Ottensit

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Ottensit
Ottensit auf Stibnit aus der Sb-Au-Lagerstätte Qinglong, Autonomer Bezirk Qianxinan der Bouyei und Miao, Provinz Guizhou, China (Stufengröße: 21,9 cm × 14,8 cm × 9,0 cm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2006-014[1]

IMA-Symbol

Ots[2]

Chemische Formel
  • Na3(Sb2O3)(SbS3)·3H2O[3]
  • (Na,K)3Sb3+6)(Sb3+S3)O9·3H2O[4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfide und Sulfosalze
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

II/F.11
II/F.11-025

2.MA.05
02.13.03.02
Ähnliche Minerale Ottensit
Kristallographische Daten
Kristallsystem hexagonal
Kristallklasse; Symbol hexagonal-pyramidal; 6
Raumgruppe P63 (Nr. 173)Vorlage:Raumgruppe/173
Gitterparameter a = 14,1758 Å; c = 5,5712 Å[3]
Formeleinheiten Z = 2[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 3,5
Dichte (g/cm3) 4,14 (berechnet)
Spaltbarkeit keine
Bruch; Tenazität uneben; spröde
Farbe rotbraun
Strichfarbe gelbbraun
Transparenz opak, in dünnen Fragmenten durchscheinend
Glanz Glasglanz
Kristalloptik
Brechungsindex n >> 1,74 (gemessen), n = 1,992 (berechnet)
Optischer Charakter einachsig positiv
Pleochroismus schwach von orangerot nach rot

Ottensit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“. Es kristallisiert im hexagonalen Kristallsystem mit der idealisierten Zusammensetzung Na3(Sb2O3)(SbS3)·3H2O[3] ist also chemisch gesehen ein wasserhaltiges Natrium-Antimon-Oxisulfid.

Ottensit ist ein supergenes Produkt der Verwitterung von Stibnit (Antimonit). Er bildet krustenförmige Aggregate von bis zu 1 mm Dicke auf gut ausgebildeten, terminierten Stibnitkristallen von 5 cm Länge und 6 mm Breite. Die Ottensitkrusten bestehen aus kugeligen Aggregaten, deren Durchmesser bis zu 0,3 mm beträgt.[3]

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rotbrauner Ottensit auf Stibnitkristallen aus der Lagerstätte Qinglong, China (Stufengröße: 8,5 cm × 8,3 cm × 4,3 cm)

Das Mineral Ottensit tauchte erstmals im Jahre 2004 auf, wobei das komplette Material sehr wahrscheinlich aus einem Einzelfund mit nur wenigen Dutzend Stufen stammt. Ursprünglich für Cetineit gehalten, stellte sich nach den ersten Analysen heraus, dass ein neues Mineral vorliegen musste, welches einer seit 1988 bekannten synthetischen Verbindung mit der Formel Na3,6(Sb2O3)3(SbS3)(OH)0,6·2,4H2O[5] ähnelt.

Die beiden tschechischen Mineralogen Jiří Sejkora vom Prager Nationalmuseum und Jaroslav Hyršl konnten nach intensiven und aufwändigen Analysen das neue Mineral der IMA vorlegen, die es im Juni 2006 unter der Nummer IMA 2006-014 anerkannte. Sejkora und Hyršl benannten das neue Mineral nach dem Hobbymineralogen und Mineralienhändler Berthold Ottens (* 1942), einem international anerkannten Experten für chinesische Minerale und Lagerstätten, als Ottensit.[3]

Typmaterial (Holotyp) des Minerals wird in der Sammlung des Nationalmuseums in Prag, Tschechien, unter der Katalog-Nr. PIp 1/2006 aufbewahrt.[3]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der inzwischen veralteten, aber noch gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Strunz (8. Auflage) gehörte der Ottensit noch zur Abteilung der „Sulfide mit nichtmetallischem Charakter“, wo er zusammen mit Cetineit, Kermesit und Sarabauit die unbenannte Gruppe II/F.11 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Ottensit ebenfalls in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze (Sulfide, Selenide, Telluride, Arsenide, Antimonide, Bismutide, Sulfarsenite, Sulfantimonite, Sulfbismuthite)“ und dort in die Abteilung der „Oxysulfosalze“ ein. Hier ist das Mineral in der Unterabteilung „A Oxysulfosalze von Alkalien und alkalischen Erden“, wo es zusammen mit Cetineit die Gruppe 2.MA.05 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Ottensit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfidminerale“ ein. Hier ist er ebenfalls zusammen mit Cetineit in der unbenannten Gruppe 02.13.03 innerhalb der Unterabteilung der „Sulfide – einschließlich Seleniden und Telluriden – Oxisulfide“ zu finden.

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mittelwerte aus acht Analysen an Ottensit ergaben Gehalte von 7,44 % Na2O, 0,1 % K2O, 84,64 % Sb2O3, 7,43 % S und 4,60 % H2O. Normalisiert auf 15 Anionen pro Formeleinheit ergibt sich die empirische Formel (Na2,89K0,03)Σ=0,92(Sb2O3)3,03(Sb0,93S2,79)(OH)0,13·3,01H2O,[3] was zu Na3(Sb2O3)(SbS3)·3H2O idealisiert werden kann.

