Nafri

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Nafri ist eine interne Arbeitsbezeichnung der Polizei Nordrhein-Westfalen für „Nordafrikaner“ oder „Nordafrikanischer Intensivtäter“. Es handelt sich um eine Abkürzung, die polizeiintern zum Beispiel im Funkverkehr genutzt wird.[1] Darüber hinaus fand der Begriff nach den Vorfällen an den Silvesternächten in Köln 2015/16 sowie 2016/17 öffentliche und mediale Beachtung und wird seitdem kontrovers diskutiert.

Polizeiliche Bezeichnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine eindeutige und amtliche Definition für Nafri existiert nicht.[2] Laut dem Kölner Polizeipräsidenten Jürgen Mathies wird die Bezeichnung seit 2013 behördenintern für nordafrikanische Intensivtäter verwendet.[3][4][5] Der Rheinischen Post zufolge richtete die Polizei in Düsseldorf und Köln 2014 inoffizielle Arbeitsgruppen ein, um Kriminalität von allein reisenden Männern aus dem nordafrikanischen Raum zu dokumentieren. Dabei habe sich der Ausdruck „Nafri-Täter“ etabliert.[6] Im März 2014 bezeichnete die Kölner Stadtverwaltung das Projekt als „NAFRI – Straftäter aus nordafrikanischen Staaten“.[7][8]

Die Bezeichnung wurde nach der Kölner Silvesternacht 2015/2016 öffentlich bekannt[9][10] und wurde danach auch von Medien übernommen.[11][12][13] Im Januar 2016 stellten die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Grüne und FDP im Landtag den Antrag, einen Untersuchungsausschuss zur Silvesternacht 2015/2016 einzusetzen. Im Antrag wurden das Projekt bzw. die Sonderkommission „NAFRI“ genannt.[14]

Nach Presseangaben Anfang 2017 definiert das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen das „Phänomen Nordafrikaner (NAFRI)“ in einer Verschlusssache (VS-NfD) folgendermaßen:[15]

Andere Behörden wie die Polizei Berlin verwenden die Bezeichnung nicht. Stattdessen werden Regionenbezeichnungen wie Maghreb benutzt oder es wird von „südländischer Erscheinung“ gesprochen.[17] Ebenso teilte das Bundesministerium des Innern mit, dass das Wort keine offizielle Sprachregelung oder ein offizieller Begriff sei, den sie verwenden würden.[18]

Kontroversen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Öffentlich bekannt wurde die Bezeichnung durch einen Tweet der Kölner Polizei in der Silvesternacht 2016/2017 über ihren Einsatz am Hauptbahnhof Köln („Am HBF werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft. Infos folgen“). Dies löste eine politische Diskussion aus. Simone Peter, eine der beiden Grünen-Vorsitzenden, nannte den Begriff „völlig inakzeptabel“, da er eine herabwürdigende Gruppenbezeichnung sei.[19] Der grüne Oberbürgermeister Tübingens, Boris Palmer, fand die offizielle externe Verwendung des internen Ausdrucks unangemessen, verteidigte aber im Gegensatz zu Peter den Polizeieinsatz.[10] Auch Cem Özdemir, gemeinsam mit Peter Co-Vorsitzender der Grünen, verteidigte den Polizeieinsatz und auch das gezielte Ansprechen von Nordafrikanern. Wichtig sei, „dass die Menschen in Köln sicher waren“. Ebenso äußerte sich die innenpolitische Sprecherin der Grünen Irene Mihalic, die meinte, Peters Aussagen erweckten den Eindruck, sie denke „egal was die Polizei macht, sie macht es nie richtig. Diesen Eindruck sollten wir versuchen zu vermeiden.“[20][21]

Laut Jürgen Mathies ist Nafri ein polizeiinterner Ausdruck für Nordafrikanischer Intensivtäter. In der Silvesternacht sei es laut Mathies nicht um das Aussehen von Personen gegangen, sondern um deren aggressives Verhalten.[22] Davon abweichend wird jedoch in einem Artikel von Zeit Online berichtet, dass „eine Definition im Umlauf“ sei, wonach das Wort „allein eine ethnische Zugehörigkeit beschreiben soll – also Nordafrikaner, unabhängig von einer möglichen Straffälligkeit.“ In diese Richtung wurde etwa ein Polizeisprecher bei Spiegel Online zitiert.[23] Der Vorsitzende der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, Ernst G. Walter, erklärte ebenso, „Nafri“ stehe für nordafrikanische Intensivtäter. Damit seien nicht pauschal alle Menschen aus Nordafrika gemeint: „Wenn eine nordafrikanische Person in Verdacht steht, eine Straftat zu begehen, ist sie ein ‚Nafri‘.“[8] Zugleich erklärte er, dass der Begriff weder rassistisch noch als Schimpfwort zu verstehen sei. Thomas Wüppesahl, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten, äußerte sich, es sei ein behördentypisches Kürzel.[24]

