Oberleitungsinselanlage

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Eine Oberleitungsinselanlage (OLIA) ist eine Anlage mit einem kurzen Oberleitungsabschnitt in einem Bahnhof oder auf der freien Strecke, die von nicht elektrifizierten Strecken umschlossen ist. Sie dient dazu, die Akkus von Akkumulatortriebzügen zu laden, wenn ein nicht elektrifizierter Streckenabschnitt nur mit einer Nachladung zurückgelegt werden kann.

Funktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Hauptfunktion der Oberleitungsinselanlagen (OLIA) besteht darin, eine flexible und effiziente Lösung für die Energieversorgung von akkubetriebenen Zügen zu bieten. Durch die Installation von OLIA an strategischen Punkten entlang der Bahnstrecke können die Züge ihre Batterien nachladen, ohne dass eine vollständige Elektrifizierung der gesamten Strecke erforderlich ist. Dies reduziert die Notwendigkeit für umfangreiche Infrastrukturinvestitionen und ermöglicht gleichzeitig einen umweltfreundlicheren und leiseren Bahnverkehr, indem Dieseltriebwagen durch akkubetriebene Züge ersetzt werden.[1]

Eine OLIA kann sowohl für das Laden im Stand als auch während der Fahrt konzipiert sein. Im Falle des Ladens im Stand wird die Oberleitungsinselanlage typischerweise an Bahnhöfen installiert, wo die Züge während ihrer regulären Aufenthaltszeiten ohne zusätzlichen Zeitverlust aufgeladen werden können. Für das Laden während der Fahrt werden kurze Oberleitungsabschnitte auf der freien Strecke eingerichtet, durch die die Züge fahren und dabei ihre Batterien nachladen. Die technische Ausführung der OLIA muss dabei so gestaltet sein, dass eine sichere und effiziente Energieübertragung sowohl im Stillstand als auch bei Bewegung des Zuges gewährleistet ist.[2]

Einsatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bahnhof Annaberg-Buchholz Süd, mobile Ladestation für Akkuzüge (2023)

In Deutschland begann der Bau erster Oberleitungsinselanlagen in den Bahnhöfen Tönning, Heide (Holst) und Husum in Schleswig-Holstein[3][4], welche im Februar 2024 den Testbetrieb aufnahmen.[5] Die dort errichteten Ladeunterwerke werden aus dem 50-Hz-Drehstromnetz gespeist und verfügen über Vollumrichter zum einphasigen Laden von Akkuzügen mit 16,7 Hz.[6]

Im Bahnhof Annaberg-Buchholz Süd wurde 2023 eine Anlage in Betrieb genommen.[7] Diese weicht technisch von herkömmlichen Ladeunterwerken mit Vollumrichtern ab. Die Anlage in Annaberg-Buchholz verfügt über einen Transformator, über den Akkuzüge einphasig mit 50 Hz geladen werden können. Da die einphasige Last das speisende dreiphasige 50-Hz-Netz asymmetrisch und das die technischen Anschlussbedingungen verletzen würde, verfügt die Anlage über einen Symmetrierumrichter. Der Symmetrierumrichter ist über eine Hilfswicklung in den magnetischen Kreis des Transformators eingebunden und kann so die Energieverteilung auf die drei Phasen des speisenden Netzes beeinflussen, d. h. die einphasige Last auf das dreiphasige speisende Netz symmetrieren. Der Symmetrierumrichter stellt eine Kompensationsblindleistung aus angeschlossenen Kondensatoren geregelt zur Verfügung, welche die durch die einphasige Last verursachten Gegensystemanteile im Netzstrom kompensiert. Im Unterschied zu Vollumrichtern erfolgt nicht der gesamte Leistungsfluss für die Ladung der Akkuzüge über den Symmetrierumrichter und es ist auch keine Umformung der speisenden Spannung (~3, 50 Hz) in eine andere Ladespannung (~1, 50 Hz) durch den Symmetrierumrichter notwendig, da mit 50 Hz geladen wird. Dadurch ist die Baumform von Symmetrierumrichtern kleiner als die von Vollumrichtern.[8]

Die Vorplanungen zu fünf weiteren Anlagen mit geplanter Errichtung bis Ende 2026 im Süden von Rheinland-Pfalz in den Bahnhöfen Winden (Pfalz), Landau (Pfalz) Hauptbahnhof, Kusel und Lauterecken-Grumbach sowie vom Bahnhof Pirmasens Nord über die Biebermühlbahn bis zum Fehrbacher Tunnel sind abgeschlossen.[1][9] Für eine ursprünglich bis 2025 zu erstellende Anlage in Kleve in Nordrhein-Westfalen[10] hat die Vorplanung begonnen.[9] Inzwischen wird der Dezember 2028 als Termin für eine Inbetriebnahme genannt.[11]

