Nanuk (Schiff)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Nanuk p1
Schiffsdaten
Flagge Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
andere Schiffsnamen

Ottilie Fjord

Schiffstyp Schoner, später Vollschiff
Heimathafen Los Angeles (zuletzt bekannt)
Eigner zuletzt bekannt: Metro-Goldwyn-Mayer
Bauwerft H. D. Bendixsen, Eureka
Stapellauf 1892
Schiffsmaße und Besatzung
Länge 40,3 m (Lüa)
Breite 9,6 m
Tiefgang (max.) 2,95 m
Verdrängung 261 Gross Tons
Takelung und Rigg
Takelung Schoner
Vollschiff
– (mastlos)
Anzahl Masten 3

Die Nanuk (bis 1923 Ottilie Fjord) war ein Handels- und Walfangschoner, der später in der Filmindustrie von Hollywood eingesetzt wurde, unter anderem als historisierendes Vollschiff bei Filmaufnahmen.

Bau und Betrieb der Ottilie Fjord[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ottilie Fjord wurde 1892 als Dreimastschoner mit „steam-boat“ Takelung bei H. D. Bendixsen in Eureka in Kalifornien gebaut. Das Schiff gehörte einem Zusammenschluss von 12 Eignern, die mehrheitlich im Humboldt County ansässig waren, und wurde nach der Tochter Ottilie Fjord eines Eigners, Lorentz Fjord, benannt, der ein Schiffsausrüster in San Francisco war. Die erste Fahrt brachte die Holzfracht eines anderen Eigners, Isaac Minor, nach San Luis Obispo.[1]

Ottilie Fjord wurde als Frachtsegler an der Westküste der Vereinigten Staaten und im Pazifik eingesetzt. Im Oktober 1903 wurde sie vor dem Hafen von Honolulu (Hawaii) durch Schlepper aus Seenot gerettet, als sie mit einer Ladung Holz aus San Francisco auf Land aufgelaufen war.[2] 1904 ging eine Reise mit einer Ladung Kohle von San Francisco nach Topolobampo (Mexiko) und endete in Eureka.[3] Bei einer Fahrt nach Honolulu für die Charles Nelson Company im Jahr 1905 wurde der Wert der Ladung mit beinahe 7.000 Dollar angegeben (2023: 240.000 Dollar).[4]

1906 wurde die Ottilie Fjord an die Pacific States Trading Company verkauft.[5] Anschließend wurde auch von entfernteren Zielen berichtet, z. B. 1912 das arktische Beringmeer.[6] Bei dieser Fahrt verlor sie in zwei Stürmen zwei Anker und 55 Fathoms (100 m) Ankerkette.

Am Morgen des 30. April 1919 registrierte das Lick-Observatorium auf Mount Hamilton ein starkes, 45 Minuten andauerndes Erdbeben.[7] Kapitän Olsen von der Ottilie Fjord berichtete nach seiner Rückkehr aus dem 8.600 km entfernten Tonga am 21. Juli, dass dies, verbunden mit einer „tidal wave“, auf den Inseln große Zerstörung, viele Tote und Verletzte und einen Versorgungsnotstand verursacht habe. Sein Schiff habe diese Katastrophe als einziges überstanden.[8]

Im April 1921 führte eine Reise der Ottilie Fjord nach Pago Pago (Amerikanisch-Samoa).[9]

Kapitän C. Pedersen, ein erfahrener Arktisfahrer, fuhr ab 1923 mit Ottilie Fjord von Oakland aus zum Fellhandel, Walrossjagd und Walfang in den arktischen Ozean. Er wurde von seiner Ehefrau begleitet, einer kanadischen Krankenschwester, die Pedersen 1920 von einem presbyterianischen Missionskrankenhaus am nördlichsten Punkt der USA, Point Barrow, nach Kalifornien gebracht und später geheiratet hatte.[10] Sie fuhr seitdem als einzige Frau in der achtzehnköpfigen Besatzung aus Seeleuten und Walfängern mit und war sowohl als „The Doctor Lady From the Ship“ (Frau Doktor vom Schiff) für Besatzung und Außenstehende als auch als mitarbeitendes Besatzungsmitglied beschäftigt.[11]

