Michelle Tea

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Michelle Tea (2018)

Michelle Tea (* 1971 in Chelsea (Massachusetts) als Michelle Tomasik) ist eine US-amerikanische Autorin von Prosa und erzählender Lyrik. In ihren autobiografischen Werken befasst sie sich mit queerer Kultur, Feminismus, Rassismus, Gesellschaftsklassen, Prostitution und ähnlichen Themen. Tea identifiziert sich lange Jahre mit der Literatur- und Kunstszene San Franciscos und lebt heute in Los Angeles. Ihre Bücher, hauptsächlich Memoiren, sind für ihre Auseinandersetzung mit der Queercore-Community bekannt.

Frühes Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tea wuchs in Chelsea, Massachusetts, in einer Arbeiterfamilie auf. Ihr Vater war ein polnischer Katholik und ihre Mutter irischer und frankokanadischer Abstammung. Sie fühlte sich schon früh anders als andere Kinder und fand Trost in der Musik. In der High School identifizierte sich Tea mit der Gothic-Subkultur und Künstlern wie Siouxsie Sioux. Sie fühlte sich auch zu literarischen Werken hingezogen, darunter The Outsiders von Susan E. Hinton, zur Poesie von Sylvia Plath und der Beat Generation.

Als sie zwanzig Jahre alt war, las Tea Angry Women aus der Serie der RE/Search Publications, darunter Interviews mit radikalen Künstlerinnen, Schriftstellerinnen und Denkern. Das Buch hatte großen Einfluss. „Das hat mir wirklich gezeigt, dass es eine Abstammungslinie [von Schriftstellerinnen] und einen Weg gibt, und ich konnte mich wirklich darauf einlassen“, erklärte sie in einem Interview.[1]

Während ihrer Kindheit wurde Tea von ihrem Stiefvater durch ein Loch in der Wand ihres Kinderzimmers beobachtet. Sie kämpfte mit diesem Missbrauch und leugnete ihn viele Jahre lang. Als Teenager begann Tea, Alkohol zu trinken. Als sie 19 Jahre alt war, gab ihr Stiefvater den Missbrauch zu, aber Teas Mutter entschied sich, bei ihm zu bleiben. Daraufhin beschloss Tea, ihr Zuhause zu verlassen und in das Haus ihrer damaligen Freundin in Boston zu ziehen.[1]

Während dieser Zeit verdiente Tea ihren Lebensunterhalt mit zwei Mindestlohnjobs als Rezeptionistin im Friseursalon und als Angestellte in einem Feinkostladen. Ihre Freundin, eine Sexarbeiterin, verdiente deutlich mehr Geld als sie, daraufhin beschloss sie, auch Sexarbeit zu betreiben. Anfang der 1990er-Jahre trennte sich Tea von ihrer Freundin und zog nach San Francisco.[1]

Spoken Word und Sister Spit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In San Francisco tauchte Tea in die Literatur- und Spoken-Word-Szene ein. Es war „[...] sehr demokratisch. Jeden Abend gab es offene Mikrofone. Die Poesie brachte ich mir autodidaktisch bei – und zwar von Punk und Hip-Hop inspirierte Straßenpoesie. Es war perfekt für mich. Ich hatte das Gefühl, ich könnte ganz ich selbst sein, zu dieser Zeit queer, feministisch, punk, zur Arbeiterklasse gehörend.“[1]

1994 gründeten Michelle Tea und Sini Anderson Sister Spit, ein queer-feministisches Kollektiv. Die Gruppe veranstaltete wöchentliche Open-Mic-Abende in San Francisco, die lokale und Underground-Talente sowie etabliertere Schriftsteller wie Mary Gaitskill, Eileen Myles und Beth Lisick anzogen. Im Jahre 1997 startete Sister Spit die Ramblin’ Road Show, eine Spoken-Word-Tour, die in Bars, Galerien, Buchhandlungen, Gemeindezentren und anderen Veranstaltungsorten in den Vereinigten Staaten und Kanada auftrat.[2][3] Die Tour wurde 2007 kurzzeitig als Sister Spit: The Next Generation wiederbelebt, bei dem Künstler wie Ariel Schrag, Justin Vivian Bond, Blake Nelson, Nicole Georges, Cristy Road, Eileen Myles und Beth Lisick.[4]

