Omadacyclin

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Strukturformel
Strukturformel von Omadacyclin
Allgemeines
Freiname Omadacyclin
Andere Namen
  • PTK-0796
  • (4S,4aS,5aR,12aR)-4,7-Bis(dimethyl­amino)-9-[(2,2-dimethylpropylamino)­methyl]-1,10,11,12a-tetrahydroxy-3,12-dioxo-4a,5,5a,6-tetrahydro-4H-tetracen-2-carboxamid
Summenformel C29H40N4O7
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 389139-89-3
PubChem 54697325
ChemSpider 20131003
DrugBank DB12455
Wikidata Q15426992
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antibiotikum

Eigenschaften
Molare Masse 556,66 g·mol−1
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Omadacyclin (früher PTK-0796) Ist ein Breitspektrum-Antibiotikum aus der Gruppe der Tetracycline, welches intravenös oder in Tablettenform verabreicht werden kann. Chemisch ist es ein Aminomethylcyclin.[2] In den USA wurde es von der FDA am 3. Oktober 2018 unter den Namen Nuzyra für die Behandlung einer ambulant erworbenen Lungenentzündung (Englisch: community-acquired pneumonia, CAP) und für akute Haut- und Bindegewebsinfektionen zugelassen.[3]

Entdeckung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An der „Tufts University School of Medicine“ in Boston USA hat ein Team unter der Leitung von Mark L. Nelson über 3000 neue Derivate von Tetracyclin synthetisiert. Zwei Verbindungen, Omadacyclin und Sarecyclin, wurden weiter untersucht. Zum Team gehörte auch Mohamed Ismail. Unterstützt wurden sie von Kwasi Ohemeng und Laura Honeyman von der Firma Paratek Pharmaceuticals, Boston.[4]

In-vitro- Studien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In-vitro-Studien konnten zeigen, dass Omadacyclin gegen ein weites Spektrum grampositiver Bakterien und eine gewisse Zahl von gramnegativen Erregern wirksam ist.[5] Besonders bedeutsam ist die Wirksamkeit bei folgenden Problemkeimen:

Eine antibiotische Wirksamkeit von Omadacyclin in vitro wurde auch bei verschiedenen gramnegativen Aerobiern und einigen Anaerobiern gefunden. Ferner ist die Substanz gegen atypische Bakterien wie Legionellen oder Chlamydien wirksam.[6] Die In-vivo-Wirksamkeit von Omadacyclin konnte durch Studien an infizierten Mäusen erfolgreich bestätigt werden.[7] Omadacyclin ist metabolisch stabil. Eine nennenswerte Verstoffwechselung findet nicht statt. Auch konnten keine Wechselwirkungen mit Enzymen des Metabolismus oder mit zellulären Transportern festgestellt werden.[8]

Wirkungsmechanismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ähnlich wie andere Tetracycline hemmt Omadacyclin die bakterielle Proteinsynthese. Dabei zeigte Omadacyclin eine Wirkung auch bei zwei Hauptarten der Tetracyclineresistenz: dem Eflux und der ribosomalen Protection. Beim Eflux entledigen sich die Bakterien des Antibiotikums durch Transport nach außen. Bei der ribosomalen Protection verhindert ein spezieller Mechanismus den Angriff des Tetracyclins auf die bakteriellen, proteinsynthetisieren Ribosomen.[9]

Klinische Ergebnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einer Phase-II-Studie wurden Sicherheit und Effektivität von Omadacyclin im Vergleich zu Linezolid bei der Behandlung komplizierter Haut- und Bindegewebesinfektionen geprüft. Als komplizierte Haut- und Bindegewebesinfektionen bezeichnet man Erkrankungen, welche tiefe Bindegewebesschichten der Haut betreffen oder eine chirurgische Intervention erfordern, wie zum Beispiel infizierte Geschwüre, Verbrennungen oder größere Abszesse. In der Studie, an der 11 Zentren in den USA beteiligt waren, wurden entweder 100 mg Omadacyclin intravenös täglich oder 600 mg Linezolid zweimal täglich intravenös verabreicht. Es gab die Möglichkeit die Dosis auf 200 mg Omadacyclin oral umzustellen oder zweimal täglich 600 mg Linezolid oral zu verabreichen. Die Behandlung mit Omadacyclin wurde gut vertragen und erwies sich als effektiv bei der Behandlung von komplizierten Haut- und Bindegewebesinfektionen.[10]

Im Juni 2013 hat die US Food and Drug Administration (FDA) Omadacyclin als „qualified infectious disease product“ bei der Behandlung von akuten Haut- und Bindegewebesinfektionen sowie ambulant erworbenen Lungenentzündungen anerkannt.[11]

