Lobektomie

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Mit dem Begriff Lobektomie (von altgriechisch λοβός lobós „Lappen“ und ἐκτομή ektomế „Herausschneiden“), auch Lappenresektion genannt, bezeichnet man in der Chirurgie die operative Entfernung eines Organlappens.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Organe für eine Lobektomie kommen vor allem die Lunge, die Leber, die Schilddrüse und das Großhirn in Frage.

Lobektomie der Lunge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am häufigsten werden Lobektomien an der Lunge durchgeführt, weshalb in der Literatur der Begriff Lobektomie oft synonym für die operative Entfernung eines Lungenlappens verwendet wird.[1] Die erste erfolgreiche Lobektomie der Lunge führte Werner Körte 1907 durch.[2] Die menschliche Lunge hat auf der rechten Seite (rechter Lungenflügel) drei und auf der linken Seite (linker Lungenflügel) zwei Lungenlappen. Wird ein Lungenlappen entfernt, so wird dies Lobektomie genannt. Werden am rechten Lungenflügel dagegen zwei benachbarte Lungenlappen entfernt, wird dies als Bilobektomie bezeichnet. Die Entfernung eines gesamten Lungenflügels heißt Pneumektomie oder Pneumonektomie.

Da die einzelnen Lungenlappen von einer separaten Pleuraschicht umgeben sind, entstehen bei der Entfernung eines Lungenlappens nur vergleichsweise kleine Wundflächen an der Lunge. Der nach der Entfernung des Lobus entstehende Freiraum im Brustkorb wird durch eine Überdehnung der Restlunge, ein Hochtreten des Zwerchfells und eine Verlagerung des Mittelfellraums (Mediastinum) wieder kompensiert. Bei einem Bronchialkarzinom (Lungenkrebs) ist die Lobektomie der am häufigsten durchgeführte operative Eingriff zur Entfernung des Primärtumors.[1] Für periphere maligne Tumoren der Tumorklassen T1 und T2 (< 5 cm maximale Tumorausdehnung) ist die Lobektomie der operative Eingriff der Wahl.[3] Eine Lobektomie der Lunge ist ein schwerwiegender Eingriff. Die operative Letalität liegt trotz erheblicher chirurgischer Fortschritte bei der klassischen offenen Lobektomie bei 1 bis 4 %.[4] Bei der offenen Lobektomie wird mit einem großen Schnitt der Brustkorb geöffnet. Die Schmerzen sind erheblich, und die so operierten Patienten sind im Regelfall mindestens noch eine Woche nach dem Eingriff im Krankenhaus. Bei der minimalinvasiven VATS-Lobektomie (VATS = video-assisted thoracic surgery = videoassistierte Thoraxchirurgie) können die Patienten oft schon zwei Tage nach dem Eingriff die Klinik verlassen, die Schmerzen sind deutlich geringer.[5] Die Möglichkeit einer VATS-Lobektomie ist allerdings an bestimmte Randbedingungen geknüpft, die über die Standardkriterien für eine Lobektomie hinausgehen. So muss beispielsweise zusätzlich die Fähigkeit der Tolerierung der Einlungenventilation gegeben sein. Die maximale Tumorausdehnung muss kleiner als 5 cm sein, es dürfen keine ausgedehnten Pleuraverwachsungen vorhanden sein und der Tumor darf keine Verbindung (chirurgisch als Beziehung bezeichnet) zum Lungen-Hilum haben. Zusätzlich gibt es noch Kontraindikationen wie beispielsweise Adipositas oder eine Chemo- oder Strahlentherapie vor dem Eingriff (neoadjuvante Therapie).[6]

Lobektomie der Leber[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Entfernung eines Leberlappens ist eine Leber-Teilresektion, die als Lobektomie der Leber bezeichnet wird.[9] Im Unterschied zur Hemihepatektomie wird die Leber anatomisch unterteilt. So umfasst der linke Lappen bei einer linksseitigen Lobektomie nur das Parenchym, das links vom Ligamentum falciforme hepatis (sichelförmiges Leberband) liegt, während bei der linksseitigen Hemihepatektomie zwei Segmente (IVa und IVb) des rechten Leberlappens mit entfernt werden.[10][11]

Lobektomie der Schilddrüse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die vollständige Entfernung eines der beiden Lappen der Schilddrüse wird als Hemithyreoidektomie (gr. ἡμισ = hemi = ‚halb‘) oder Lobektomie der Schilddrüse bezeichnet.[14] Die Operation kann dabei klassisch offen (Bild 1) oder minimalinvasiv erfolgen (Bild 2).

