Kleiner Hantelnebel

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Planetarischer Nebel
Messier 76 / Kleiner Hantelnebel
Aufnahme mit dem Hubble-Weltraumteleskop.
Aufnahme mit dem Hubble-Weltraumteleskop.
AladinLite
Sternbild Perseus
Position
Äquinoktium: J2000.0
Rektaszension 01h 42m 19,7s [1]
Deklination +51° 34′ 32″[1]
Erscheinungsbild
Scheinbare Helligkeit (visuell) 10,1 mag [2]
Scheinbare Helligkeit (B-Band) 12,2 mag [2]
Winkelausdehnung 2.7´ x 1,8´ [2]
Zentralstern
Bezeichnung WD 0139+513 [3]
Scheinbare Helligkeit 17,7 mag [3]
Spektralklasse DOZ.4 
Physikalische Daten
Rotverschiebung -64e-6 [3]
Radialgeschwindigkeit −19,1 km/s [3]
Entfernung 1359 + 197−169 pc [4]
Alter ~ 8.000 Jahre
Geschichte
Entdeckung Pierre Méchain
Datum der Entdeckung 5. September 1780
Katalogbezeichnungen
 NGC 650 • PK 130-10.1 • GC 385 • H I 193 • NGC 651 • Messier 76

Der kleine Hantelnebel (auch als Messier 76 oder NGC 650 bezeichnet) ist ein planetarischer Nebel im Sternbild Perseus am Nordsternhimmel mit einer scheinbaren Helligkeit von 10,1 mag. Der hellere Kernbereich der auch als „Korken“ bezeichnet wird misst 1,45' × 0,7' Bogenminuten. Der etwas schwächere äußere Teil hat knapp die doppelte Ausdehnung. Wegen dessen Form wird das Objekt Schmetterlingsnebel oder kleiner Hantelnebel genannt. Ganz außen herum befindet sich ein Halo, der aus jenem Gasmaterial besteht, welches der Stern bereits lange vor der Explosion in seiner Phase als Roter Riese abgegeben hatte. Dieser ist knapp 4,8 Bogenminuten groß. Diesem Wert entspricht in der Entfernung des Nebels eine absolute Ausdehnung von etwa 21 Lichtjahren.

Der Zentralstern erscheint als Doppelsternsystem. Aufgrund von Aufnahmen mit dem Hubble-Weltraumteleskop konnte aber gezeigt werden, dass sich die südliche Komponente tatsächlich etwa 20.000 Lichtjahre hinter dem Nebel befindet. Diese beiden Sterne bilden also ein so genanntes optisches Doppelsternsystem. Ihr Distanz liegt bei 1,4 Bogensekunden.

Entdeckung und Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der französische Astronom Pierre Méchain entdeckte den Nebel am 5. September 1780 und berichtete dies Charles Messier, der ihn kurz darauf selbst beobachtete, die Position genau bestimmte und in seinem Katalog als 76. Objekt verzeichnete.[5] Messier vermerkte darin, dass die Positionsbestimmung ihm nur unter Schwierigkeiten gelang[6] – er ist einer der lichtschwächsten Nebel des Katalogs[5] – und die unterschiedlichen Resultate beider Beobachtungen: Méchain hatte einen Nebel ohne Sterne erkannt, während Messier eine Vielzahl von Sternen wahrnahm.[6]

Auch in der Folgezeit blieb trotz Fortschritte in den Beobachtungen das Bild noch lange uneinheitlich. So sah Wilhelm Herschel im Jahr 1787 mit seinem deutlich leistungsfähigeren Teleskop in dem Objekt zwei überlappende Nebel, die er in seinem Katalog separat verzeichnete,[5] während James Challis in Beobachtungen mit dem Northumberland Telescope ihm 1842 eine „sprangled appearance“ (en : gesprenkelte/zerzauste Erscheinung) zuschrieb und William Henry Smyth zwei überlagerte Sterne feststellte.[7] Mithilfe einer Spektralanalyse konnte William Huggins − ein Pioneer auf dem Gebiet – im Jahr 1866 zeigen, dass beide Nebelbereiche durch Gasmassen gebildet wurden.[5] Lord Rosse mit seinen seinerzeit weltgrößten Teleskopen sah im gleichen Jahr bei einer ersten Beobachtung einen ähnlich einer Sichel geformten Spiralnebel, stellte darin zwei helle Knoten fest, die Herschel als Doppelnebel interpretiert hatte, und fertigte eine Zeichnung davon an; bei einer zweiten Beobachtung kurz darauf beschrieb er ihn als einen Knoten aufweisenden „curved nebula“ (en : gebogenen Nebel).[8] In dem 1888 erstellten New General Catalogue of Nebulæ and Clusters of Stars ist er mit zwei Einträgen wieder als Doppelnebel beschrieben.[7]