Im Jahre 1998 erschien ihr Teas erstes Buch The Passionate Mistakes and Intricate Corruption of One Girl in America bei Semiotext(e)/Smart Art Press. Das Buch enthielt Kurzgeschichten in Memoirenform und behandelte Themen wie Teas Kindheit in Massachusetts, ihr jugendliches Interesse an der Gothic-Subkultur und Sexarbeit.[5]

Valencia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2000 wurden die Memoiren Valencia veröffentlicht. Das Buch schildert das Leben von Michelle, einer jungen lesbischen Dichterin, im Mission District von San Francisco. Die Handlung konzentrierte sich hauptsächlich auf das Liebesleben der Hauptfigur, da sie im Laufe eines Jahres mit mehreren Frauen ausging. In einem Interview erklärte sie: „Die ‚Michelle‘ in dem Buch bin definitiv ich, aber wenn es dem Leser leichter fällt, sich vorzustellen, dass alles eine riesige Fiktion ist, ist das auch in Ordnung.“[5] Das Buch verhalf Tea zu lokalem und literarischem Erfolg, insbesondere nach dem Gewinn des Lambda Literary Award 2001 in der Kategorie Lesbian fiction.[6]

Akademie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Februar 2008 war Tea der 23. Zale Writer in Residence am H. Sophie Newcomb Memorial College der Tulane University in New Orleans.[7] Sie hat kein College besucht und in Interviews angegeben, dass sie die Voraussetzungen für ein Studium habe.[8]

Radar Productions[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tea ist bekannt für ihre Arbeit als Organisatorin und Fürsprecherin lokaler Künstler und Schriftsteller. Im Jahr 2003 gründete Tea Radar Productions als Non-Profit-Organisation, die Veranstaltungen organisiert, um die Arbeit queerer Schriftsteller und Künstler zu präsentieren.[9] Sie fungierte zwölf Jahre lang als Creative Director und trat 2015 zurück, damit sie sich auf andere Beschäftigungen konzentrieren konnte. Juliana Delgado Lopera, Dozentin für kreatives Schreiben an der San Francisco State University, trat an ihre Stelle.[10] Im Jahr 2015 gründete Radar Productions die Drag Queen Story Hour (DQSH) in San Francisco.[11] Die Veranstaltung, bei der Dragqueens Kindern Bücher vorlesen, findet mittlerweile in mehreren Städten in den Vereinigten Staaten und in Tokio statt.

Die 2010er-Jahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bevor Tea im Jahre 2012 gemeinsam mit City Lights Publishers das Label Sister Spit gegründet hat,[12] war sie mit der Sex Workers’ Art Show auf Tour[8] und schrieb für die Zeitschrift The Believer.

Von 2012 bis 2015 schrieb Tea eine Kolumne für xoJane.com, in der sie die Schwierigkeiten schilderte, mit denen sie beim Versuch, mit ihrem Partner Dashiell Lippman ein Kind zu bekommen, konfrontiert war.[13][14] Ihre Artikel dokumentierten den Stress und die Schwierigkeiten, die mit Fruchtbarkeitsbehandlungen und künstlicher Befruchtung einhergingen, und beleuchteten darüber hinaus Lücken, die für queere Paare in einem System bestanden, das speziell für heterosexuelle Paare geschaffen wurde.[15][16][17]

Michelle Tea gründete 2016 Amethyst Editions, ein Label der Feminist Press.