Im Juni 2015 wurde der OASIS-1-Trial, eine nicht-Unterlegenheits-Phase-III-Studie, mit 650 Patienten begonnen, bei der Omadacyclin mit Linezolid bei der Behandlung akuter Haut- und Bindegewebesinfektionen verglichen wurde. Von den Studienteilnehmern hatten 206 entzündliche Wundkomplikationen, 242 Erysipel oder Zellulitis und 180 größere Abszesse. Nachgewiesene Erreger waren Staphylococcus aureus in 156 Fällen, davon 79 MRSA, Streptococcus anginosus in 47 Fällen, Streptococcus pyogenes 11-mal und Enterococcus faecalis in 10 Fällen.[12] Die Studie bestätigte, dass Omadacyclin bei der Behandlung akuter Haut- und Bindegewebesinfektionen Linezolid nicht unterlegen ist (10 % Grenze). Auch Infektionen mit MRSA zeigten in 83 % nach Omadacyclin-Behandlung eine klinische Besserung. Die Behandlung wurde allgemein gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren gastrointestinale Symptome (zum Beispiel Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall), die mit 18 % bei Omadacyclin etwas häufiger auftraten als bei Linezolid mit 15,8 %.[13]

Um den Wert von Omadacyclin bei der Behandlung von Harnwegsinfektionen zu prüfen wurde eine Phase-II-Studie gestartet. Die Ergebnisse werden Ende 2019 erwartet.[14]

In der OASIS-2-Studie wurde die orale Gabe von Omadacyclin bei akuten Haut- und Bindegewebesinfektionen geprüft. In dieser Phase-III-Studie wurde die einmal tägliche Gabe Omadacyclin mit der zweimal täglichen von Linezolid verglichen.[15] In einer gemeinsamen Auswertung von OASIS-1 und OASIS-2 konnte die gute Wirksamkeit von Omadacyclin und die nicht-Unterlegenheit gegenüber Linezolid sowohl für die orale als auch für die intravenöse Behandlung bestätigt werden.[16]