Erste Fotografien gelangen Isaac Roberts, einem Pionier auf diesem Gebiet, im Jahr 1891.[9] Sie zeigten, dass es sich tatsächlich nur um einen Nebel handelt, mit dichteren Nebelflecken an beiden Enden, in der Mitte ein Stern von 14 mag – die Erscheinung vermutlich von einem breiten ringförmigen Nebel herrührt, aus einem flachen Winkel betrachtet.[9] Anhand weiterer, mit dem Crossley-Reflector erstellten Aufnahmen konnte Heber Doust Curtis den Nebel im Jahr 1918 als Planetarischen Nebel einordnen und zusammen mit anderen Planetarischen Nebel eine umfassende Erklärung für deren Gestalt liefern.[10] Eine spätere Studie von Rudolph Minkowski und Donald Edward Osterbrock mithilfe von Aufnahmen durch das 5 Meter durchmessende, damals weltgrößte Hale-Teleskop bestätigte die Ringstruktur und zeigte zudem daran ansetzende dünne Schalen.[11]

Entfernung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem Herman Zanstra im Jahr 1931 eine Erklärung für die Physik von Planetarischen Nebel gefunden hatte – durch eine sehr hohe Oberflächentemperatur strahlt der nur scheinbar schwach leuchtende Zentralstern überwiegend unsichtbar im Ultraviolett, ionisiert mit dieser Strahlung den Nebel und bringt ihn so zum Leuchten –, nutze er die entdeckten Zusammenhänge für eine erste Entfernungsabschätzung: Für eine angenommene Oberflächentemperatur des Zentralsterns von 110.000 Kelvin errechnete er eine Entfernung von 1.200 Parsec, für 85.000 Kelvin eine Entfernung von 1.650 Parsec.[12]

Die Entfernung blieb lange Zeit unsicher:[5] Es wurden eine Reihe weitere Methoden entwicklelt, die beispielsweise anhand von Emissionen, intrastellaren Absorptionen, der Ausdehnung des Nebels und der Kalibrierung von daraus erstellten Skalen an bekannten Entfernungen eine Entfernungsabschätzung ermöglichten – und so neben dazwischen liegenden Werten auch Entfernungswerte von 500 Parsec[13] und 3.600 Parsec[14] ergaben. Erst im Jahr 2021 gelang eine trigonometrische Parallaxenmessung mithilfe des darauf spezialisierten Satelliten Gaia nach mehrjährigen Vermessungen, wodurch eine Entfernung von 1.359 + 197−169 Parsec bestimmt wurde.[4] Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die verschiedenen Entfernungsbestimmungen.