Zerebrale Lobektomie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die partielle oder vollständige Entfernung eines Großhirnlappens ist ein neurochirurgischer Eingriff, der vor allem zur Behandlung einer refraktären Epilepsie, das heißt einer Epilepsie, die nicht auf üblicherweise geeignete Medikamente anspricht, eingesetzt wird. Unterschieden wird dabei zwischen einer

  • bilateralen Lobektomie: Entfernung eines Großhirnlappen(teils), sowohl in der rechten als auch linken Hirnhemisphere und einer
  • temporalen Lobektomie: beid- oder einseitige, vollständige oder partielle Entfernung eines Temporallappens.[17]

Das berühmteste Fallbeispiel einer Lobektomie am Großhirn ist der Patient Henry Gustav Molaison, in der Literatur meist H. M. genannt. Bei ihm wurde zur Behandlung seiner schweren Epilepsie eine bilaterale mediotemporale Lobektomie durchgeführt,[17] das heißt, es wurden Teile des zur Mitte gelegenen Temporallappens entfernt. Sein Fall war ein Meilenstein für die Gedächtnisforschung.[18]

Eine zerebrale Lobektomie kann auch als Ultima Ratio (letztes Mittel) zur intrakraniellen Drucksenkung (dekompressive Lobektomie) zum Einsatz kommen.[19]

Weiterführende Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Burkhard Paetz: Chirurgie. 21. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2009, ISBN 3-13-332921-9, S. 273. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  2. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 59.
  3. L. Sunder-Plassmann, C. Schuhmann: Maligne Lungentumoren. In: Jörg Rüdiger Siewert: Praxis der Viszeralchirurgie. 3. Auflage, Verlag Springer, 2010, ISBN 3-642-03807-7, S. 433. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  4. L. Sunder-Plassmann, C. Schuhmann: Maligne Lungentumoren. In: Jörg Rüdiger Siewert: Praxis der Viszeralchirurgie. 3. Auflage, Verlag Springer, 2010, ISBN 3-642-03807-7, S. 426. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  5. VATS-Lobektomie / VATS-Lobectomy. (Memento des Originals vom 7. Januar 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.thoraxchirurgie.uk-erlangen.de Universitätsklinikum Erlangen, abgerufen am 2. Januar 2013
  6. Peter Drings, Hendrik Dienemann, Michael Wannenmacher: Management des Lungenkarzinoms. Springer, 2003, ISBN 3-540-43145-4, S. 248. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  7. H. Wada, Y. Hida u. a.: Video-assisted thoracoscopic left lower lobectomy in a patient with lung cancer and a right aortic arch. In: Journal of cardiothoracic surgery. Band 7, 2012, S. 120, ISSN 1749-8090. doi:10.1186/1749-8090-7-120. PMID 23147195. PMC 3527347 (freier Volltext).
  8. C. H. Chen, S. Y. Lee u. a.: Technical aspects of single-port thoracoscopic surgery for lobectomy. In: Journal of cardiothoracic surgery. Band 7, 2012, S. 50, ISSN 1749-8090. doi:10.1186/1749-8090-7-50. PMID 22672719. PMC 3431998 (freier Volltext).
  9. Volker Schumpelick: Operationsatlas Chirurgie. 2. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2006, ISBN 3-131-40632-1, S. 231. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  10. Andreas Hirner, Kuno Weise: Chirurgie: Schnitt für Schnitt. Georg Thieme Verlag, 2004, ISBN 3-131-30841-9, S. 523. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  11. Felix Braun, Thomas Becker u. a.: Leber. In: Doris Henne-Bruns: Duale Reihe Chirurgie. 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2012, ISBN 3-131-51314-4, S. 479. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  12. S. A. Gulec, K. Pennington u. a.: Preoperative Y-90 microsphere selective internal radiation treatment for tumor downsizing and future liver remnant recruitment: a novel approach to improving the safety of major hepatic resections. In: World journal of surgical oncology. Band 7, 2009, S. 6, ISSN 1477-7819. doi:10.1186/1477-7819-7-6. PMID 19133156. PMC 2655298 (freier Volltext).
  13. L. Sandonato, C. Cipolla u. a.: Giant hepatocellular adenoma as cause of severe abdominal pain: a case report. In: Journal of medical case reports. Band 1, 2007, S. 57, ISSN 1752-1947. doi:10.1186/1752-1947-1-57. PMID 17662116. PMC 1950307 (freier Volltext).
  14. Burkhard Paetz, Brigitte Benzinger-König: Chirurgie für Pflegeberufe. 20. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2004, ISBN 3-133-32920-0, S. 243. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche}
  15. M. F. Yuzbasioglu, M. Ozkaya u. a.: Eggshell calcification after intrathyroidal hemorrhage of retrosternal thyroid. In: Cases journal. Band 1, Nummer 1, 2008, S. 11, ISSN 1757-1626. doi:10.1186/1757-1626-1-11. PMID 18577251. PMC 2438315 (freier Volltext).
  16. N. Irawati: Endoscopic right lobectomy axillary-breast approach: a report of two cases. In: International journal of otolaryngology. Band 2010, 2010, S. 958764, ISSN 1687-921X. doi:10.1155/2010/958764. PMID 21253488. PMC 3022208 (freier Volltext).
  17. a b Clemens Kirschbaum: Kompendium Biopsychologie. Springer, 2008, ISBN 3-540-39603-9, S. 169. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  18. M. Brand, H. J. Markowitsch: Gedächtnisstörungen. In: Sprache Stimme Gehör. Band 27, Nummer 1, 2003, S. 11-17. doi:10.1055/s-2003-37877
  19. Harald Barth, Ralph Schön: Neurochirurgie. In: Doris Henne-Bruns: Duale Reihe Chirurgie. 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2012, ISBN 3-131-51314-4, S. 1138. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche