Melusine (Reimann)

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Operndaten
Titel: Melusine
Form: Oper in vier Akten
Originalsprache: Deutsch
Musik: Aribert Reimann
Libretto: Claus H. Henneberg
Literarische Vorlage: Yvan Goll: Melusine
Uraufführung: 29. April 1971
Ort der Uraufführung: Schlosstheater Schwetzingen
Spieldauer: ca. 1 ½ Stunden[1]
Ort und Zeit der Handlung: Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg
Personen

Melusine ist eine deutschsprachige Oper in vier Akten von Aribert Reimann mit einem Libretto von Claus H. Henneberg nach Yvan Golls gleichnamigem Theaterstück, das den legendären Wassergeist in Golls Zeit versetzt. Die Oper wurde für die Schwetzinger Festspiele geschrieben und am 29. April 1971 im Schlosstheater Schwetzingen uraufgeführt.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Hauptfigur ist mit einem Immobilienmakler verheiratet, aber noch Jungfrau, und konzentriert sich auf die Erhaltung eines örtlichen Parks (oder Waldes), den sie voller Naturgeister sieht. Sie kann nicht verhindern, dass auf dem Land eine Burg gebaut wird, in der sie ihre Jungfräulichkeit verliert und stirbt.

Erster Akt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine bescheidene Villa an der Peripherie einer Großstadt

Szene 1. Melusine hat den Makler Max Oleander geheiratet, den ehemaligen Liebhaber ihrer Mutter Madame Lapérouse. Die drei leben zusammen in einer Villa an einem alten Park. Obwohl die Hochzeit bereits ein halbes Jahr zurückliegt, entzieht sich Melusine noch immer ihrem Mann. Sie verbringt ihre Zeit überwiegend bei den alten Bäumen im Park. Oleander beklagt sich bei Madame Lapérouse über Melusines Verhalten und bittet sie, ihm an deren Stelle mit seiner Krawatte zu helfen, wie sie es früher getan hat.

Szene 2. Melusine kommt mit einem Arm voll Blumen ins Haus und schwärmt ihrer Mutter von der Natur vor. Sie öffnet die Terrassentür, um einen Mann zu betrachten, der gerade aus dem Park tritt.

Szene 3. Der Mann stellt sich Melusine als Geometer vor. Er soll im Auftrag des Grafen von Lusignan das Gelände vermessen. da dort ein Schloss gebaut werden soll. Melusine fleht ihn an, den Park und die Bäume nicht anzurühren. Sie seien verzaubert, und in einer Weide lebe die Pythia, eine alte Fee, die sie wie ihr eigenes Kind behandle. Der Geometer verliebt sich in Melusine. Sie fordert ihn auf, die Bäume zu retten und nennt ihm ihren Namen. Der Geometer geht ab.

Szene 4. Oleander kommt verärgert ins Haus. Der Park wurde ohne seine Vermittlung verkauft, sodass ihm das Geschäft entging. Madame Lapérouse berichtet aufgeregt, dass ein Mann von der Parkmauer in den Tod gestürzt sei. Erschrocken erkennt Melusine, dass es sich um den Geometer handeln muss.

Zweiter Akt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seeufer, mitten im Park

Szene 1. Unter einer Trauerweide sitzend beklagt Melusine das dem Wald drohende Schicksal. Sie fordert vergeblich die Natur auf, sich dagegen zu wehren, und bittet schließlich die „Königin der Weiden“ um Rat. Eine Tür öffnet sich in der Weide, und die Pythia, eine Art Kartenlegerin, tritt heraus. Sie ist anfangs ungehalten wegen Melusines Heirat mit Oleander. Da Melusine aber schwört, noch unberührt zu sein, gibt die Pythia ihr gegen das Versprechen, weiterhin rein zu bleiben und niemals zu lieben, einen Fischschwanz. Er wird ihr eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf die Männer verleihen, ohne ihre Reinheit zu gefährden. In den Karten sieht die Pythia viele Männer, darunter einen armen blonden und einen bärtigen, der bald sterben werde, sowie ein Schloss und eine große Reise. Hier jedoch sei alles rot und voller Flammen.

Szene 2. Melusine verführt einen Maurer, um ihn von der Arbeit abzuhalten. Sie verspricht ihn einen Kuss für jeden Kollegen, den er zum Streik motiviert.

Szene 3. Der Architekt und der Werkmeister sorgen sich um die mysteriösen Vorgänge auf der Baustelle: den Tod des Geometers, den hohen Grundwasserstand und verschwundene Werkzeuge. Ein Arbeiter teilt ihnen mit, dass ab sofort gestreikt werde, weil die Gegend verflucht sei. Der Architekt schickt den Werkmeister zu den Arbeitern, um sie wieder zu motivieren. Melusine nutzt die Gelegenheit, den Architekten mit einem vorgetäuschten Hilferuf zu sich zu locken und zu verführen. Ihr Kleid ist nass und hat unten die Form eines Fischschwanzes. Der Architekt verfällt ihr vollkommen.

Dritter Akt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor dem Schloss Lusignan; ein großes geschlossenes Portal

Die Arbeiter haben die Ruhe der Natur während des Winters genutzt, um das Schloss in aller Eile fertigzustellen. Weder die Pythia noch Melusine konnten es verhindern. Die Pythia fürchtet, dass sich Melusine in den Grafen verlieben könnte. In diesem Fall wäre die Geisterwelt verloren, und der Pythia bliebe nichts anderes übrig, als Feuer zu legen, um sich selbst zu vernichten. Ein Oger erscheint. Er war einst der Liebhaber der Pythia, bevor er ein Verhältnis mit Melusines Mutter einging. Er zeigt sich erschüttert über die Veränderungen. Melusine ist ihre letzte Hoffnung. Da diese heute zum ersten Mal dem Grafen begegnen wird, bittet die Pythia den Oger, sie vor dem Einfluss des Grafen zu schützen. Ein Sekretär des Grafen engagiert den Oger als Lakaien für die Einweihungsfeier.

Verwandlung: Das Portal öffnet sich und eine prächtige Halle wird sichtbar

Sechs Gäste der Einweihungsfeier unterhalten sich über die merkwürdigen Geschehnisse während des Baus. Oleander und Melusine treten ein. Letztere erregt mit ihrem Fischschwanzkleid die Aufmerksamkeit der Gäste. Der Graf und sein Sekretär kommen hinzu. Während Oleander mit dem Sekretär ins Gespräch kommt, bemüht sich der Graf um Melusine, die er schon lange erwartet hat. Der Oger unterbricht sie und weist auf einen Mann hin, der dringend mit dem Grafen sprechen wolle. Es ist der Architekt, der wie besessen hereinstürmt und den Grafen vor Melusine warnt. Auf einen Befehl des Grafen wirft der Oger den Architekten hinaus. Der Graf zieht sich mit Melusine in den Hintergrund zurück. Die Pythia kommt besorgt aus einem Winkel hervor. Ihre Erziehung Melusines scheint zu versagen. Sie beschließt, Feuer zu legen.

Vierter Akt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Weg im Park

Szene 1. Melusine und der Graf haben sich ineinander verliebt. Für sie ist es die erste Liebe, für ihn die letzte. Obwohl beide spüren, dass sie füreinander bestimmt sind, glaubt der Graf, dass sie ihn verlassen wird.