1923 brachte Ottilie Fjord von Pedersens erfolgreichster Fahrt eine Ladung aus Blubber und Fellen nach Hause, die mit einer Million Dollar (2023: 17,7 Millionen Dollar)[12] bewertet wurde. Dabei soll die Frau des Kapitäns ein mögliches Scheitern verhindert haben, indem sie diesen aus dem Krähennest rechtzeitig vor einer Gefahr durch Packeis gewarnt habe.[13]

Als Nanuk in der Arktis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Reise im Sommer 1924, nun als Nanuk (Inuktitut für Eisbär), berichtete Pedersen von Geschäften mit sowjetischen Offiziellen auf der Großen Diomedes-Insel an der Grenze zwischen Alaska und Russland. Seine Geschäftspartner hätten ihm nach Abschluss der Verhandlungen eine Strafe von 2.200 Dollar wegen „wiederholten Handeltreibens ohne sowjetische Genehmigung“ auferlegt, worauf er nach Alaska zurückgekehrt sei. Die Fracht aus Walrosselfenbein und Fellen im Wert von 100.000 Dollar (2023: 1,8 Millionen Dollar) entschädigte dafür. Pedersen brachte auch zwei lebende Eisbären mit, die er an Tiergärten verkaufen wollte.[14]

Im Sommer 1925, als „auxiliary trading schooner“,[15] brachte Nanuk eine Rekordfracht Felle im Wert von 250.000 Dollar (2023: 4,3 Millionen Dollar) mit, dazu Elfenbein, Salz, Kabeljau und Makrelen. Mrs. Pedersen berichtete ausführlich von mühsamen und gefährlichen Eispassagen und von den gesundheitlichen Problemen der Eskimos durch Mangelernährung und die fehlende Resistenz gegen Krankheiten wie Tuberkulose, Masern und Atemwegserkrankungen von Schnupfen bis Lungenentzündung, die von den Jägern, Händlern und Missionaren in die Arktis gebracht wurden.[11] Auf dieser Fahrt erhängte sich ein achtzehnjähriger Kabinenjunge auf der Nanuk kurz vor der Ankunft auf Herschel Island (Kanada), wo er beigesetzt wurde.[16]

Die Nanuk ging 1926 in den Besitz der Swenson Fur Trading Company (New York und Seattle) über, die bis 1930 einen exklusiven Fünfjahresvertrag mit der Sowjetunion erfüllte und an arktische Außenposten wie z. B. am Golf von Kolyma (Nordsibirien) Versorgungsgüter gegen Felle lieferte.[17]

Bei einer Walrossjagd erlegten die Männer der Nanuk im Jahr 1928 in weniger als zwei Wochen 297 Tiere, bevor Ruder und Schraube im Eis beschädigt wurden.[18]

1929: tödlicher Evakuierungsflug

Im Mai 1929 begaben sich Olaf Swenson, der Eigner, und seine siebzehnjährige Tochter Marion mit der Nanuk auf eine Rettungsmission für sein Motorschiff Elisif, das bei North Cape (Sibirien, heutiger Name Cape Schmidt) eingefroren überwintert hatte.[19] Die Elisif kam frei. Im September wurde die Nanuk mit Fellen im Wert von 1,5 Millionen Dollar (2023: 26,6 Millionen Dollar) am Kap Schmidt von Eis überrascht und eingeschlossen. Daraufhin richtete man sich auf eine Überwinterung ein. Alaskan Airways flog im November sechs Mann Personal und Waren nach Teller (Alaska) aus; fünf verblieben an Bord, inklusive der Swensons.[20] Bei einem weiteren Flug am 9. November 1929 zur Versorgung der Mannschaft und zum Abtransport der wertvollen Fracht wurden Pilot Carl Ben Eielson und Mechaniker Frank Borland zunächst 60 Meilen von Kap Schmidt entfernt in einem Sturm vermisst[21] und nach einer wochenlangen Suchaktion tot aufgefunden – sie waren abgestürzt. Die Nanuk war bis Juli 1930 im Eis gefangen und kehrte im August unbeschädigt wieder nach Seattle zurück (Bildbericht).[22]