Tea stoppte ihre Arbeit als Autorin, um als Executive Producer von Valencia: The Movie zu fungieren. Basierend auf ihrem gleichnamigen Roman wurde der Experimentalfilm von der Filmemacherin Hilary Goldberg ins Leben gerufen.[18][19] Valencia wurde von 20 verschiedenen lesbischen, queeren und transsexuellen Regisseuren gedreht, denen jeweils ein anderes Kapitel ihres Romans zugewiesen wurde. Die 21 verschiedenen „Michelle“-Charaktere „variieren in Alter, Geschlecht, Größe, ethnischer Zugehörigkeit, Stil und Ära“.[20]

Ihre Erfahrungen beim Versuch, schwanger zu werden und sich auf die Elternschaft vorzubereiten, veranlassten sie, die Website Mutha Magazine zu starten, eine alternative Mutter-/Erziehungswebsite, die sich an Eltern richtet, die sich nicht mit den Mainstream-Erziehungsmedien identifizieren. Über das Projekt sagt sie: „Ich denke, es gibt viele Frauen, die schwanger werden und Babys bekommen, aber sie sind nicht Teil dieser kulturell traditionellen Vorstellung davon, was es bedeutet, Mutter zu sein, und sie sind nicht an Medien, die es bereits gibt, interessiert.“[21]

Im Jahr 2018 erschien Against Memoir, veröffentlicht bei Feminist Press.[22]

Kritiken und Anerkennung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Februar 2019 gewann Michelle für ihr Buch Against Memoir den PEN / Diamondstein-Spielvogel Award for Art of the Essay.

Während einer gemeinsamen Tournee im Jahr 2000 kamen Tea und der Autor Clint Catalyst auf die Idee, Ich-Erzählungen für ihre 2004 erschienene Anthologie Pills, Thrills, Chills and Heartache zu sammeln. Das Buch, das Werke von JT LeRoy, Dennis Cooper und Eileen Myles enthält, wurde von Publishers Weekly als „Feier der Avantgarde“[23] beschrieben und erreichte bereits in der ersten Veröffentlichungswoche Platz 10 in der Kategorie Non-Fiction Paperback der Los Angeles Times Bestsellerliste.[24] Darüber hinaus war das Buch 2004 Finalist der Lambda Literary Awards in der Kategorie Anthologies/Fiction.[25] Ihre Bücher wurden oft für den Wettbewerb nominiert, beginnend mit dem Preis für „Lesbian Fiction“ im Jahr 2001 für Valencia.[6]

Im Jahre 2008 wurde Tea beim Saints & Sinners LGBTQ+ Literary Festival der Jim Duggins Outstanding Mid-Career Novelists’ Prize verliehen. Sie erhielt 2021 ein Guggenheim-Stipendium im Studienfach General Nonfiction.[26]

Persönliches[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Michelle Tea war viele Jahre mit dem Rapper Katastrophe, einer Transgender-Hip-Hop-Künstlerin, liiert. Sie teilten sich eine Wohnung im Stadtteil North Beach (San Francisco).[27] Im Jahr 2013 heiratete Tea Dashiell Lippman in der Swedish American Hall in San Francisco.[28] Sie bekamen 2015 einen Sohn.[29] Am 5. März 2022 heiratete Michelle TJ Payne im Madonna Inn in San Luis Obispo.[30]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anthologien
  • Pills, Thrills, Chills, and Heartache: Adventures in the First Person (ed. with Clint Catalyst) (2004) ISBN 1-55583-753-0
  • Without A Net: The Female Experience of Growing Up Working Class (ed.) (2004) ISBN 1-58005-103-0
  • Baby, Remember My Name: An Anthology of New Queer Girl's Writing (ed.) (2006) ISBN 0-7867-1792-0
  • Sister Spit: Writing, Rants and Reminiscence from the Road (ed.) (2012) ISBN 978-0-87286-566-2