Schlafzimmer im Schloss Lusignan

Szene 2. Nach einer gemeinsam verbrachten Nacht ist der Graf irritiert über Melusines Kälte. Sie erzählt ihm von ihrem Fluch, niemals lieben zu dürfen, und bittet ihn, ihr etwas Ruhe zu lassen. Nachdem der Graf das Zimmer verlassen hat, tritt der Oger ein, reißt sich das Lakaien-Kostüm vom Leib und stellt sich ihr als ihr Vater vor. Er erzählt ihr, dass ihr Verrat der Pythia das Herz gebrochen und das Ende der Geisterwelt besiegelt habe. Sie könne nur noch eine einzige Tat vollbringen: den Mann töten, der stärker war als sie selbst. Melusine jedoch fühlt sich nun als Mensch. Da öffnet der Oger die Vorhänge und zeigt ihr, dass die Pythia bereits den Wald um das Schloss angezündet hat. Melusine läuft hinaus in die Flammen, um den Grafen zu retten.

Das gleiche Zimmer wie im ersten Bild

Szene 3. Von ihrer Wohnung aus beobachten Oleander und Madame Lapérouse das brennende Schloss. Der Sekretär berichtet, dass der Graf und seine Geliebte im Feuer umgekommen seien. Der Oger erscheint, durch den Brand übel zugerichtet, in Begleitung einiger Diener, die zwei schwere Bündel hereintragen. In einem davon befindet sich die Leiche Melusines.

Gestaltung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Musik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Musik ist atonal und extrem dissonant. Das Orchester wird höchst ausdrucksstark eingesetzt. Es gibt einige aleatorische Passagen.[1] Der Rezensent des Guardian nannte die Musiksprache „neo-expressionistisch mit hervorstechenden Clustern“. Der Vokalstil reiche von deklamierter Sprache bis zu anspruchsvollsten Koloraturen.[3] Ein Rezensent der Uraufführung, der für die Wochenzeitung Die Zeit schrieb, fand den Gesangsstil der drei Hauptfiguren überzeugend und verglich die Ausdruckskraft des Werks mit Alban Bergs Lulu und seine Atmosphäre mit Claude Debussys Pelléas et Mélisande, wobei er Ähnlichkeiten zwischen den drei weiblichen Charakteren feststellte.[4]

Orchester[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Orchesterbesetzung der Oper umfasst die folgenden Instrumente:[2]

Werkgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aribert Reimanns Oper Melusine entstand 1970 im Auftrag des Süddeutschen Rundfunks Stuttgart. Das Libretto verfasste Claus H. Henneberg. Es basiert auf dem gleichnamigen Schauspiel von Yvan Goll.[2]

Der Titel bezieht sich auf den legendären Wassergeist. In Anlehnung an eine französische Legende und später an ein deutsches Volksbuch von Thüring von Ringoltingen[4] wird das Thema auf das moderne Alltagsleben in Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg übertragen.[1]

Bei der Uraufführung im Schlosstheater Schwetzingen dirigierte Reinhard Peters das Sinfonieorchester des Süddeutschen Rundfunks. Die Inszenierung stammte von Gustav Rudolf Sellner. Für Ausstattung, Bühne und Kostüme war Gottfried Pilz zuständig. Die Darsteller waren Solisten der Deutschen Oper Berlin:[2] Catherine Gayer (Melusine), Martha Mödl (Pythia), Slavka Taskova-Paoletti oder Gitta Mikes (Madame Lapérouse), Donald Grobe (Oleander) und Barry McDaniel (Graf von Lusignan), Ivan Sardi (Geometer), Klaus Lang (Maurer), Loren Driscoll (Architekt), Josef Greindl (Oger) sowie Hanna Wisniewska, Mirka Dzakis, Maria Brill, Leopold Clam, Andreas Bauer und David Knutson.[5][6]:15048

Die Produktion wurde noch im selben Jahr beim Edinburgh Festival im King’s Theatre in Edinburgh gezeigt.[7] Seitdem gab es eine Reihe weiterer Produktionen:

Aufnahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Melusine. In: Quaintance Eaton: Opera Production II – A Handbook. University of Minnesota Press, 1974, S. 152–153.
  2. a b c d e Schott Music: Aribert Reimann – Ein Führer zu den Bühnenwerken. S. 12–13 (online).
  3. Andrew Clements: Rezension der CD Wergo WER 6719 2. In: The Guardian. 19. August 2010, abgerufen am 20. November 2023.
  4. a b Wolfram Schwinger: Aribert Reimanns neue oper in Schwetzingen uraufgeführt. (Memento vom 22. Juli 2012 im Internet Archive) In: Die Zeit. 7. Mai 1971.
  5. 29. April 1971: „Melusine“. In: L’Almanacco di Gherardo Casaglia
  6. a b c Aribert Reimann. In: Andreas Ommer: Verzeichnis aller Operngesamtaufnahmen (= Zeno.org. Band 20). Directmedia, Berlin 2005.
  7. Informationen über die Aufführung beim Edinburgh Festival 1971 auf operascotland.org, abgerufen am 20. November 2023.
  8. Klaus Schultz: Aribert Reimanns Oper Melusine – Eine Einführung. In: Beilage zur CD Wergo WER 6719 2, S. 3–6.
  9. Kurt Oppens: Rezension der Produktion in Santa Fe 1972. In: Opernwelt 11/1972, S. 20, laut Gesamtregister Opernwelt.
  10. Karl Heinz Ruppel: Rezension der Produktion in München 1973. In: Opernwelt 9/1973, S. 14, laut Gesamtregister Opernwelt.
  11. H. Koch: Rezension der Produktion in Zürich 1974. In: Opernwelt 3/1974, S. 39, laut Gesamtregister Opernwelt.
  12. Peter Dannenberg: Rezension der Produktion in Braunschweig 1976. In: Opernwelt 12/1976, S. 40, laut Gesamtregister Opernwelt.
  13. Alfred Beaujean: Rezension der Produktion in Aachen 1984. In: Opernwelt 7/1984, S. 42, laut Gesamtregister Opernwelt.
  14. Jörg Riedlbauer: Rezension der Produktion in Würzburg 1991. In: Opernwelt 7/1991, S. 38, laut Gesamtregister Opernwelt.
  15. Gabor Halasz: Rezension der Produktion in Heidelberg 1993. In: Opernwelt 3/1993, S. 44, laut Gesamtregister Opernwelt.
  16. Stephan Mösch: Rezension der Produktion in Dresden 1994. In: Opernwelt 8/1994, S. 49, laut Gesamtregister Opernwelt.
  17. Stephan Mösch: Rezension der Produktion in München 1997. In: Opernwelt 12/1997, S. 49, laut Gesamtregister Opernwelt.
  18. Joachim Lange: Land unter. Rezension der Produktion in Weimar 2005. In: Opernwelt September/Oktober 2005. Der Theaterverlag, Berlin 2005, S. 63 (eingeschränkte Vorschau; Abonnement für den vollständigen Text erforderlich).
  19. Monika Beer: Reimann: Melusine. Rezension der Produktion in Nürnberg 2007. In: Opernwelt Juli 2007. Der Theaterverlag, Berlin 2007, S. 53 (eingeschränkte Vorschau; Abonnement für den vollständigen Text erforderlich).
  20. Gerhart Asche: Starkes Plädoyer. Rezension der Produktion in Bremerhaven 2009. In: Opernwelt Juni 2009. Der Theaterverlag, Berlin 2009, S. 41 (eingeschränkte Vorschau; Abonnement für den vollständigen Text erforderlich).
  21. a b Informationen über die Produktion der Universität der Künste Berlin 2016, abgerufen am 20. November 2023.
  22. Boris Kehrmann: Alte Meister. Zwei Märchenopern auf CD: Reimanns „Melusine“ und Henzes „L’Upupa“. Rezension der CD Wergo WER 6719 2. In: Opernwelt September/Oktober 2010. Der Theaterverlag, Berlin 2010, S. 43 (eingeschränkte Vorschau; Abonnement für den vollständigen Text erforderlich).