In Hollywood[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Mai 1932 charterte Metro-Goldwyn-Mayer das Motorschiff Nanuk als Transportschiff nach Alaska für Außenaufnahmen des Films Eskimo.[23][24] Die Produktion überließ nichts dem Zufall: Man nahm Kunstschnee, Gebläse und Eskimodarsteller mit.[25] Als Produktionsort wählte man Teller. Nanuk ging während der Dreharbeiten zeitweise auf Jagd- und Walexpeditionen[26] und wurde während der Drehzeit von einem Jahr wieder von Eis eingeschlossen. Außerdem kaufte MGM die Nanuk von Swenson[27] und ließ sie nach der Rückkehr nach Los Angeles für den Film Die Schatzinsel[28] zum Piratenschiff Hispaniola umbauen. Aus dem Schoner wurde so ein kanonenbestücktes Vollschiff.[29]

Gleich anschließend wurde Nanuk zu einer Fregatte der britischen Admiralität: In Meuterei auf der Bounty[30] stellte sie die HMS Pandora dar.[31] Gemeinsam mit Lily als Nachbildung der HMAV Bounty[32] fuhr sie für Filmaufnahmen bis nach Tahiti.

JaySea zufolge wurde die Nanuk später an die mexikanische Regierung (Cia Naviera Nacional del Pacifico) verkauft, der Masten entledigt und mindestens bis 1960 als Motorschiff geführt.[31]

