Kjærlighetskarusellen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Kjærlighetskarusellen (2011)

Unter dem volkstümlichen Namen Kjærlighetskarusellen (‚Liebeskarussell‘) ist ein öffentliches Pissoir in der norwegischen Hauptstadt Oslo bekannt. Es wurde 1937 im Stensparken, einem Park im Stadtteil St. Hanshaugen und im Stadtviertel Fagerborg, nach funktionalistischen Prinzipien errichtet. Zu der Zeit, als Homosexualität unter Männern in Norwegen noch illegal war, galt das Pissoir als Treffpunkt von Homosexuellen. Seine Bekanntheit als Klappe, in Verbindung mit der runden Form, führte zu seiner volkstümlichen Bezeichnung. Weitere Spitznamen waren unter anderem Lykkehjulet (‚Glücksrad‘), Den runde tønne (‚Rundes Fass‘), Soppen (‚Pilz‘) und Paraplyen (‚Regenschirm‘). 2009 wurde es wegen seiner Bedeutung für die norwegische Sanitärgeschichte unter Denkmalschutz gestellt.[1][2] Die amtliche Bezeichnung des Bauwerks in der Denkmalliste lautet Pissoaret i Stensparken (‚Pissoir im Stenspark‘).[3]

Konstruktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kjærlighetskarusellen im Februar 2009 (im Hintergrund die Fagerborg kirke)

Das Pissoir wurde 1937 nach Plänen des Osloer Stadtbaumeisters Harald Aars (1875–1945) errichtet.[2] Drei hauptsächliche Ziele bedingten die Gestaltung des Bauwerks: Es sollte Schutz gegen Regen bieten, seine offene Form sollte eine ausreichende Frischluftzufuhr gewährleisten und der Entstehung übler Gerüche vorbeugen, Benutzer sollten vor den Blicken der Öffentlichkeit geschützt sein. Darüber hinaus sollte es sich auch ästhetisch in die Umgebung des Parks einfügen. Die runde Form ist typisch für den Stil der funktionalistischen Architektur.[1]

Treffpunkt für Homosexuelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis April 1972 konnten homosexuelle Handlungen zwischen Männern in Norwegen mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden.[4] Daher mussten Kontaktaufnahmen diskret erfolgen. Mehrere öffentliche Pissoirs in Oslo wurden zu Treffpunkten homosexueller Männer und erhielten diesbezüglich humorige Spitznamen wie Bel Amis im Stadtteil Sagene und Klagemuren (‚Klagemauer‘) bei der Deichmanske bibliotek.[5] Von diesen Bedürfnisanstalten ist nur noch das Kjærlighetskarusellen erhalten.[2] Kjærlighetskarusellen ist auch der Titel einer 2004 gedruckten Studie von Hans Wiggo Kristiansen über die Situation homosexueller norwegischer Männer vor den gesetzlichen Liberalisierungen.

Denkmalschutz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Jahr 2009 wurde in Norwegen als Kulturminneåret (‚Jahr des Kulturerbes‘) begangen. In diesem Zusammenhang erfolgte auch die Aufnahme des Kjærlighetskarusellen in die Denkmalliste. Die Denkmalschutzbehörde Riksantikvaren leitete im Oktober 2008 das Verfahren ein, das letztlich zum Schutz des Bauwerks führte. Leif Pareli, Kurator am Norsk Folkemuseum, trieb die Entscheidung voran, Bezug nehmend auf die „einfache und gute funktionelle Form“ des Bauwerks sowie auf seine Bedeutung als „bekannter Treffpunkt für Homosexuelle und daher ein Zeugnis alter homosexueller Geschichte, aus einer Zeit, da solche Treffpunkte als Dorn im Auge der bestehenden Verhältnisse galten […].“[6]

Am 30. April 2009 fand anlässlich der Erklärung des Bauwerks zum geschützten Objekt eine Feierstunde im Stensparken statt. Anwesend waren unter anderem der norwegische Umweltminister Erik Solheim und der Osloer Bürgermeister Fabian Stang. Nils Marstein, Direktor der norwegischen Denkmalschutzbehörde, sagte in seiner Rede, der Zweck des Denkmalschutzes für das Pissoir sei „die Erhaltung eines bedeutenden Beispiels der Sanitärgeschichte in Bezug darauf, wie die Stadt für alltägliche Bedürfnisse vorsorgte […].“[7] Laut der Behörde Riksantikvaren entstanden die ersten Pissoirs in Oslo gegen Ende des 19. Jahrhunderts, „zu einer Zeit, als viele ihr Geschäft fast überall auf den Straßen und Gassen verrichteten.“[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hans Wiggo Kristiansen: Kjærlighetskarusellen. Eldre homoseksuelle menns livsfortellinger og livsløp i Norge. Sosialantropologiske Institutt, Universitetet i Oslo, Oslo 2004, ISBN 82-7720-006-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Pissoaret i Stensparken fredet, auf riksantikvaren.no, abgerufen am 18. März 2013.
  2. a b c Hans Wiggo Kristiansen: Uke 25: Kjærlighetskarusellen i Stensparken (Memento des Originals vom 26. Juni 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kulturminneaaret2009.no, auf kulturminneaaret2009.no, abgerufen am 18. März 2013.
  3. Pissoaret i Stensparken (Memento des Originals vom 2. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kulturminnesok.no in der Riksantikvaren-Denkmaldatenbank, abgerufen am 18. März 2013.
  4. Reidar Engesbak: Lovlig i 40 år (Memento des Originals vom 30. April 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.blikk.no, in: Blikk vom 23. April 2012 online, abgerufen am 18. März 2013.
  5. Lars-Ludvig Røed: Da homofile måtte skjule seg, in: Aftenposten vom 9. September 2008, abgerufen am 18. März 2013.
  6. Sidsel Valum: Kjærlighetskarusellen fredes (Memento des Originals vom 2. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.blikk.no, in: Blikk vom 3. Dezember 2008 online, abgerufen am 18. März 2013: „enkel og god funkisform“, „kjent møtested for homofile og er derfor et spor fra gammel homohistorie, fra ei tid da møtesteder som dette ble betraktet som en torn i øyet av det bestående […]“
  7. Pissoaret i Stensparken fredet, auf riksantikvaren.no, abgerufen am 18. März 2013: „å ta vare på et sanitærhistorisk viktig eksempel på hvordan storbyen tilrettela for trivielle behov […].“
  8. Pissoaret i Stensparken fredet, auf riksantikvaren.no, abgerufen am 18. März 2013: „i en tid da mange gjorde sitt fornødne nærmest hvor som helst i gater og streder.“

Koordinaten: 59° 55′ 36,1″ N, 10° 43′ 46,8″ O