Mondscheintarif

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Der Mondscheintarif war eine ermäßigte Gebühr für das Telefonieren zwischen 22 und 6 Uhr. Er wurde 1974 vom Bundespostministerium eingeführt und 1980 wieder abgeschafft. Er verursachte zeitweilig Kapazitätsengpässe.[1] Damit verbunden ist die Erinnerung der Zeitzeugen an abendliches Schlangestehen vor den Telefonzellen.[2] Wegen des Andrangs waren zudem ganze Ortsnetze über längere Zeit nicht zu erreichen. „Sprachlos beim Mondschein“, kommentierte die Frankfurter Rundschau 1979.[3]

Die amtliche Bezeichnung lautete „Nachtgebühr I“ bzw. „Nachtgebühr II“.[4] Betriebswirtschaftlich handelt es sich um ein die Benutzungszeit beeinflussendes Lenkungsmodell.[5] Die Tarifbezeichnung für Telefonate wurde später wieder aufgegriffen und galt zeitweilig ab 18 Uhr. Unter anderem für die Bezeichnungen Sunshine- und Moonshine-Tarif erhielt Ron Sommer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, 1998 die Auszeichnung Sprachpanscher des Jahres. Im übertragenen Sinn werden andere abendliche oder nächtliche Preisnachlässe ebenfalls zum Mondscheintarif gewährt.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff war poetisch konnotiert[6] und gehört zu den wenigen behördlich verwendeten Bezeichnungen, die sofort in die Umgangssprache übernommen wurden.[7] Er stammte von der Hamburger Werbeagentur Lintas, die auch den Slogan Ruf doch mal an entwickelte,[8] und ist seit 1980 in den Rechtschreib-Duden aufgenommen. Ildikó von Kürthys Roman Mondscheintarif, in dem die Protagonistin auf den Anruf ihres Geliebten wartet, erschien 1999[9], bei der Verfilmung von 2001 führte Ralf Huettner Regie.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Wochenbericht. 1989, S. 122
  2. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Juni 2008, S. 1
  3. Telephon: Milliarden sinnlos verpulvert. In: Der Spiegel. Nr. 37, 1979 (online).
  4. 2. Änderungsverordnung zur Fernmeldeordnung vom 12. Februar 1974 (BGBl. I Nr. 15 vom 19. Februar 1974, S. 185ff), Anlage 10 (S. 274)
  5. Paul Kirchhof: Nichtsteuerliche Abgaben. In: Josef Isensee: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland. 3. Auflage, Heidelberg 2007, S. 1127
  6. Lothar Lemnitzer: Von Aldianer bis Zauselquote. Neue deutsche Wörter. Tübingen 2007, S. 75
  7. Dietmar Bartz: Wirtschaft von A bis Z. Frankfurt am Main 2002, S. 313
  8. Rein deutsch. In: Der Spiegel, 20. Juni 1983, online
  9. Ildikó von Kürthy: Mondscheintarif Rowohlt, Reinbek 1999, ISBN 3-499-23479-3. Als Hörbuch, gelesen von Ildikó von Kürthy, Argon Verlag, Berlin, ISBN 978-3-86610-854-7