Orlando (Roman)

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Orlando – eine Biographie ist ein Roman von Virginia Woolf (erschienen 1928).

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Handlung beginnt im England des 16. Jahrhunderts. Die Hauptperson Orlando ist ein junger Adliger, der bei Königin Elisabeth I. in hohem Ansehen steht und von ihr einen Landsitz erhält. Während des Frostjahrmarkts auf der im 16. Jahrhundert aufgrund der Kleinen Eiszeit regelmäßig zugefrorenen Themse lernt Orlando eine geheimnisvolle russische Gräfin namens Sasha kennen, die ihn jedoch nach einer leidenschaftlichen Affäre verlässt und nach Russland zurückkehrt. In der Folge zieht sich Orlando auf seinen Landsitz zurück, beschäftigt sich mit der Verwaltung seines Guts und versucht sich als Schriftsteller. Als ihn eine hartnäckige Verehrerin, die Erzherzogin Harriet, nicht in Frieden lässt, lässt sich Orlando als Botschafter nach Konstantinopel versetzen.

In Konstantinopel fällt Orlando nach einer von sozialen Unruhen geprägten Nacht in einen mehrtägigen Schlaf, aus dem er als Frau erwacht. Die Ursachen der Verwandlung bleiben im Dunkeln, allerdings findet sich unter Orlandos Papieren ein Dokument, das seine Eheschließung mit einer Tänzerin festhält. Orlando verlässt die Stadt heimlich mit Hilfe eines Zigeunerclans, bei dem er (bzw. nun sie) in den Bergen eine Weile leben kann, bis die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe dann doch zu Konflikten führen. Orlando kehrt auf einem Schiff namens Enamoured Lady nach England zurück und macht sich während der Überfahrt, auf der sie erstmals europäische Frauenkleider trägt, nach und nach die Konsequenzen ihres Frauseins bewusst.

In England nimmt Orlando ihre Güter wieder in Besitz, muss jedoch zunächst abwarten, ob sie nach ihrer Verwandlung noch als rechtmäßige Inhaberin ihres Adelstitels und ihrer Ländereien anerkannt wird. Die entsprechenden Gerichtsverfahren ziehen sich lange hin, werden jedoch schließlich zu Orlandos Gunsten entschieden, ihre Ehe mit der Tänzerin wird annulliert. Orlando interessiert sich nun für das gesellschaftliche Leben in London, langweilt sich aber schon nach einer kurzen Zeit in den Salons der adeligen Damen und bemüht sich darum, mit den wichtigsten Schriftstellern ihrer Zeit (nun des 18. Jahrhunderts) bekannt zu werden. Tatsächlich bewirtet sie schon bald regelmäßig Alexander Pope, Joseph Addison und Jonathan Swift mit Tee, dem ihr verhassten neuen Modegetränk der Epoche, muss aber erkennen, dass diese ihre Ansichten nicht ernst nehmen. Dank ihrer Angewohnheit, zuweilen nachts in Männerkleidern auszugehen, macht Orlando bald die Bekanntschaft verschiedener Halbweltdamen Londons, mit denen sie sich anfreundet, nachdem sie sich ihnen als Frau zu erkennen gegeben hat.

Erst mit dem Beginn der Viktorianischen Epoche, deren Familiensinn und biedere Moral Orlando zu schaffen machen, stellt Orlando ihr ungebundenes Leben in Frage. Die bedrückende gesellschaftliche Atmosphäre der Zeit wird auch durch einen klimatischen Umschwung symbolisiert: Das englische Wetter wird nun dauerhaft feucht und klamm, die Sonne ist kaum noch zu sehen. Glücklicherweise begegnet ihr schon bald der Kapitän Marmaduke Bonthrop Shelmerdine, den Orlando umgehend heiratet, wenngleich sich aufgrund seiner häufigen Abwesenheit ihr Leben dadurch kaum verändert. Der Kritiker Nicholas Greene, den Orlando schon zu Zeiten Königin Elisabeths kennengelernt hat, verhilft Orlando nun zur Publikation ihres seit Jahrhunderten fortgeschriebenen Gedichts The Oak Tree, das immerhin in sieben Auflagen gedruckt wird und einen Literaturpreis gewinnt. Das Buch endet im Jahr seiner Publikation (1928), in dem die nun ca. dreihundertjährige Orlando als Frau von 36 Jahren ein Auto besitzt und im Warenhaus einkauft.

