Martin-Gruber-Anastomose

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Eine Martin-Gruber-Anastomose ist eine Verbindung aus Nervenfasern zwischen dem Nervus medianus (N. medianus) und dem Nervus ulnaris (N. ulnaris) am Unterarm. Diese anatomische Normvariante ist sehr häufig, ihre Prävalenz wird in der Literatur zwischen 6 und 47 % angegeben.[1]

Verlauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Fasern der Martin-Gruber-Anastomose verlassen den N. medianus oder einen seiner Nebenäste (häufig der Nervus interosseus anterior) in der Ellenbeuge (Fossa cubitalis), verlaufen auf dem Musculus flexor digitorum superficialis oder Musculus flexor digitorum profundus und schließen sich dann dem N. ulnaris an.[1] Die Anastomose besteht meist aus einem Nervenstrang, selten zwei.[2]

Es wurde eine Vielzahl von Klassifikationen des Anastomosenverlaufs vorgeschlagen.[3][4][5][2] Exemplarisch eine Einteilung aus Roy et al. (2016):[1]

  • Typ I: Verbindung zwischen den Hauptstämmen des N. medianus und N. ulnaris
  • Typ II: Verbindung zwischen Nervus interosseus anterior (Ast des N. medianus) und N. ulnaris
  • Typ III: Verbindung zwischen Ast des N. medianus (nicht N. interosseus anterior) zur Beugemuskulatur des Unterarmes und N. ulnaris
  • Typ IV: Verbindung zwischen Ast des N. medianus zur Beugemuskulatur des Unterarms und Ast des N. ulnaris zur Beugemuskulatur des Unterarms

Nach dem Innervationsort der an den N. ulnaris abgegebenen Fasern werden drei Subtypen der Anastomose unterschieden:[6]

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Vorhandensein einer Martin-Gruber-Anastomose kann die Interpretation elektroneurografischer Messungen am Unterarm erschweren. Infolge der unterhalb des Ellenbogens zum N. ulnaris hinzutretenden Nervenfasern fällt das Muskelsummenaktionspotential (MSAP) bei Stimulation oberhalb des Ellenbogens kleiner aus als bei distaler Stimulation am Handgelenk, dies kann als Schädigung des N. ulnaris auf Höhe des Ellenbogens fehlinterpretiert werden. Ebenso kann infolge der Anastomose eine falsch hohe Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) des N. medianus gemessen werden, da die Reizimpulse früher den vom N. ulnaris innervierten Musculus adductor pollicis erreichen als den bei der Medianus-Neurografie abgeleiteten Musculus abductor pollicis brevis. Der Untersuchung erkennt dies an einer veränderten Form des MSAP im Vergleich von proximaler und distaler Stimulation.[7]

Durch die Anastomose kann bei Verletzungen des N. medianus distal des Abgangsortes die Funktion von Handmuskeln erhalten bleiben, die eigentlich über den N. medianus versorgt werden.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bezeichnung geht auf die Anatomen Roland Martin (1763)[8] und Wenzel Gruber (1870)[9] zurück, die diese anatomische Variante jeweils beschrieben.[5]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • J. Roy, B. M. Henry, P. A. PĘkala, J. Vikse, K. Saganiak, J. A. Walocha, K. A. Tomaszewski: Median and ulnar nerve anastomoses in the upper limb: A meta-analysis. In: Muscle & nerve. Band 54, Nummer 1, 2016, S. 36–47, doi:10.1002/mus.24993, PMID 26599506 (Review).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c J. Roy, B. M. Henry, P. A. PĘkala, J. Vikse, K. Saganiak, J. A. Walocha, K. A. Tomaszewski: Median and ulnar nerve anastomoses in the upper limb: A meta-analysis. In: Muscle & nerve. Band 54, Nummer 1, 2016, S. 36–47, doi:10.1002/mus.24993, PMID 26599506 (Review).
  2. a b Marc Rodriguez-Niedenführ, Teresa Vazquez, Ian Parkin, Bari Logan, José R. Sañudo: Martin-Gruber anastomosis revisited. In: Clinical Anatomy. 15, 2002, S. 129–134, doi:10.1002/ca.1107, PMID 11877791.
  3. T. Nakashima: An anatomic study on the Martin-Gruber anastomosis. In: Surgical and Radiologic Anatomy. Band 15, 1993, S. 193–195, doi:10.1007/BF01627703.
  4. Kyu-Seok Lee, Chang-Seok Oh u. a.: An anatomic study of the Martin-Gruber anastomosis: Electrodiagnostic implications. In: Muscle & Nerve. Band 31, 2005, S. 95–97, doi:10.1002/mus.20141.
  5. a b S. J. Leibovic, H. Hastings: Martin-Gruber revisited. In: The Journal of hand surgery. Band 17, Nummer 1, Januar 1992, S. 47–53, doi:10.1016/0363-5023(92)90112-3, PMID 1538112 (Review).
  6. Christian Bischoff, Wilhelm Schulte-Mattler: Das EMG-Buch. 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2015, ISBN 978-3-13-110344-4, S. 126.
  7. Christian Bischoff, Reinhard Dengler, Hanns Christian Hopf: EMG NLG Elektromyographie und Nervenleitungsuntersuchungen. 3. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2014, ISBN 978-3-13-135663-5, S. 23.
  8. Roland Martin: Tal om nervers allmanna egenskaper i manniskans kropp. L. Salvius, Stockholm 1763.
  9. Wenzel Gruber: Ueber die Verbindung des Nervus Medianus mit dem Nervus Ulnaris am Unterarme des Menschen und der Saeugethiere. In: Archiv für Anatomie, Physiologie und Wissenschaftliche Medicin. Nr. 37, 1870, S. 501–522.