Landtagswahl in Niedersachsen 1978

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1974Landtagswahl
1978
1982
(in %)
 %
50
40
30
20
10
0
48,7
42,2
4,2
3,9
1,1
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 1974
 %p
   4
   2
   0
  -2
  -4
−0,1
−0,9
−2,8
+3,9
+0,1
  
Insgesamt 155 Sitze

Die Wahl zum 9. Niedersächsischen Landtag fand am 4. Juni 1978 gleichzeitig mit der Bürgerschaftswahl in Hamburg statt.

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die sozialliberale Koalition unter Alfred Kubel (SPD) hatte nach der Wahl 1974 nur eine Ein-Stimmen-Mehrheit gegenüber der oppositionellen CDU. 1976 sollte ein Generationenwechsel im Ministerpräsidentenamt stattfinden. Die SPD schlug den bisherigen Finanzminister Helmut Kasimier vor. Er erreichte in zwei Wahlgängen allerdings nicht die notwendige Mehrheit. Der Kandidat der CDU Ernst Albrecht erhielt erst zwei, dann drei Stimmen mehr als Kasimier. Im dritten, dem entscheidenden Wahlgang, zählte nur noch die relative Mehrheit. Die SPD stellte den Bundesbauminister Karl Ravens auf.[1][2][3] Mit Hilfe von Abweichlern aus der sozialliberalen Koalition wurde aber am 12. Februar 1976 Ernst Albrecht (CDU) zum Ministerpräsidenten gewählt.[4]

Albrecht führte ein Jahr lang eine Alleinregierung, die auf die Stimmen der FDP angewiesen war. Sie trat erst am 19. Januar 1977 in die Regierung ein.[5][6]

Ein Wahlkampfthema war die Entscheidung der Bundesregierung unter Helmut Schmidt (SPD) und der niedersächsischen Landesregierung unter Albrecht für ein Atommüllendlager im wendländischen Gorleben. Gorleben polarisiert seitdem die innenpolitische Landschaft. Die Grüne Liste Umweltschutz als neue politische Kraft trat als Sachverwalterin der Atomkraftgegner auf. Ihr Spitzenkandidat war Martin Mombaur.[7][8][9]

Für die CDU trat der amtierende Ministerpräsident Ernst Albrecht für eine erste Bestätigung seiner Regierung durch die Bürger an. Die SPD stellte ihren Kandidaten vom dritten Wahlgang 1976 auf, den Bundesbauminister Karl Ravens. Spitzenkandidat der FDP war der niedersächsische Innenminister Rötger Groß.[10]

Parteien und Kandidaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Landeswahlausschuss ließ 694 Kreiswahlvorschläge von 11 Parteien und Einzelbewerber zu:[11]

Nr. Partei/Einzelbewerber Kurzbezeichnung Zahl der Wahlkreisbewerber
1 Christlich Demokratische Union Deutschlands CDU 99
2 Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPD 99
3 Freie Demokratische Partei F.D.P. 99
4 Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher AUD 21
5 Deutsche Kommunistische Partei DKP 95
6 Europäische Arbeiterpartei EAP 7
7 Freie Union in Niedersachsen FU 8
8 Grüne Liste Umweltschutz GLU 98
9 Kommunistischer Bund Westdeutschland KBW 59
10 Nationaldemokratische Partei Deutschlands NPD 99
11 Vierte Partei Deutschlands VPD 9
12 Einzelbewerber 1
Gesamtzahl der zugelassenen Kreiswahlvorschläge 694

Ergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wahlplakat der CDU mit Ernst Albrecht

Die CDU konnte die Wahl klar für sich entscheiden. Sie erhielt mit 48,7 Prozent nur 0,1 Prozent weniger als 1974. Die SPD verlor leicht auf 42 Prozent und lag damit deutlich hinter der CDU. Die FDP wurde für ihren Koalitionswechsel nicht honoriert. Sie verlor fast drei Prozent und fiel damit unter die Fünf-Prozent-Hürde. Die GLU erreichte mit 3,9 Prozent ein Achtungsergebnis und war fast so stark geworden wie die FDP. Ein Jahr später bei der Bürgerschaftswahl in Bremen konnte allerdings erst die erste grüne Partei in ein deutsches Landesparlament einziehen.

Damit waren, wie schon nach der Wahl 1970, nur noch zwei Parteien im Landtag vertreten. Diesmal hatte die CDU das bessere Ende für sich und stellte eine Mehrheit von 11 Stimmen.