Um den Begriff positiv zu besetzen, hat die Kinderbuchautorin Nadia Doukali sich Nafri als Markenbegriff rechtlich schützen lassen.[25]

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz kritisierte die Verwendung dieses Ausdrucks.[26] Die Sprachwissenschaftlerin und Sprecherin der Jury der Sprachkritischen Aktion Unwort des Jahres Nina Janich sagte, dass die Benutzung des Kürzels „um sich schnell zu verständigen“ erst einmal „Fachsprache oder eben eine besondere Art von interner Kommunikation“ sei. Bei einem medialen Gebrauch, wenn es allgemein um Flüchtlinge gehe, könne eine solche Verwendung problematisch sein und den Kriterien für das Unwort des Jahres entsprechen.[27] Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch argumentierte u. a., dass die Polizei den Begriff zunächst geschaffen habe, „weil sie eine Bezeichnung für eine bestimmte Gruppe wiederholt straffälliger Menschen brauchte.“ Diese Absicht sei nicht zu verurteilen. Jedoch nehme, sobald die Bezeichnung öffentlich wurde, „ihre Bedeutungsentwicklung ein Eigenleben an“. In diesem Fall habe „sich schnell eine Doppeldeutigkeit zwischen Menschen und Straftätern aus einer bestimmten geographischen Region herausgebildet“, die potenziell rassistische Denk- und Handlungsweisen auslösen bzw. verstärken könne. Zudem wurde ein breiter und heterogener Personenkreis zusammengefasst, der sich vorrangig dadurch auszeichnet, „nicht weiß zu sein.“[28]

Es entstand zudem eine Diskussion um Racial Profiling,[29] da die Polizei eintreffende Männer der „fahndungsrelevanten Klientel“ abfing und kontrollierte. Nach Polizeiangaben waren dies fast ausschließlich Personen aus dem Maghreb und anderen arabischen Ländern. Kritik an der Auswahl der Personen wurde entgegengehalten, dass man wisse, wie ein „Nafri“ aussehe.[30] Zwei Wochen später korrigierte die Polizei Köln ihre Angaben. Die überprüften Männer seien nach ersten Ergebnissen zu einem großen Teil Staatsbürger des Irak, Syriens und Afghanistans und nur zu einem geringen Teil aus nordafrikanischen Ländern. Bei 425 der 674 Personen sei nun eine vorläufige Nationalität festgestellt: Es handelte sich um 99 Iraker, 94 Syrer, 48 Afghanen, 46 Deutsche und 30 Nordafrikaner.[31]

Der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt führte die öffentliche Diskussion um den Begriff Nafri fort, indem er der Passauer Neuen Presse sagte: „Die Menschen wollen klare Antworten auf die Frage, wie der Staat bestmöglich für ihre Sicherheit sorgt und sie zum Beispiel vor Nafris schützt“, und erntete dafür von der SPD, den Grünen und den Linken massive Kritik.[32]

