (amnesty.org [PDF; abgerufen am 18. Oktober 2020]).
  15. Karl Vick: Town Shelled After 12 Years On the Edge. In: Washington Post. 3. April 2003 (washingtonpost.com [abgerufen am 18. Oktober 2020]).
  16. Bulletin N. 241 - April 2005. In: Kurdisches Institut in Paris. 2005 (institutkurde.org [abgerufen am 19. Oktober 2020]).
  17. Iraq: Kurdish districts demand return to Kirkuk. 13. September 2005 (reliefweb.int [abgerufen am 19. Oktober 2020]).
  18. The Jewish Community of Kifri-Salhiya. In: Museum of the Jewish People at Beit Hatfutsot. (org.il [abgerufen am 19. Oktober 2020]).