Mann von Windeby

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Der Mann von Windeby, offiziell Moorleiche Windeby II, wurde am 9. Juni 1952 im Norden Schleswig-Holsteins nahe der Ortschaft Windeby im heute zum Gemeindegebiet der Stadt Eckernförde gehörenden Domslandmoor entdeckt. Der Mann von Windeby befindet sich in der Obhut des schleswig-holsteinischen Landesmuseums Schloss Gottorf.
Fundort: 54° 27′ 6″ N, 9° 49′ 31,7″ OKoordinaten: 54° 27′ 6″ N, 9° 49′ 31,7″ O[1]

Befund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haut und Kopfhaar waren zwar vollständig erhalten, aber von der darüber liegenden Torfschicht flach gedrückt worden. Die Knochen waren bis auf wenige kleinere Stücke von den Moorsäuren aufgelöst. Die Moorleiche ruhte auf dem Rücken in einer Torfgrube von 2,25 × 1,3 Meter Größe. Die Unterarme waren über der Brust gekreuzt, die Beine in den Knien leicht angewinkelt. Es wurden keinerlei Reste von Kleidern gefunden. Über dem Mann befanden sich acht krumme, armdicke Birkenknüppel, die in den Boden neben dem Körper gesteckt worden waren und diesen fixierten. Eine um den Hals des Mannes geschlungene Haselrute legt die Vermutung nahe, dass er damit vor seiner Bettung im Moor erdrosselt wurde.

Das Lebensalter des Mannes konnte nicht genau bestimmt werden, einen Hinweis geben aber einzelne helle, wohl graue Haare im ansonsten dunklen Haarschopf. Eine in den 1990er Jahren durchgeführte 14C-Datierung erbrachte eine eher unrealistische Datierung in das Spätmesolithikum, das 6. bis 7. Jahrtausend vor Chr.[2] Eine aktuellere 14C-Datierung einer Probe aus der um den Hals geschlungenen Haselrute ergab einen Todeszeitpunkt im Zeitraum zwischen 380 und 185 v. Chr.[3]

Spekulationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kurz nach dem Fund wurde der Mann von Windeby in der Öffentlichkeit mit der drei Wochen vor ihm und nur fünf Meter entfernt gefundenen Moorleiche von Windeby I in Verbindung gebracht, in der man eine hingerichtete Ehebrecherin mit ihrem Liebhaber vermutete.[4] Aufgrund der populären Attraktivität dieser Vermutungen hielten sich diese Spekulationen hartnäckig über Jahrzehnte. Der Archäologe Michael Gebühr untersuchte alle zur Verfügung stehenden Quellen und widerlegte 1979 diese Spekulationen.[5] Bei einer Anfang der 2000er Jahre durchgeführten Genanalyse entpuppte das angebliche Mädchen von Windeby sich als ca. 16-jähriger Junge, der sich zudem durch die 14C-Datierung als etwa 300 Jahre jünger erwies als der Mann.

Varia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beide Funde zeigen eindrücklich, wie unterschiedlich die Verhältnisse im Moor die Konservierung von Körpern beeinflussen können. Beide Moorleichen lagen nur fünf Meter voneinander entfernt. Die Leiche des Jungen Windeby I war jedoch wesentlich besser erhalten als die des Mannes. Die Jungenleiche lag weiter entfernt vom Rand des Moores, wo sie wesentlich besser konserviert wurde. Der Fundort Domslandmoor wird in der Fachliteratur fälschlicherweise auch häufig als Domlandsmoor bezeichnet.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Michael Gebühr: Moorleichen in Schleswig-Holstein. Hrsg.: Verein zur Förderung des Archäolog. Landesmuseums e.V., Schloß Gottorf. Wachholtz, Neumünster 2002, ISBN 3-529-01870-8.
  • Wijnand van der Sanden: Mumien aus dem Moor. Die vor- und frühgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa. Batavian Lion International, Amsterdam 1996, ISBN 90-6707-416-0 (niederländisch, Originaltitel: Vereeuwigd in het veen. Übersetzt von Henning Stilke).
  • P. V. Glob: Die Schläfer im Moor. Winkler, München 1966 (dänisch: Mosefolket. Übersetzt von Thyra Dohrenburg).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. P. B. Diezel, Walter Hage, Herbert Jankuhn, E. Klenk, Ulrich Schaefer, Karl Schlabow, Rudolf Schütrumpf, Hugo Spatz: Zwei Moorleichenfunde aus dem Domlandsmoor. In: Praehistorische Zeitschrift. Nr. 36. de Gruyter, 1958, ISSN 0079-4848, S. 186, Abb. 1.
  2. Wijnand van der Sanden: C14-Datierungen von Moorleichen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein. In: Niedersächsischer Landesverein für Urgeschichte (Hrsg.): Die Kunde N.F. Nr. 46, 1995, ISSN 0342-0736, S. 137–155.
  3. Michael Gebühr: Moorleichen in Schleswig-Holstein. Hrsg.: Verein zur Förderung des Archäolog. Landesmuseums e.V., Schloß Gottorf. Wachholtz, Neumünster 2002, ISBN 3-529-01870-8, S. 47.
  4. Diezel, Hage, Herbert Jankuhn, Klenk, E. Schaefer, Karl Schlabow, Schürtrumpf, Spatz: Zwei Moorleichenfunde aus dem Domlandsmoor. In: Praehistorische Zeitschrift. Nr. 36. de Gruyter, 1958, ISSN 0079-4848, S. 118–219.
  5. Michael Gebühr: Das Kindergrab von Windeby - Versuch einer Rehabilitation. In: Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Hrsg.): Offa. Berichte u. Mitteilungen zur Urgeschichte, Frühgeschichte u. Mittelalterarchäologie. Band 36. Wachholtz, 1979, ISSN 0078-3714, S. 75–107.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Anne Hartmann, Antonia Hillrichs: Stimmen aus dem Moor. In: Wissen & Entdecken. ZDF, 21. Juli 2004, archiviert vom Original am 18. Mai 2005; abgerufen am 6. Dezember 2011 (mit Skizze der Fundstelle).
  • Anne Hartmann, Antonia Hillrichs: Mord im Moor? Das Rätsel um das „Mädchen von Windeby“. In: Wissen & Entdecken. ZDF, 21. Juli 2004, archiviert vom Original am 18. April 2005; abgerufen am 6. Dezember 2011.