Der Regionalverband Großraum Braunschweig prüft in einer Machbarkeitsstudie ab Ende 2022 die Errichtung solcher Anlagen bis 2030 in den Bahnhöfen Goslar und Bad Harzburg und optional ein Inselnetz zwischen beiden Bahnhöfen (Elektrifizierung Bad Harzburg–Oker–Goslar).[12]

Vorteile und Herausforderungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diese Anlagen können dazu beitragen, die Energieeffizienz zu steigern, indem sie eine kontinuierliche Energieversorgung sicherstellen, was besonders auf längeren oder abgelegenen Streckenabschnitten vorteilhaft ist.[13] OLIA können relativ einfach in bestehende Bahninfrastrukturen integriert werden, ohne dass umfangreiche Umbauten oder Neukonstruktionen erforderlich sind. Dies erleichtert die schrittweise Modernisierung und Elektrifizierung von Bahnnetzen.[14]

Gleichzeitig stellen Planung und Installation von OLIA technische und regulatorische Herausforderungen dar, insbesondere im Hinblick auf die elektromagnetische Verträglichkeit und die Sicherheit des Bahnverkehrs. Die Einordnung von OLIA als Anlagen zur streckenbezogenen Versorgung mit Fahrstrom erfordert eine umfassende Verantwortungszuweisung an den Betreiber der Schienenwege und eine klare Regelung der Zugangs- und Nutzungsbedingungen. Die Installation ist mit erheblichen Investitionskosten verbunden und stellt häufig für viele Bahnunternehmen und öffentliche Verkehrsbetriebe eine hohe finanzielle Belastung dar.[15][16][1]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Stefan El-Barudi, Marcus Kliefoth, Florian Baentsch: Stromversorgung von Batteriezügen mittels Oberleitung: Modell für eine kundenfreundliche regulatorische Einordnung der elektrischen Energieversorgungsanlagen für Batterietriebzüge. In: Journal für Mobilität und Verkehr. Nr. 3. Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft, September 2019, ISSN 2628-4154, S. 21–28, doi:10.34647/jmv.nr3.id22.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Akkuzug Pfalznetz. DB Netz, abgerufen am 21. März 2023.
  2. TracFeed® BCS Ladestationen für Akkumulatortriebfahrzeuge. Rail Power Systems, 2022, abgerufen am 2. Mai 2024.
  3. db/schr: Oberleitungsbau für Batteriezüge in Schleswig-Holstein. In: Eisenbahn-Revue International. Nr. 5, 2022, S. 265.
  4. Schleswig-Holstein Akku-Nachladeinfrastruktur. In: BauInfoPortal. Deutsche Bahn, Januar 2022, abgerufen am 13. Mai 2022.
  5. Schleswig-Holstein: Erster Praxistest einer BEMU-Oberleitungsinsel. In: Eurail Press. 13. Februar 2024, abgerufen am 1. Mai 2024.
  6. Beate Mohr: Pressemitteilung Nr. 01/2022: Rahmenvertrag – Ladeinfrastruktur für Akkumulator-Triebzüge. In: www.rail-ps.com. Rail Power Systems GmbH, 24. Februar 2022, abgerufen am 3. Mai 2024.
  7. schr: 50-Hz-Ladestation in Annaberg-Buchholz betriebsbereit. In: Eisenbahn-Revue International 11/2023, S. 507.
  8. Ladestation für Akkumulator-Triebfahrzeuge in Annaberg-Buchholz installiert. Rail Power Systems GmbH und F&S PROZESSAUTOMATION GmbH, abgerufen am 3. Mai 2024.
  9. a b Deutsche Bahn beginnt mit Bau von Oberleitungsinseln in Schleswig-Holstein. Deutsche Bahn, 1. November 2022, abgerufen am 21. März 2023.
  10. Niklas Preuten: 21 neue Fahrzeuge für den Niers-Express. In: NRZ. Funke Medien NRW, 2. Juli 2021, abgerufen am 21. Juli 2022.
  11. bhauf: Oberleitungsinselanlage für CAF-Batteriezüge in Kleve. In: Eisenbahn-Revue International 5/2024, S. 194f.
  12. Beschlussvorlage – 2022/084. Regionalverband Großraum Braunschweig, abgerufen am 18. September 2022.
  13. Ein Überblick: Alternative Antriebe auf der Schiene. Allianz pro Schiene, 17. Januar 2022, abgerufen am 3. Mai 2024.
  14. Nyascha T. Wittemann: Untersuchung zu den technischen Voraussetzungen eines Einsatzes von Akkuhybridfahrzeugen im Netz „Bayerwald“. Dresden 2022 (bahnland-bayern.de [PDF]).
  15. Einsatz alternativer Antriebstechnologien im SPNV des Südthüringennetzes. VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik, Dezember 2023, abgerufen am 2. Mai 2024.
  16. VOLTAP – die Schnellladestation für Batteriezüge (BEMU). Stadtwerke Tübingen, abgerufen am 2. Mai 2024.