In jeder Epoche Britanniens werden die Änderungen des Klimas, der Umgangsformen und der Literatur beschrieben und kritisiert. Ein zentrales Ereignis ist die Verwandlung Orlandos zur Frau. Virginia Woolf hinterfragt hiermit die Rollen von Mann und Frau, die Stellung der Frau in der Gesellschaft und ihren Zugang zur Literatur. Geschrieben hat Virginia Woolf dieses Buch für ihre damalige Liebe Vita Sackville-West: Es stellt eine Art fiktive Biografie der Schriftstellerin Vita selbst dar und enthält Schilderungen über ihr Geburtshaus Knole House in Kent. Woolf bezeichnet den Zeitraum, in dem sie Orlando verfasst hat, als einmalig glücklichen Herbst, und stellt fest, dass sie nie ein Buch schneller verfasst habe. Das Buch selbst beschreibt sie als heiter und schnell lesbar; es zu schreiben, sei für sie als Schriftstellerin Urlaub gewesen.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zitat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Je weniger wir sehen, desto mehr glauben wir.“

Virginia Woolf: Orlando – Eine Biographie. Übersetzt von Herberth und Marlys Herlitschka. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1964, S. 180.

Originalausgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Orlando – A Biography. The Hogarth Press, London 1928.
  • Orlando. A Biography. Introduction by Tilda Swinton. Canongate, London 2012.
  • Orlando. (= Vintage Classics Woolf Series). Random House UK, London 2016, ISBN 978-1-78487085-0.

Deutsche Übersetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Orlando – die Geschichte eines Lebens. Übersetzt von Karl Lerbs. Insel-Verlag, Leipzig 1929.
  • Orlando – Eine Biographie. Übersetzt von Herberth und Marlys Herlitschka. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1964.
  • Orlando – eine Biographie. Übersetzt von Karl Lerbs. Revidiert von Heide Steiner. Nachwort und Anmerkungen von Wolfgang Wicht. Insel-Verlag, Leipzig 1983.
  • Orlando – eine Biographie. Übersetzt von Brigitte Walitzek. S. Fischer-Verlag, Frankfurt am Main 1990, ISBN 978-3-10-092557-2.
  • Orlando – eine Biographie. Übersetzt von Melanie Walz. Insel-Verlag, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-458-17538-4.
  • Orlando – eine Biographie. Übersetzt von Marion Herbert. Anaconda-Verlag, Köln 2014, ISBN 978-3-7306-0163-1.

Verfilmungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Roman diente 1981 als Vorlage für Ulrike Ottingers Film Freak Orlando mit Magdalena Montezuma als Orlando. 1992 wurde das Buch von Sally Potter mit Tilda Swinton in der Titelrolle als Orlando verfilmt. Die Rolle der Königin Elizabeth I. wird von dem Cross-Dresser Quentin Crisp bekleidet.

2023 erschien eine filmische Auseinandersetzung von Paul B. Preciado mit dem Roman unter dem Titel Orlando, meine politische Biographie. In dem preisgekrönten Dokumentarfilm richtet sich der Philosoph in Briefform an Virginia Woolf und lässt Orlando in 26 trans und non-binären Personen im 21. Jahrhundert weiter fortleben.[1]

Vertonung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Roman diente als Vorlage für Olga Neuwirths Oper Orlando (UA Wiener Staatsoper, 2019).

Hörspielbearbeitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dokumentation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Orlando, meine politische Biografie. Regie: Paul B. Preciado, ARTE F, Frankreich, 99 Minuten, 2023

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. „Ein politischer Exorzismus“ Paul B. Preciado über seinen Film „Orlando“. Abgerufen am 26. Februar 2023.
  2. BR Hörspiel Pool - Virginia Woolf, Orlando (6 Teile)