Entfernungsbestimmungen (Auswahl)
Jahr Entfernung (Parsec) Autor(en) Methode
1931 1200
1650
H. Zanstra Für eine Zentralsterntemperatur von 110.000 K oder 85.000 K[12]
1937 (< 4570) L. Berman Entfernung wahrscheinlich überschätzt.[15]
1956 820 I. S. Schklowski Nach G. O. Abell[16]
1962 537 C. R. O'Dell Hβ-Emissionslinie[17]
1966 613 G. O. Abell Variante der Methode von Schklowski[16]
1968 595 C. Gordon Variante der Seaton-Skala basierend auf Hβ-Emission[18]
1971 670 J. H. Cahn, J. B. Kaler Berücksichtigt Hα- und Hβ-Strahlung, Radius
und Absorption durch galaktische Staubverteilung [19]
1978 1200
1100
A. Acker Entfernungsbestimmung anhand der Kinetik und
Kombination mit vorherigen Entfernungsbestimmungen[20]
1984 820 P. R. Amnuel et al. Beziehung Oberflächenhelligkeit bei 5 GHz und Radius[21]
1984 700 W. J. Maciel Beziehung zwischen ionisierter Masse und Radius[22]
1992 739 J. H. Cahn et al. Basierend auf Hα-, Hβ-, HeII- und 5-GHz-Emission[23]
1994 1300 G. C. van de Steene, A. A. Zijlstra Zusammenhang von „radio continuum brightness temperature“
und Radius[24]
1995 1560 C. Y. Zhang Mittelwert aus Entfernungsbestimmung mittels ionisierte Masse
und „radio continuum surface brightness temperature“ [25]
1995 1550 R. Napiwotzki, D. Schönberner Zudem kinetisches Alter 6200 Jahre[26]
1996 780 S. R. Pottasch Berücksichtigt Wechselwirkung von Gravitation und Spektrum[27]
1997 650 Yu. F. Mal'Kov Anhand einens selbstkonsistenen Modells[28]
1998 3600 A. Tajitsu, S. Tamura Anhand von Daten des Infrared Astronomical Satellite [14]
2000 500 J. O. Cazetta, W. J. Maciel Beziehung von Masse des Zentralstern zu N/O-Vorkommen[13]
2008 748 L. Stanghellini et al. Skalenkalibrierung anhand der Magellanschen Wolke[29]
2010 1436 L. Stanghellini, M. Haywood Beziehung von Oberflächenhelligkeit und Nebelradius,
kalibriert an der Magellanschen Wolke [30]
2016 1380 D. J. Frew et al. Beziehung von Hα-Oberflächenhelligkeit und Nebelradius[31]
2021 1359 N. Chornay, N. A. Walton Parallaxenmessung mittels des Satelliten Gaia, EDR3[4]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Michael König & Stefan Binnewies: Bildatlas der Sternhaufen & Nebel. Kosmos, Stuttgart 2023, S. 214.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Messier 76 – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. NASA/IPAC EXTRAGALACTIC DATABASE
  2. a b SEDS
  3. a b c SIMBAD
  4. a b c N. Chornay, N. A. Walton: One star, two star, red star, blue star: an updated planetary nebula central star distance catalogue from Gaia EDR3. In: Astronomy & Astrophysics. Band 656, 2021, S. 5 (id A110), bibcode:2021A&A...656A.110C.
  5. a b c d e http://www.messier.seds.org/m/m076.html
  6. a b http://www.messier.seds.org/xtra/history/m-cat.html#M76
  7. a b http://www.messier.seds.org/Mdes/dm076.html
  8. The Earl of Rosse: Observations of nebulæ and clusters of stars made with the six-foot and three-foot reflectors at Birr Castle, from the year 1848 up to the year 1878. In: Scientific Transactions of the Royal Dublin Society. Band 2. Dublin 1880, S. 1, bibcode:1880STRDS...2....1R (handle.netBesseres Digitalisat des gesamten Bandes der Royal Dublin Society).
  9. a b Isaac Roberts: Selection of Photographs of Stars, Star-Clusters and Nebulæ. London 1893, S. 37, doi:10.3931/e-rara-20155, bibcode:1893spss.book.....R (ETH-Bibliothek Zürich, Rar 2305, Public Domain Mark).
  10. Heber Doust Curtis: The Planetary Nebulae. In: Publications of Lick Observatory. Band 13, 1918, S. 55–74, bibcode:1918PLicO..13...55C.
  11. R. Minkowski, D. Osterbrock: Electron Densities in Two Planetary Nebulae. In: The Astrophysical Journal. Band 131, 1960, S. 537, bibcode:1960ApJ...131..537M.
  12. a b H. Zanstra: Untersuchungen über planetarische Nebel. Zweiter Teil: Parallaxen. Expansion der Nebelhüllen. In: Zeitschrift für Astrophysik. Band 2, 1931, S. 329, bibcode:1931ZA......2..329Z.
  13. a b Jenai O. Cazetta, Walter J. Maciel: Distances of Galactic Planetary Nebulae Based on a Relationship Between the Central Star Mass and the N/O Abundance. In: Revista Mexicana de Astronomía y Astrofísica. Band 36, 2000, S. 3–11, bibcode:2000RMxAA..36....3C.
  14. a b Akito Tajitsu, Shin'ichi Tamura: A New Distance Indicator to Galactic Planetary Nebulae Based upon IRAS Fluxes. In: The Astronomical Journal. Band 115, Nr. 5, 1998, S. 1989–2008, bibcode:1998AJ....115.1989T.
  15. Louis Berman: A study of the galactic rotation from the data of the planetary nebulae. In: Lick Observatory bulletin. Nr. 486, 1937, S. 57–75, bibcode:1937LicOB..18...57B.
  16. a b G. O. Abell: Properties of Some Old Planetary Nebulae. In: The Astrophysical Journal. Band 144, 1966, S. 259, bibcode:1966ApJ...144..259A.
  17. Charles Robert O'Dell: A Distance Scale for Planetary Nebulae Based on Emission-Line Fluxes. In: The Astrophysical Journal. Band 135, 1962, S. 371, bibcode:1962ApJ...135..371O.
  18. C. (Pecker-Wimel) Gordon: Comments on Seaton's Distance Scale for Planetary Nebulae. In: Astrophysical Letters. Band 1, 1968, S. 121, bibcode:1968ApL.....1..121G.
  19. J. H. Cahn, J. B. Kaler: The Distances and Distribution of Planetary Nebulae. In: The Astrophysical Journal Supplement Series. Band 22, 1971, S. 319, bibcode:1971ApJS...22..319C.
  20. A. Acker: A new synthetic distance scale for planetary nebulae. In: Astronomy and Astrophysics Supplement Series. Band 33, 1978, S. 367−381, bibcode:1978A&AS...33..367A.
  21. P. R. Amnuel et al.: Statistical survey of planetary nebulae: Distances, masses, and distribution in the galaxy. In: Astrophysics and Space Science. Band 107, Nr. 1, 1984, S. 19–50, bibcode:1984Ap&SS.107...19A.
  22. W. J. Maciel: A catalogue of distances of planetary nebulae. In: Astronomy and Astrophysics Supplement Series. Band 55, 1984, S. 253–258, bibcode:1984A&AS...55..253M.
  23. J. H. Cahn, J. B. Kaler, L. Stanghellini: A catalogue of absolute fluxes and distances of planetary nebulae. In: Astronomy and Astrophysics Supplement Series. Band 94, 1992, S. 399–452, bibcode:1992A&AS...94..399C.
  24. G. C. van de Steene, A. A. Zijlstra: On an alternative statistical distance scale for planetary nebulae. In: Astronomy and Astrophysics Supplement Series. Band 108, 1994, S. 399–452, bibcode:1994A&AS..108..485V.
  25. C. Y. Zhang: A Statistical Distance Scale for Galactic Planetary Nebulae. In: The Astrophysical Journal Supplement Series. Band 98, 1995, S. 659–678, bibcode:1995ApJS...98..659Z.
  26. R. Napiwotzki, D. Schoenberner: Spectroscopic investigation of old planetaries. III. Spectral types, magnitudes, and distances. In: Astronomy and Astrophysics. Band 301, 1995, S. 545–, bibcode:1995A&A...301..545N.
  27. S. R. Pottasch: Local space density and formation rate of planetary nebulae. In: Astronomy & Astrophysics. Band 307, 1996, S. 561–578, bibcode:1996A&A...307..561P.
  28. Yu. F. Mal'Kov: A self-consistent determination of the distances, physical parameters, and chemical composition for a large sample of galactic planetary nebulae: The distances and parameters of central stars and the optical depths of envelopes. In: Astronomy Reports. Band 41, 1997, S. 760–776, bibcode:1997ARep...41..760M.
  29. Letizia Stanghellini, Richard A. Shaw, Eva Villaver: The Magellanic Cloud Calibration of the Galactic Planetary Nebula Distance Scale. In: The Astrophysical Journal. Band 689, Nr. 1, 2008, S. 194–202, bibcode:2008ApJ...689..194S.
  30. Letizia Stanghellini, Misha Haywood: The galactic structure and chemical evolution traced by the population of planetary nebulae. In: The Astrophysical Journal. Band 714, 2010, S. 1096–1107, bibcode:2010ApJ...714.1096S.
  31. David J. Frew, Q. A. Parker, I. S. Bojičić: The Hα surface brightness-radius relation: a robust statistical distance indicator for planetary nebulae. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. Band 455, Nr. 2, 2016, S. 1459–1488, bibcode:2016MNRAS.455.1459F.