Die Wirkung von Omadacyclin im Vergleich zu Moxifloxacin bei ambulant erworbener Lungenentzündung wurde im OPTIC-Trial geprüft.[17] In einer randomisierten, doppeltblinden, nicht-Unterlegenheits-Phase-III-Studie erhielten 386 Patienten 100 mg Omadacyclin intravenös zweimal am 1. Tag, dann einmal täglich. Weitere 388 Patienten bekamen 400 mg Moxifloxazin täglich intravenös. Nach drei Therapietagen war eine Umstellung von Injektion auf Tabletten erlaubt. Der Schweregrad der Lungenentzündung wurde mit dem PSI-Score bestimmt.[18] 57 % der Patienten hatten eine Pneumonie PSI Risk Class III, 28 % Class IV. Neben grampositiven Bakterien wie Streptococcus pneumoniae und Staphylococcus aureus wurden auch gramnegative wie Haemophilus influencae und Klebsiella pneumoniae sowie atytische Bakterien wie Mycoplasma pneumoniae, Legionella pneumoniae und Chlamydia pneumoniae nachgewiesen. Die Auswertung ergab statistisch eine nicht-Unterlegenheit von Omadacyclin im Vergleich zu Moxifloxacin. Allerdings starben in der Omadacyclin-Gruppe 8 Patienten (2,1 %), in der Moxifloxacin-Gruppe dagegen nur 4 (1 %). Therapiebedingte Nebenwirkungen, insbesondere Übelkeit und Durchfall waren nach Moxifloxacin häufiger als nach Omadacyclin.[17]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  2. Laura Honeyman, Mohamed Ismail, Mark L Nelson, Beena Bhatia, Todd E. Bowser: Structure-activity relationship of the aminomethylcyclines and the discovery of omadacycline. In: Antimicrobial Agents and Chemotherapy. Band 59, Nr. 11, 2015, S. 7044–7053, doi:10.1128/AAC.01536-15, PMID 26349824, PMC 4604364 (freier Volltext).
  3. Antibacterial Drug Development Task Force: Omadacycline Injection and Oral Products. US Food & Drug Administration, 5. Oktober 2018, abgerufen am 5. März 2019 (englisch).
  4. Ref: Mark L. Nelson and Kwasi Ohemeng: 4-dedimethylamino tetracycline compounds, United States (US) patent number 7,056,902 (2006)
  5. S Ken Tanaka, Stephen Villano: In Vitro and In Vivo Assessments of Cardiovascular Effects with Omadacycline. In: Antimicrobial Agents and Chemotherapy. Band 60, Nr. 9, 22. August 2016, S. 5247–5253, doi:10.1128/AAC.00320-16, PMID 27324778, PMC 4997885 (freier Volltext).
  6. Stephen Villano, Judith Steenbergen, Evan Loh: Omadacycline: development of a novel aminomethylcycline antibiotic for treating drug-resistant bacterial infections. In: Future Microbiology. Band 11, 2016, S. 1421–1434, doi:10.2217/fmb-2016-0100, PMID 27539442.
  7. A B. Macone, B K Caruso, R G Leahy, J Donatelli, S Weir: In vitro and in vivo antibacterial activities of omadacycline, a novel aminomethylcycline. In: Antimicrobial Agents and Chemotherapy. Band 58, Nr. 2, 2014, S. 1127–1135, doi:10.1128/AAC.01242-13, PMID 24295985, PMC 3910882 (freier Volltext).
  8. Jimmy Flarakos, Yancy Du, Helen Gu, Lai Wang, Heidi J Einolf: Clinical disposition, metabolism and in vitro drug-drug interaction properties of omadacycline. In: Xenobiotica; the Fate of Foreign Compounds in Biological Systems. Band 47, Nr. 8, 2017, S. 682–696, doi:10.1080/00498254.2016.1213465, PMID 27499331.
  9. Michael P Draper, S Weir, A Macone, J Donatelli, C A Trieber: Mechanism of Action of the Novel Aminomethylcycline Antibiotic Omadacycline. In: Antimicrobial Agents and Chemotherapy. Band 58, Nr. 3, 2014, S. 1279–1283, doi:10.1128/AAC.01066-13, PMID 24041885, PMC 3957880 (freier Volltext).
  10. Gary J Noel, Michael P Draper, Howard Hait, S Ken Tanaka, Robert D Arbeit: A Randomized, Evaluator-Blind, Phase 2 Study Comparing the Safety and Efficacy of Omadacycline to Those of Linezolid for Treatment of Complicated Skin and Skin Structure Infections. In: Antimicrobial Agents and Chemotherapy. Band 56, Nr. 11, 2012, S. 5650–5654, doi:10.1128/AAC.00948-12, PMID 22908151, PMC 3486554 (freier Volltext).
  11. Kathryn M Boxmeyer: Paratek Pharmaceuticals Announces FDA Grant of Qualified Infectious Disease Product (QIDP) Designation for Its Lead Product Candidate, Omadacycline - QIDP Status Designated for Both Intravenous and Oral Formulations -. SOURCE Paratek Pharmaceuticals, Inc., 3. März 2013, abgerufen am 5. März 2019 (englisch).
  12. Don Seiffert: Paratek presents new trial data for antibiotic as late-stage trials continue. Boston Business Journal, 4. November 2016, abgerufen am 5. März 2019 (englisch).
  13. William O’Riordan, Sinikka Green, J Scott Overcash, Ivan Puljiz, Symeon Metallidis: Omadacycline for Acute Bacterial Skin and Skin-Structure Infections. In: New England Journal of Medicine. Band 380, Nr. 6, 7. Februar 2019, S. 528–538, doi:10.1056/NEJMoa1800170.
  14. Ben Strain: Paratek Pharmaceuticals Doses First Patient in Phase 2 Clinical Trial of Omadacycline in Acute Pyelonephritis, a Common Subset of Complicated Urinary Tract Infections. P&T Community, 27. November 2018, abgerufen am 5. März 2019 (englisch).
  15. Michael Lampe, Hans Vitzthum: Paratek Initiates Phase 3 Study of Oral-only Omadacycline in ABSSSI. Paratek Pharmaceuticals, 15. August 2016, abgerufen am 5. März 2019 (englisch).
  16. Fredrick M Abrahamian, George Sakoulas, Evan Tzanis, Amy Manley, Judith N Steenbergen: 1347. Omadacycline for Acute Bacterial Skin and Skin Structure Infections: Integrated Analysis of Randomized Clinical Trials. In: Open Forum Infectious Diseases. Band 5, Suppl 1, 26. November 2018, S. S412, doi:10.1093/ofid/ofy210.1178, PMC 6253360 (freier Volltext).
  17. a b Roman Stets, Monica Popescu, Joven R Gonong, Ismail Mitha, William Nseir: Omadacycline for Community-Acquired Bacterial Pneumonia. In: New England Journal of Medicine. Band 380, Nr. 6, 7. Februar 2019, S. 517–527, doi:10.1056/NEJMoa1800201.
  18. M J Fine, T E Auble, D M Yealy, B H Hanusa, L A Weissfeld: A prediction rule to identify low-risk patients with community-acquired pneumonia. In: The New England Journal of Medicine. Band 336, Nr. 4, 23. Januar 1997, S. 243–250, doi:10.1056/NEJM199701233360402, PMID 8995086.