Oerbke

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Oerbke liegt am westlichen Rand des 1936/38 angelegten Truppenübungsplatzes Bergen
Historische Karte der Ostheidmark
Der Oelfkenhof in Oerbke

Oerbke ist ein Dorf im gemeindefreien Bezirk Osterheide, das zum Landkreis Heidekreis in der südlichen Lüneburger Heide in Niedersachsen gehört.

Geografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Oerbke ist der Verwaltungssitz des gemeindefreien Bezirks Osterheide. Es liegt an der Westgrenze des Gebietes mit der Stadt Bad Fallingbostel und ist von jener nur durch die A7 getrennt, die über eine längere Strecke die westliche Begrenzung der Osterheide bildet.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Bauerndorf Oerbke wird 1256 erstmals urkundlich erwähnt, bereits 1438 sind 8 Höfe in Oerbke nachweisbar, ebenso 4 Kotstellen. Die Höfe und Koten[1] sind auch später nach den Registern 1563, 1589 und 1628 nachweisbar. So zeigt sich in Oerbke, wohl infolge des guten Bodens, große Beständigkeit auf den Höfen und Koten. Bis 1935 war das Dorf seit Jahrhunderten rein landwirtschaftlich geprägt.

Am Bahnhof von Bad Fallingbostel erinnert eine Gedenkplatte an die Transporte von Kriegsgefangenen nach Oerbke

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde von der deutschen Wehrmacht in Oerbke ein Kriegsgefangenenlager, das Stammlager Stalag XI B (357)[2] Fallingbostel angelegt, und später 1941 in unmittelbarer Nachbarschaft das Stalag XI D (321)[3] Oerbke, in dem bis zu 30.000 Soldaten der Roten Armee untergebracht waren.[4]

„Als die ersten Wellen der polnischen Gefangenen heranrollten, wurden auf einer 18 ha großen Fläche des Bauarbeiterlagers Oerbke ab dem 23. September 1939 32 Holzbaracken für das Kriegsgefangenenstammlager ‚Stalag‘ XI B Fallingbostel in Oerbke errichtet.“

Hinrich Baumann: Die Heidmark (siehe Literatur), S. 270

Im Stalag XI B waren im Dezember 1944 81.780 Gefangene – hauptsächlich aus der Sowjetunion – untergebracht.[5] In der Umgebung gab es mehrere Gefangenenlager für die Arbeitskommandos. Zahlreiche Zeitzeugen berichten von menschlichen Beziehungen, die sich auch nach dem Ende des Krieges 1945 erhielten.[6] Es gab auch „Organisierte Widerstandsbewegungen“, wie Baumann belegt (S. 297–303).

Der Amerikaner Richard Burt erinnert sich an einen „Todesmarsch“, der am 6. Februar 1945 im Stalag Luft IV in Groß Tychow in Polen begann und nach 86 Tagen in Oerbke endete.[7]

„Unsere Hoffnung, im Stalag XI B bleiben zu können, war nur von kurzer Dauer. … Wir verließen das Lager eine Woche später, am 14. April 1945.“

Richard Burt: in: Hinrich Baumann (siehe Literatur), S. 452

Der Todesmarsch von Oerbke folgte demselben Ziel wie mehrere Märsche an die Ostsee.[8]

Am 16. April 1945 wurde das Stalag XI B mit 13.375 Gefangenen aus zehn Nationen durch britische Truppen befreit.[9]

Der ukrainische Bildhauer und Professor Mykola Muchin-Koloda schuf 1945 hierfür im sowjetischen Auftrag das Mahnmal mit der Figur eines Sterbenden.[10]

Nach 1945 wurde das Lager Oerbke von den britischen Streitkräften zunächst als Internierungs- und Vertriebenenlager, später als Ostsiedlung Oerbke für die Streitkräfte auf dem Truppenübungsplatz Bergen genutzt.

Die Lieth-Schule in Bad Fallingbostel veranstaltete im November 2012 einen „Weg des Erinnerns“ von der Rampe des Güterbahnhofes in Bad Fallingbostel zum ehemaligen Stalag.[11]

Am 12. September 2015 trafen die ersten 200 Flüchtlinge in der neuen Notunterkunft in Oerbke ein, die Platz für mehr als 1000 Menschen bieten soll. Der Standort soll zum neuen Verteilknoten für Flüchtlinge in Norddeutschland werden.[12]

Politik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das gemeindefreie Dorf Oerbke gehört zum gemeindefreien Bezirk Osterheide. Die bewohnten Gebiete dieses Bezirks werden durch gewählte Einwohnervertreter gegenüber dem Gebietseigentümer, hier der Bund, vertreten.

