Militärpsychologie

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Die Militärpsychologie befasst sich mit der psychischen Eignung für militärische Tätigkeiten, psychischen Belastungen durch den soldatischen Dienst sowie dessen längerfristigen Folgen. Sie war die erste Disziplin der Angewandten Psychologie, die während des Ersten Weltkrieges breite Anerkennung fand und von den Armeen gefördert worden ist. Im weiteren Sinne geht es auch um die Reaktionen (Panik) nach dem Einsatz etwa von ABC-Waffen in der Zivilbevölkerung oder die weitere Einsatzfähigkeit von Truppen danach.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als die USA 1917 in den Ersten Weltkrieg eintraten, wurde ein Eignungstest (Weiterentwicklung des Stanford-Binet-Test) durch Psychologen (Lewis M. Terman) entworfen und in einem halben Jahr mehr als eineinhalb Millionen Male eingesetzt. In Deutschland prüften Psychologen Kraftfahrer, Funker und Horcher auf die notwendigen Fähigkeiten für den Militäreinsatz. Nach dem Krieg begann die zivile Nutzung durch Industrie und Schulen. So wurde aus einer rein akademischen Disziplin eine stark nachgefragte Anwendung in einem Berufsfeld. In der Weimarer Republik schuf nach einer Anlaufphase ab 1921 die Reichswehr 1925 die ersten Planstellen für Psychologen im öffentlichen Dienst; ab 1927 wurden alle Offizieranwärter psychologisch untersucht, auch von der Wehrmacht bis 1942, als keine Auswahl mehr sinnvoll war.[1] Dabei wurden z. B. Rechenaufgaben während der Bewegung im Rhönrad gestellt, Flieger wurden auf ihren Orientierungssinn getestet. Auch wurden Ursachen für Flugunfälle untersucht. Zwei Unterdisziplinen entstanden dadurch: die Ausdruckskunde und die Charakterkunde, die in Deutschland bis in die 1970er Jahre zum Pflichtstudium gehörten. Die genauen Anforderungen des Psychologiestudiums wurden 1941 erstmals durch eine Diplom-Prüfungsordnung geregelt. Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Oswald Kroh, erhielt 1938 in München die Denomination für Heerespsychologie. Nach seiner Auffassung war es die Aufgabe der Psychologen, „jeden Volksgenossen“ dorthin zu stellen, wo er die maximale Leistung erbringen könne (Schreiben 1940). In der Kriegsmarine setzte Großadmiral Erich Raeder den Fortbestand der Militärpsychologie bis 1945 durch, weil er mit ihren Empfehlungen und Ergebnissen sehr zufrieden war. Hauptaufgaben waren vor allem die Prüfung von Bewerbern: Offizierbewerber, Waffenleitvorleute, Signalmeister, E-Messer, Horcher und Fla-Horcher. Daneben wurden die Psychologen gelegentlich auch angefordert, an Kriegsgerichtsverhandlungen als Gutachter teilzunehmen sowie Selbstmordfälle zu untersuchen.

Eine ähnliche Professionalisierung erfuhr die Psychologie in Großbritannien und in Kanada während des Zweiten Weltkriegs. Bei der Wiederaufrüstung der Bundeswehr wurden wieder Militärpsychologen der Wehrmacht eingestellt. In der US-Armee fanden die in Deutschland entwickelten Pilotentests eine Wiederverwendung. Das Pentagon finanzierte in den 1950er Jahren zahlreiche Studien in den USA über scheinbar zivile Themen, wie Konzeptbildung bei Tauben oder sensorische Deprivation, die tatsächlich militärisch motiviert waren.

In der DDR gab es an der Militärakademie Friedrich Engels ein Institut für Militärpädagogik und Militärpsychologie. In Österreich gibt es einen Heerespsychologischen Dienst. Hubert Annen ist Dozent für Militärpsychologie und Militärpädagogik an der Militärakademie an der ETH Zürich.

Ebenfalls seit dem Ersten Weltkrieg gibt es eine medizinische Militärpsychiatrie, die für die vielen nervlich Verletzten notwendig wurde (Kriegszitterer).

Bekannte Militärpsychologen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Viele Psychologen, Pädagogen und Philosophen haben ihren Wehrdienst als Militärpsychologen geleistet.

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Israel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schweden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

USA[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ulfried Geuter: Die Professionalisierung der deutschen Psychologie im Nationalsozialismus, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1984 ISBN 978-3-518-28301-1
  • P. R. Hofstätter (Hrsg.): Deutsche Wehrmachtspsychologie 1914–1945, Verlag für Wehrwissenschaften, München 1985
  • N.F. Fedenko, A.W. Barabantschikow: Grundlagen der Militärpsychologie und Militärpädagogik, Dresden 1987
  • Peter Riedesser, Axel Verderber: Aufrüstung der Seelen. Militärpsychiatrie und Militärpsychologie in Deutschland und Amerika, Köln 1991, ISBN 978-3921472965.
  • Helmut E. Lück/Rudolf Müller (Hg.): Illustrierte Geschichte der Psychologie, Beltz, 2. Aufl. Weinheim 1999, S. 279–283 ISBN 3-621-27460-X.
  • Wilfried Reuter: Militärpsychologie in der DDR (Historische Psychologie), Centaurus 2000 ISBN 978-3825503086.
  • Dave Grossman: On Killing. The Psychological Cost of Learning to Kill in War and Society. Überarbeitete Auflage. Little, Brown and Company, New York 2009, ISBN 978-0-316-04093-8 (amerikanisches Englisch). eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  • Stephen Bowles, Paul T. Bartone (Hg.): Handbook of Military Psychology. Clinical and Organizational Practice, Springer, 2017 ISBN 978-3-319-66190-2.
  • Michael D. Matthews: Head Strong: How Psychology is Revolutionizing War. Verbesserte und erweiterte Auflage. Oxford University Press, New York 2020, ISBN 978-0-19-087047-8.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Pascal Wallisch: Deutsche Psychologie in der Zeit des Nationalsozialismus, S. 31 online, weist darauf hin, dass die Einstellung der Wehrmachtspsychologie möglicherweise auch darin begründet war, dass Söhne höherer NS-Größen (z. B. Keitel) nicht als Offiziere zugelassen worden waren.