Partei Stimmen Anteil
in %
± (%) Direkt-
man-
date
Sitze ±
Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) 1.989.326 48,7 −0,1 61 83 +6
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 1.723.638 42,2 −0,9 38 72 +5
Freie Demokratische Partei (FDP) 171.514 4,2 −2,8 0 0 −11
Grüne Liste Umweltschutz (GLU) 157.733 3,9 neu 0 0 neu
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 17.613 0,4 −0,2 0 0 ±0
Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 12.700 0,3 −0,1 0 0 ±0
Freie Union (FU) 10.855 0,3 neu 0 0 neu
Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) 2779 0,1 neu 0 0 neu
Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) 1293 0,0 neu 0 0 neu
Vierte Partei Deutschlands (VPD) 472 0,0 neu 0 0 neu
Europäische Arbeiter-Partei (EAP) 186 0,0 neu 0 0 neu
Einzelbewerber 74 0,0 0 0
Gültig 4.088.183 199,4
Ungültig 0.026.547 100,6
Gesamt 4.114.730 100,0 99 155 ±0
Wahlberechtigte/Wahlbeteiligung 5.241.051 178,5

Erstmals wurde in Deutschland eine Wahltagsbefragung durchgeführt.

Folgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ernst Albrecht (CDU) war deutlich bestätigt worden und konnte eine Alleinregierung bilden.[12]

Zusammen mit der Niederlage der FDP bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg 1978 am gleichen Tag wurde eine Krise der sozialliberalen Koalition in Bonn konstatiert. Zwei Tage nach der Wahl trat Bundesinnenminister Werner Maihofer (FDP) zurück. Sein Rücktritt wurde neben der Verwicklung in die Lauschaffäre Traube und seiner Rolle bei den Fahndungspannen während der RAF-Entführung von Hanns Martin Schleyer im Jahr 1977 als Folge der desolaten Wahlergebnisse der Liberalen gesehen.[13][14][15]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Claus A. Fischer (Hrsg.): Wahlhandbuch für die Bundesrepublik Deutschland. Daten zu Bundestags-, Landtags- und Europawahlen in der Bundesrepublik Deutschland, in den Ländern und in den Kreisen 1946–1989, 2. Halbband, Paderborn 1990.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: 1978 state elections in Lower Saxony – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Nina Grunenberg: Neuer Ministerpräsident in Hannover: Ehrlich, treu, genau und blaß. In: Die Zeit. Nr. 04/1976 (online).
  2. D. B.: Die Stunde der Wahrheit. In: Die Zeit. Nr. 07/1976 (online).
  3. Carl-Christian Kaiser: Aus dem zweiten Glied an die Rampe. In: Die Zeit. Nr. 07/1976 (online).
  4. Carl-Christian Kaiser: Besorgnis über die Folgen. In: Die Zeit. Nr. 05/1976 (online).
  5. Albrecht schon hoch zu Roß. In: Die Zeit. Nr. 05/1976 (online).
  6. Klappt Albrechts Strategie? In: Die Zeit. Nr. 15/1976 (online).
  7. Horst Bieber: Die Bundesregierung verhandelt mit Hannover über das Atom-Entsorgungszentrum Gorleben.: Albrecht widersteht Bonns Drängeln. In: Die Zeit. Nr. 38/1978 (online).
  8. Marion Gräfin Dönhoff: Die Grünen machen den Parteien Angst. In: Die Zeit. Nr. 40/1978 (online).
  9. Horst Bieber: Auf dem Atom-Karussell. In: Die Zeit. Nr. 39/1978 (online).
  10. Dietrich Strothmami: Das rote Roß bäumt sich auf. In: Die Zeit. Nr. 21/1978 (online).
  11. Der Niedersachsächsische Landerswahlleiter, Zur Landtagswahl am 4. Juni 1978, Kreiswahlvorschläge - Musterstimmzettel
  12. Dietrich Strothman«: Der helle Schein eines Nordlichts. In: Die Zeit. Nr. 24/1978 (online).
  13. Ein Scherbengericht. In: Die Zeit. Nr. 24/1978 (online).
  14. Die Lauen wurden ausgespien. In: Die Zeit. Nr. 24/1978 (online).
  15. Drei Fehler der Liberalen. In: Die Zeit. Nr. 24/1978 (online).