Oskar Fleischer (SS-Mitglied)

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Oskar Fleischer in Uniform, vor 1946

Oskar Fleischer (* 7. Dezember 1892 in Pirna; † nach 1945) war ein deutscher Gestapo-Beamter, der an der Aufspürung der Attentäter des stellvertretenden Reichsprotektors in Böhmen und Mähren Reinhard Heydrich beteiligt war. Fleischer war wegen seiner Brutalität gefürchtet.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oskar Fleischer war vor dem Zweiten Weltkrieg Leiter des Gestapo-Büros im sächsischen Annaberg und Mitglied des militärischen Geheimdienstes Abwehr in Dresden.[1] Nach der Besetzung der Tschechoslowakei arbeitete er als Kriminalinspektor in der Abteilung III (Abwehr), Referat III A (Spionageabwehr, Landesverrat) der Prager Gestapo, wo er für seine Brutalität bekannt war. Er führte die meisten Festnahmen durch und war Kommandeur des Gestapo-Teams, das von Hans-Ulrich Geschke beauftragt wurde, die Drei Könige zu ergreifen.[2]

Oskar Fleischer gilt als eines der grausamsten Mitglieder der Prager Gestapo, auch „Řezník“ (der Fleischer bzw. der Schlächter) genannt.[3] Der Heydrich-Kenner Dr. Karel Fremund schreibt über ihn: „‚Wütender Kommissar‘ Oskar Fleischer, ein sehr brutaler Angestellter, auch im Familienleben (der seine Frau zum Selbstmord treibt) ...“[4] In Verhören wurde Fleischer als „ein starker Mann mit einer Zigarre“ wahrgenommen.[5]

Fleischer war dafür verantwortlich, die Täter der Ermordung von Heydrich zu ergreifen, und wurde für seinen Erfolg befördert.[3] Von 1942 bis Oktober 1944 war Fleischer stellvertretender Leiter der Gestapo-Außendienststelle Pilsen, danach bis Kriegsende Leiter der Dienststelle in Kolín.[6]

The Central European Observer berichtet in seiner Ausgabe vom 17. März 1944 über die namentliche Feststellung der Prager Gestapo-Beamten:[7]

SIX GESTAPO AGENTS DENOUNCED Sechs Agenten der Gestapo, die in Prag als Vernehmer beschäftigt waren, wurden im tschechoslowakischen Programm „The Voice of the Free Republic“ aus London vom Samstag, 4. März, namentlich denunziert. „Ihre Namen“, so der Sprecher, „lauten Fitsch, Gall, Dennert, Killinger, Fleischer und Kruchka. Alle Verbrechen dieser Mitglieder der Prager Gestapo sind in London bekannt. Die Erklärung der Konferenz von Moskau wird für sie gelten.“ Der Sprecher verlas die Bedingungen der Moskauer Erklärung zur Bestrafung von Kriegsverbrechern und schloss mit der Zusicherung, dass diese sechs Männer auf der Liste der Kriegsverbrecher stehen würden.“