Einige Fotos der Nanuk sind in JaySea's blog The First Bounty Replica zu finden.[31]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. ANOTHER HUMBOLDT VESSEL - Launch of the Ottillie Fjord From Bendixsen's Shipyard. In: Humboldt Times, Volume XXXIX, Number 39, 14. August 1892, S. 4. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). „she will be taken to Areata wharf to be loaded with lumber from Isaac Minor's Glendale mill for San Luis Obispo.“ 
  2. Schooner Ottilie Fjord Is Saved In: San Francisco Call, Volume 94, Number 131, 9. Oktober 1903, S. 5. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). 
  3. ARRIVES AT GRAYS HARBOR In: Humboldt Times, Volume XLI, Number 122, 22. Mai 1904, S. 3. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). „from Topolobampo, Mexico, where she went with a cargo of coal from San Francisco.“ 
  4. CLEARS CUSTOM HOUSE. In: Humboldt Times, Volume XLII, Number 176, 27. Juli 1905, S. 3. Abgerufen am 28. Mai 2023 (englisch). 
  5. OTTILIE FJORD SOLD. In: Humboldt Times, Volume XLIII, Number 64, 16. März 1906, S. 3. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). 
  6. Codfisher Loses Two Anchors In: San Francisco Call, Volume 112, Number 98, 6. September 1912. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). 
  7. QUAKE WORKS HAVOC IN TONGA ISLANDS In: Enterprise (Riverside), Volume LIV, Number 280, 23. Juli 1919, S. 8. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). „An earthquake and tidal wave swept Rangal [Pangai], a town of the Tonga group, in the Pacific, just south of the equator, on April 30“ 
  8. Only Ship That Survived Tidal Wave Reaches S. F. In: San Francisco Call, Volume 106, Number 12, 22. Juli 1919, S. 2. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). 
  9. Sailed In: San Francisco Call, Volume 109, Number 84, 14. April 1921. Abgerufen am 28. Mai 2023 (englisch). 
  10. TALES ARE TOLD OF FAR NORTH In: Stockton Independent, Volume 119, Number 102, 10. November 1920, S. 5. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). „Olive Jordan, a nurse, who had been at Point Barrow for five years as representatives of the Presbyterian mission,“ 
  11. a b Oakland Woman On Sea Travels Doctors Eskimos In: Oakland Tribune, Volume 103, Number 110, 18. Oktober 1925, S. 14. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). 
  12. Umrechnung von 1.000.000 Dollar (1923) nach 2023
  13. Woman's Wit Saves Craft From Ice In: Daily News (Los Angeles), Volume 1, Number 73, 26. November 1923, S. 5. Abgerufen am 28. Mai 2023 (englisch). „BLUBBER AND FURS were the cargo of the three-masted schooner Ottilie Fjord, which sailed into San Francisco harbor recently. The catch was rated at a million dollars.“ 
  14. Fined by Soviet for Unlicensed Trading In: Oakland Tribune, Volume 101, Number 99, 8. Oktober 1924, S. 28. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). „The power trading schooner NANUK, formerly the Ottilie Fjord, returned to the bay from Arctic waters yesterday. The vessel had numerous exciting experiences with the ice and Russian officials. Here cargo is valued at $100,000 and consists of furs and ivory.“ 
  15. Nanuk Off for Far North on Trading Cruise In: Oakland Tribune, Volume 102, Number 114, 24. April 1925, S. 40. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). 
  16. Arctic Schooner Brings Tales of Peril From North In: Oakland Tribune, Volume 103, Number 56, 25. August 1925, S. 27. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). 
  17. Fur Schooner of Seattle Firm to Sail to Siberia In: Oakland Tribune, Volume 106, Number 175, 24. Juni 1927, S. 40. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). „The three-masted schooner Nanuk, operated by the Swenson Fur Trading Company of New York and Seattle, will be sent into the far reaches of the Siberian coast line on the Arctic ocean, 1200 miles westward of Bering straits to the Kolyma river, in continuation of a five year contract with the Soviet State Trading Company of Russia or the "Dalgostorg" Fur Company“ 
  18. Cutter Northland Returns From Adventurous Trip In: Oakland Tribune, Volume 109, Number 98, 6. Oktober 1928, S. 3. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). „walrus-hunting schooner Nanuk when the craft was disabled by having its propeller and rudder broken by the crushing force of grinding Arctic Ice. […] Nanuk had been out less than two weeks and […] had already killed 297 walrus.“ 
  19. Girl On Icebound Ship In: Oakland Tribune, Volume 111, Number 142, 19. November 1929, S. 2. Abgerufen am 2. Juni 2023 (englisch). 
  20. Nanuk Survivor Here After Airplane Rescue In: San Pedro News Pilot, Volume 2, Number 250, 23. Dezember 1929, S. 9. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). 
  21. FAMOUS ARCTIC FLYER MISSING IN FAR NORTH In: Imperial Valley Press, 19. November 1929, S. 1. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). 
  22. SAFE IN PORT AFTER 13 MONTHS IN THE ARCTIC In: San Pedro News Pilot, Volume 3, Number 138, 16. August 1930, S. 9. Abgerufen am 31. Mai 2023 (englisch). 
  23. Seattle: SEVEN SHIPS TO DEPART FOR FAR NORTH IN WEEK In: Oakland Tribune, Volume 116, Number 140, 19. Mai 1932. Abgerufen am 2. Juni 2023 (englisch). 
  24. Eskimo (Metro-Goldwyn-Mayer, 1933)
  25. Movie Director Takes His Own Eskimos Up to Arctic In: San Bernardino Sun, Volume 38, 22. Mai 1932, S. 1. Abgerufen am 2. Juni 2023 (englisch). 
  26. Change in Setting Of Picture Forced In: San Bernardino Sun, Volume 38, 10 July 1932, 10. Juli 1932, S. 17. Abgerufen am 2. Juni 2023 (englisch). 
  27. OLD SCHOONER NANUK BECOMES PICTURE ACTOR In: Oakland Tribune, Volume 119, Number 8, 8. Juli 1933, S. 16. Abgerufen am 2. Juni 2023 (englisch). 
  28. Die Schatzinsel (Metro-Goldwyn-Mayer, 1934) (Treasure Island)
  29. Guns Assembled For Filming of Pirate Classic In: Oakland, 1. April 1934. Abgerufen am 2. Juni 2023 (englisch). 
  30. Meuterei auf der Bounty (Metro-Goldwyn-Mayer, 1935) (Mutiny on the Bounty)
  31. a b c JaySea: The First Bounty Replica. 29. Januar 2023, abgerufen am 22. Mai 2023 (englisch).
  32. The Lily, H.M.S Bounty. (Memento vom 22. Februar 2012 im Internet Archive) Bei: winthrop.dk. Abgerufen am 14. Mai 2023.