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Michelle Tea – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Fiona Sturges: Michelle Tea: ‘Memoir writing is a very selfish act. There’s wreckage behind me’. The Guardian, 8. November 2019, abgerufen am 10. November 2023.
  2. David Hellman: Tea leaves the East for the West to sing the body electric. SFGATE, 11. April 2004, abgerufen am 10. November 2023.
  3. Sister Spit. Queer Cultural Center, abgerufen am 10. November 2023.
  4. Michelle Tea: Sister Spit: Writing, Rants & Reminiscence from the Road. City Lights, San Francisco 2012, ISBN 978-0-87286-566-2.
  5. a b Andi Zeisler: Tea Time: Michelle Tea Likes it Caffeinated. (Memento vom 26. März 2023 im Internet Archive)
  6. a b Antonio Gonzalez Cerna: 13th Annual Lambda Literary Awards. Lambda Literary, 9. Juli 2001, abgerufen am 10. November 2023.
  7. Michelle Tea - 23rd Zale Writer-In-Residence. Newcomb Archives and Vorhoff Collection, abgerufen am 10. November 2023.
  8. a b Rachel Kramer Bussel: Interview with Michelle Tea. (Memento vom 24. April 2010 im Internet Archive)
  9. Radar Productions: About Us. Abgerufen am 10. November 2023.
  10. Caitlin Donohue: Michelle Tea leaves RADAR Productions, oral historian to succeed her. 48 Hills, 8. Mai 2015, abgerufen am 10. November 2023.
  11. Tim Fitzsimons: Drag Queen Story Hour brings pride and glamor to libraries across U.S. NBC News Digital, 19. Juni 2018, abgerufen am 10. November 2023.
  12. TT Jax: Michelle Tea: A Writer’s Passion. Lambda Literary, 3. Juli 2012, abgerufen am 10. November 2023.
  13. Michelle Tea: Getting Pregnant With Michelle Tea. (Memento vom 31. Oktober 2013 im Internet Archive)
  14. Michelle Tea: I Have a Donor! Plus, I'm Dating Someone. (Memento vom 31. Oktober 2013 im Internet Archive)
  15. Michelle Tea: Getting Pregnant With Michelle Tea: Scrolling Through Sperm Donors. (Memento vom 1. November 2013 im Internet Archive)
  16. Michelle Tea: Getting Pregnant With Michelle Tea: Homophobia at the Fertility Clinic. (Memento vom 1. November 2013 im Internet Archive)
  17. Michelle Tea: Getting Pregnant With Michelle Tea: Dashiell's Ovaries Rule! (Memento vom 1. November 2013 im Internet Archive)
  18. Anna Pulley: Review: “Valencia: The Movie” premieres at Frameline. AfterEllen.com, 25. Juni 2013, abgerufen am 10. November 2023.
  19. Dennis Harvey: Film Review: ‘Valencia’. Variety, 12. Juli 2013, abgerufen am 10. November 2023.
  20. Valencia: Chapter 19. Working Not Working, abgerufen am 10. November 2023.
  21. Sarah Mirk: Q&A; With Michelle Tea on Her New Alternative Parenting Project "Mutha Magazine". (Memento vom 1. November 2013 im Internet Archive)
  22. Michelle Tea: Against Memoir. Complaints, Confessions & Criticisms. Hrsg.: Feminist Press. New York City 2018, ISBN 978-1-936932-18-4.
  23. Charles Hix, R. Dahlin: Selected Gay & Lesbian Titles, June 2003—March 2004. Publishers Weekly, 25. August 2003, abgerufen am 10. November 2023.
  24. Bestsellers. Los Angeles Times, 14. März 2004, abgerufen am 10. November 2023.
  25. Previous Winners: Lambda Literary Awards Finalists & Winners. Lambda Literary, abgerufen am 10. November 2023.
  26. Michelle Tea. The John Simon Guggenheim Memorial Foundation, 2021, abgerufen am 10. November 2023.
  27. Jane Ganahl: Michelle Tea mines her colorful past for a graphic memoir. And we mean graphic. SFGATE, 25. August 2004, abgerufen am 10. November 2023.
  28. Michelle Tea and Dashiell Lippman. The New York Times, 10. November 2013, abgerufen am 10. November 2023.
  29. Getting Pregnant With Michelle Tea: I Had A Baby. Medium, 12. Februar 2015, abgerufen am 10. November 2023.
  30. Michelle Tea and TJ Payne. Zola, abgerufen am 10. November 2023.