Die 2018 veröffentlichte Analyse niedersächsischer Daten ergab: Während der Anteil von Nordafrikanern an den gesamten Flüchtlingen nur 0,9 % betrug, waren sie für 17,1 % der Gewaltkriminalität durch Flüchtlinge verantwortlich; bei Raubdelikten lag ihre Quote sogar bei 31 %. Studien-Leiter Christian Pfeiffer führt diese überproportionale Kriminalität auf ihre mangelnde Bleibeperspektive zurück: „Sie haben bald nach ihrer Ankunft erfahren, dass sie hier unerwünscht sind, keine Arbeitserlaubnis erhalten werden und wieder in ihre Heimat zurückkehren müssen.“[33]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Nafri – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Diskussion um „Nafri“: Das bedeuten die Abkürzungen der Polizei. In: Augsburger Allgemeine. 4. Januar 2016.
  2. Rassismus-Debatte: Er hat „Nafri“ gesagt. In: RP online, 10. Januar 2017, abgerufen am 13. Januar 2017.
  3. Verkehrsminister Dobrindt erntet Kritik für „Nafris“. In: Die Welt, 5. Januar 2017.
  4. Nafri, Spusi, Limo und Co. – das ist die Geheimsprache der Polizei. In: BZ, 2. Januar 2017.
  5. Heftige Kritik an Dobrindt wegen Abkürzung „Nafris“. In: FAZ, 5. Januar 2017.
  6. Silvesternacht in Köln – ein sicherheitspolitischer Tiefpunkt. In: rp-online.de. 28. Dezember 2016, abgerufen am 2. Januar 2017.
  7. Statistischer Jahresbericht der Ausländerbehörde 2013 der Stadt Köln. In: politik-bei-uns.de. 31. März 2014, abgerufen am 3. Januar 2017.
  8. a b „Nafri ist ein Arbeitsbegriff innerhalb der Polizei“. In: welt.de. 2. Januar 2017, abgerufen am 2. Januar 2017.
  9. Anant Agarwala: Kölns schwerer Kampf gegen die „Nafri“-Kriminellen. In: zeit.de, 15. Januar 2016, abgerufen am 3. Januar 2017.
  10. a b Heftiger politischer Streit über „Nafris“-Tweet der Kölner Polizei. In: FAZ.net. 2. Januar 2017, abgerufen am 2. Januar 2017.
  11. Jörg Löbker: Tatort Hauptbahnhof: Obdachloser von Nafri-Dieb beklaut. In: Bild Düsseldorf. 31. März 2016, abgerufen am 3. Januar 2017.
  12. „Nafris waren auch schon vorher ein Problem“. In: Welt Online. 8. September 2016, abgerufen am 3. Januar 2017.
  13. Frank Lehmkuhl: Erschreckende Polizeistatistik: 3863 Verfahren in NRW: So groß ist das Problem mit „Nafris“ wirklich. In: Focus Online. 17. Februar 2016, abgerufen am 3. Januar 2017.
  14. Drucksache 16/10798 des NRW-Landtags. (PDF; 299 kB) 19. Januar 2016, S. 3, 8 und 11; abgerufen am 2. Januar 2017.
  15. Anna Kröning: Kölner Silvesternacht: „Jung und aggressiv“? Was hinter dem Wort „Nafri“ steckt. In: Welt/N24. 2. Januar 2017, abgerufen am 2. Januar 2017.
  16. Anmerkung: Syrien und der Libanon sind geographisch asiatische Staaten, vgl. auch Vorderasien.
  17. Kölner Polizei will weiter „Nafri“ sagen. In: Tagesspiegel.de, 3. Januar 2017, abgerufen am 13. Januar 2017.
  18. Kölner Einsatz: Bundesinnenministerium kritisiert Begriff „Nafris“. In: Weserkurier, 2. Januar 2017, abgerufen am 13. Januar 2017.
  19. Grünen-Chefin Peter kritisiert Polizei nach Einsatz. In: stuttgarter-nachrichten.de. 2. Januar 2017, abgerufen am 2. Januar 2017.
  20. Annett Meiritz: Prominente Grüne isolieren Parteichefin Peter. In: Der Spiegel. 2. Januar 2017, abgerufen am 28. Dezember 2021.
  21. „Entscheidend ist, dass die Menschen in Köln sicher waren“. In: Welt.de. 2. Januar 2017, abgerufen am 29. Dezember 2021.
  22. Wiederholung der Straftaten verhindert? In: wdr.de. 1. Januar 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. Februar 2017; abgerufen am 2. Januar 2017.
  23. (dpa): Polizei: „Nafri“: Ein Begriff bringt die Polizei in Erklärungsnot. In: zeit.de. 3. Januar 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. Oktober 2017; abgerufen am 4. Januar 2017.
  24. Polizeivertreter: „Nafri“ weder rassistisch noch Schimpfwort. (Memento des Originals vom 4. Januar 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutschlandfunk.de Deutschlandfunk, 2. Januar 2017.
  25. Frankfurterin will den Begriff positiv besetzen, Kinderbuchautorin Nadia Doukali lässt „Nafri“ rechtlich schützen. Frankfurter Neue Presse, 10. Januar 2017; abgerufen am 22. Dezember 2017
  26. Innenministerium kritisiert „Nafri“-Begriff. (Memento des Originals vom 2. Januar 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.heute.de In: heute.de, 2. Januar 2017.
  27. Nina Janich: „Nafri könnte unseren Kriterien entsprechen“. Interview zum Unwort des Jahres. In: hessenschau.de. 9. Januar 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Januar 2017; abgerufen am 25. Januar 2019.
  28. Anatol Stefanowitsch: NAFRIS sprachlog.de, 3. Januar 2017; abgerufen am 16. Januar 2017
  29. Kritik am Polizeieinsatz in Köln hält an. Zeit Online, 1. Januar 2017.
  30. Was bitteschön ist ein „Nafri“? In: Spiegel Online. 1. Januar 2017, abgerufen am 2. Januar 2017.
  31. Polizei korrigiert eigene Angaben – kaum Nordafrikaner kontrolliert. In: Spiegel Online, 13. Januar 2017.
  32. Linke nennt Dobrindt „rassistischen Hetzer“. In: Passauer Neue Presse. (pnp.de [abgerufen am 8. April 2017]).
  33. Zentrale Befunde eines Gutachtens (PDF; 190 kB) im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)