The Central European Observer: 17. März 1944

Auf einer tschechoslowakischen Liste der Kriegsverbrecher [S. 1] steht Fleischer unter der lfd. Nummer 343.[8] Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang ihm die Flucht nach Westdeutschland.[9] Er ist unentdeckt geblieben. Noch in den 1960er Jahren soll Oskar Fleischer unbehelligt in Deutschland gelebt haben.[10]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Petr Kettner, Ivan Milan Jedlička: Tři kontra gestapo. Albatros, Praha 2003 (Albatros Plus), ISBN 80-00-01245-6 (historische Reportage, rekonstruiert Aktivitäten von Geheimdiensten, Sabotage- und sonstigen Gruppen, wie der Widerstandsgruppe Tři králové/Drei Könige um Josef Balabán, Josef Mašín und Václav Morávek; Jahr der Erstausgabe ČR/SR: 1967).
  • Rudolf Ströbinger: Das Attentat von Prag. Verlag Politisches Archiv, Landshut 1976, S. 47 f.
  • Petr Kettner und Ivan Milan Jedlička: Tajemství tří králů. Nakladatelství Mht, Praha 1995 (Akta: svazek první). Mht-06-95. O lidech, kteří nesměli vstoupit do historie („Über Menschen, die nicht in die Geschichte eingehen durften“).
  • Petr Koura: Podplukovník Josef Balabán: život a smrt velitele legendární odbojové skupiny Tři králové. Rybka, Praha 2003, ISBN 80-86182-72-X, S. 50, 130, 152, 169, 177, 217.
  • Jan Björn Potthast: Das jüdische Zentralmuseum der SS in Prag – Gegnerforschung und Völkermord im Nationalsozialismus. Campus-Verlag, München 2002, ISBN 3-593-37060-3.
  • Pavel Žáček, Bernd Faulenbach, Ulrich Mählert (Hrsg.): Die Tschechoslowakei 1945/48 bis 1989: Studien zu kommunistischer Herrschaft und Repression. Leipzig 2008.
  • Jiří Padevět: Průvodce protektorátní Prahou: Místa – události – lidé. 1. Auflage, Academia, Archiv hlavního města Prahy, Praha 2013, ISBN 978-80-200-2926-3, S. 104, 233, 349, 422, 423.
  • Christa Schikorra, Jörg Skriebeleit, Jan Švimberský (Hrsg.): Fridolín Macháček: Pilsen – Theresienstadt – Flossenbürg. Die Überlebensgeschichte eines tschechischen Intellektuellen. Wallstein Verlag, Göttingen 2017, ISBN 978-3-8353-1886-1.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Über Fleischers Tätigkeit in Annaberg berichtet Rudolf Ströbinger: A-54. Spion mit drei Gesichtern. Aus dem Tschechischen von Kurt Maria Ruda, List Verlag, München 1966, S. 44.
  2. Christa Schikorra, Jörg Skriebeleit und Jan Švimberský (Hrsg.): Fridolín Macháček: Pilsen – Theresienstadt – Flossenbürg. Die Überlebensgeschichte eines tschechischen Intellektuellen. Wallstein Verlag, Göttingen 2017, S. 279.
  3. a b Ota Rambousek: Jenom ne strach (vyprávění Ctirada Mašína). Nezávislé tiskové středisko, Praha 1990 (Edice RR, svazek číslo 4), ISBN 80-85196-02-6, S. 39 (das Manuskript wurde vor 1989 erstellt und einige Fakten, zum Beispiel die genaue Position des Versteckes in der DDR, wurden geändert, um die Teilnehmer zu schützen).
  4. Karel Fremund: Konec pražského gestapa (Das Ende der Prager Gestapo). Praha 1972, S. 20. Rudolf Ströbinger (wie oben, S. 227) bezeichnet Fleischer als Willi Abendschöns „Rivalen“ und Freund „Dr. Holm-Steinbergs“, des Doppelagenten Paul Thümmel.
  5. Středočeský sborník historický. Krajský dům osvěty v Praze v spolupráci se Státním archivem, 1996–1997, S. 171; Staatliches Gebietsarchiv Prag (SOA Praha), MLS, Ls 1422/45, Erklärung von J. Chalupský vom 4. Juli 1945.
  6. Fleischer war in Kolín zunächst noch Kriminalinspektor und ab 6. Januar 1945 Kriminalkommissar. Am 7. Mai 1945 verließ er Kolín. Sein Vertreter dort war der SS-Hauptscharführer (ab 30. Januar 1945 SS-Untersturmführer) Kriminalsekretär Julius Müller-Riedl (März 1939 bis Mai 1944). (Oldřich Sládek: Zločinná role gestapa: Nacistická bezpečnostní policie v českých zemích 1938–1945. Naše vojsko, Praha 1986, S. 403.) Vgl. Schikorra, Skriebeleit, Švimberský, wie oben.
  7. Wortgleich in: News Flashes from Czechoslovakia under Nazi Domination, 1944.
  8. Die tschechoslowakische Liste der Kriegsverbrecher wurde während des Krieges erstellt und ständig ergänzt. Nach der Befreiung des Landes im Jahr 1945 wollten die Menschen jedoch oft geschickt die Nachkriegsverwirrung nutzen, und einige schafften es, sich dem Urteil zu entziehen. Insgesamt 33.463 Personen (von denen 817 zum Tode verurteilt wurden) wurden nach dem Retributivní justice (und dem nachfolgenden Malého Retributivní justice) verurteilt. Von dieser Zahl waren 50 % deutscher Staatsangehörigkeit, 35 % tschechisch und slowakisch und 15 anderer Nationalität. Diese Zahl umfasst fast 6000 Mitglieder der Gestapo, die im besetzten Gebiet der Tschechoslowakei tätig waren und von denen die meisten flohen. Zahlreiche Verfahren mussten ausgesetzt werden, weil die Aufenthaltsorte nicht zu ermitteln waren. Viele der Flüchtlinge und gesuchten Menschen fanden ihre Zuflucht in lateinamerikanischen Ländern. Am 24. September 1964 verabschiedete die Nationalversammlung der ČSSR das Gesetz Nr. 184, in dem die Nichtverjährung von Straftaten gegen die Menschlichkeit und von Kriegsverbrechen und anderer Straftaten, die in der Zeit vom 21. Mai 1938 bis zum 31. Dezember 1946 begangen worden sind, verankert wurde. Tatsächlich ist die Aufgabe der Verfolgung von NS-Verbrechern nie beendet worden. (Quelle: Jan Eichler: Mezinárodní aspekty potrestání válečných zločinců po roce 1945 auf is.cuni.cz.)
  9. Später kam ein weiterer Kriegsverbrecher, der SS-Sturmscharführer und Kriminal-Obersekretär Willi Abendschön, in Westdeutschland an. (Rambousek, wie oben.)
  10. Schikorra, Skriebeleit, Švimberský, wie oben.