Vorsitzender der Einwohnervertretung ist Seeben Arjes.[13]

Kultur und Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Friedhof der Namenlosen, eine Kriegsgräberstätte, in der rund 30.000 sowjetische Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs in Massengräbern begraben wurden.
  • Mahnmal „Tor zur Freiheit“ an der Fallingbosteler Straße zum Gedenken an die Kriegsgefangenen aus 13 Nationen, die hier zwischen 1939 und 1945 gefangen waren. Mehr als 30.000 von ihnen starben hier.[14]

Baudenkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch Liste der Baudenkmale in Oerbke

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hinrich Baumann: Die Heidmark – Wandel einer Landschaft: die Geschichte des Truppenübungsplatzes Bergen. Soltau-Fallingbostel 2005, ISBN 3-00-017185-1.
  • Rolf Keller: Sowjetische Kriegsgefangene im Deutschen Reich 1941/42. Behandlung und Arbeitseinsatz zwischen Vernichtungspolitik und kriegswirtschaftlichen Erfordernissen. Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-0989-0. Rezensionen: H-Soz-u-Kult 9. Februar 2012, www.kulturthemen.de 9. Februar 2012.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Oerbke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. zum Begriff Kote siehe Kotten (Haus) und Kothe (Familienname)
  2. Stalag XI B Fallingbostel
  3. Stalag XI D Oerbke
  4. Kriegsgefangenenmannschaftslager der Wehrkreise X und XI (auf der Seite www.ak-regionalgeschichte.de) (Memento des Originals vom 25. April 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ak-regionalgeschichte.de Derselbe Plan wie auf dieser Internetseite ist auch in Hinrich Baumann (siehe Literatur), S. 270 abgedruckt.
  5. Eine detaillierte Tabelle der registrierten Kriegsgefangenen im Stalag XI B findet sich bei Hinrich Baumann (siehe Literatur), S. 272.
  6. Siehe das Kapitel „Behandlung und Lebensbedingungen im Stalag XI B Fallingbostel“ bei Hinrich Baumann (siehe Literatur), S. 275–296 sowie die Kapitel über die verschiedenen Gefangenengruppen, S. 304–364.
  7. Den „Todesmarsch“ von Polen nach Oerbke dokumentiert Hinrich Baumann (siehe Literatur) auf den S. 445–452.
  8. Der Verlauf der Todesmärsche an die Ostsee (auf die Schiffe Cap Arcona, Thielbeck und Athen) wird etwa in dem Abschnitt „Zur Ostsee“ in dem Artikel Todesmärsche von KZ-Häftlingen beschrieben.
  9. Die Befreiung der Kriegsgefangenenlager in Oerbke am 16. April 1945. In: Hinrich Baumann (siehe Literatur), S. 365–376.
  10. M. Muchin schuf 1945 drei Mahnmale: In Oerbke die Figur eines Sterbenden, für den Maschsee-Friedhof in Hannover einen trauernden Soldaten und für den sowjetischen Friedhof in Belsen-Hörsten ein weinendes Mädchen. Die Figuren sind jeweils aus Marmor gearbeitet. siehe auch: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge: Geschichts- und Erinnerungstafel Hannover. Ein Mahnmal für den Ehrenfriedhof, PDF-Dokument mit historischen Fotos und Texten in deutscher und russischer Sprache online (Memento des Originals vom 20. November 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.volksbund.de (PDF; 625 kB)
  11. Bericht über den Weg der Erinnerung auf der Internetseite der Lieth-Schule Bad Fallingsbostel (Memento des Originals vom 5. März 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hrsbf.de
  12. NDR-Nachrichten, 200 Flüchtlinge in Oerbke angekommen (Memento vom 13. September 2015 im Internet Archive)
  13. Bundesimmobilie Osterheide Einwohnervertretung
  14. Gedenkstätte am symbolischen Tor des ehemaligen Straflagers

Koordinaten: 52° 51′ N, 9° 44′ O