Ottensit ist das natriumdominante Analogon des kaliumdominierten Cetineits und bildet das Endglied einer zumindest diskontinuierlichen Mischkristallreihe mit Cetineit.[3][4]

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ottensit kristallisiert hexagonal in der Raumgruppe P63 (Raumgruppen-Nr. 173)Vorlage:Raumgruppe/173 mit den Gitterparametern a = 14,1758 Å und c = 5,5712 Å sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Eine Einkristall-Strukturanalyse war aufgrund des Fehlens von geeignetem Material bisher noch nicht möglich.[3] Generell sind für Kristallstrukturen von Cetineit-artigen Komponenten die Anwesenheit von eindimensionalen unendlichen Tunneln parallel zur 63-Achse charakteristisch, die durch die Verknüpfung von SbO3-Pyramiden gebildet werden. In der Struktur des Cetineits sitzen Na(H2O)6-Oktaeder Zeolith-artig statistisch verteilt in diesem Tunnel. Die Kalium-Atome befinden sich im Innern des Tunnels und verbinden die Schwefel-Atome der externen SbS3-Pyramiden zu einem dreidimensionalen Gerüst. Die Struktur des synthetischen Na-Analogons ist mit Ausnahme der Besetzung der Alkaliatome identisch. Auch die Aufsplittung der Sb-Atome der SbS3-Pyramiden, verbunden durch eine Pseudo-Spiegelebene, ist in beiden Strukturen vorhanden. Die Wassermoleküle sind nur mit den Atomen der Alkalimetalle verbunden.[5]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reich mit Ottensit mineralisierte Stibnitstufe aus der Lagerstätte Qinglong, China (Stufengröße: 5,2 cm × 3,0 cm × 2,9 cm)

Morphologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ottensit aus der „Qinglong Mine“ bildet bis zu 1 mm dicke Krusten auf bis zu 5 cm langen und 6 mm breiten Stibnitkristallen. Die Krusten bestehen aus traubigen bis kugeligen Aggregaten mit Durchmessern bis zu 0,3 mm, die mitunter an „roten Kaviar“[6] erinnern. Die Aggregate zeigen in den meisten Fällen eine glatte und glänzende Oberfläche, bestehen aber in wenigen Fällen aus deutlichen Kristallen, an denen das hexagonale Prisma {1010} und das Basispinakoid {0001} zu erkennen sind. Radialstrahlige Aggregate aus gut ausgebildeten säuligen Kriställchen sind nur selten beobachtet worden.[3] Ottensit aus der „Miniera di Pereta“ bildet glänzende rötlichbraune Sphäroide mit einem Durchmesser bis zu 0,2 mm, die aus radial angeordneten Einzelkristallen bestehen. Die Sphäroide sind zu traubig-nierigen oder stalaktitischen Aggregate verwachsen.[7]

Physikalische und chemische Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Farbe der Kristalle und Aggregate des Ottensits ist rotbraun (in der „Miniera di Pereta“ gelegentlich mit hell- oder dunkelorangefarbenem Stich), ihre Strichfarbe dagegen immer gelbbraun.[3] Die Oberflächen der opaken, nur in Splittern durchscheinenden Kristalle und Aggregate weisen einen glasartigen Glanz auf.

An den Kristallen des Ottensits wurde keine Spaltbarkeit festgestellt. Das Mineral bricht aufgrund seiner Sprödigkeit aber ähnlich wie Amblygonit, wobei die Bruchflächen uneben ausgebildet sind. Ottensit weist eine Mohshärte von 3,5 auf und gehört damit zu den mittelharten Mineralen, die sich noch etwas leichter als das Referenzmineral Fluorit mit einem Taschenmesser ritzen lassen. Die berechnete Dichte für Ottensit beträgt 4,14 g/cm³.[3]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ottensit entsteht in der Oxidationszone von antimonreichen Erzlagerstätten als typisches supergenes Alterationsmineral des Stibnits.[3][7] In der „Qinglong Mine“ kam es nach der Bildung der Stibnitkristalle auf diesen zu einer Kristallisation von Fluorit. Mitunter wurde der Stibnit zum Teil später weggelaugt, wodurch Hohlräume zwischen Stibnit und Fluorit entstanden. Anschließend kristallisierte in diesen Hohlräumen der Ottensit, sie teils komplett ausfüllend, oft aber in ihnen sphärische Aggregate bildend. Ein nicht identifiziertes amorphes Antimonoxid färbt die Fluoritüberzüge auf einigen Stufen gelb. Diese Überzüge wurden gelegentlich als Cervantit bezeichnet, was aber noch nicht analytisch bestätigt ist.[6] In der „Miniera di Pereta“ kristallisiert Ottensit direkt auf Stibnit; zur Paragenese gehören Metastibnit, Quarz, Calcit, Valentinit, Brizziit und Mopungit.[7]

Als sehr seltene Mineralbildung konnte Ottensit bisher (Stand 2016) nur von zwei Fundpunkten beschrieben werden.[8][9] Die Typlokalität des Ottensits ist die epithermale Antimon-Gold-Lagerstätte der „Qinglong Mine“ (Dachang Mine) im Antimonerzfeld Dachang, Kreis Qinglong, Autonomer Bezirk Qianxinan der Bouyei und Miao, Provinz Guizhou, China. Der weltweit zweite Fundort ist die Antimonlagerstätte der „Miniera di Pereta“ bei Pereta unweit Scansano, Provinz Grosseto, Toskana, Italien.[9]

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ottensit ist aufgrund seiner Seltenheit ein bei Mineralsammlern begehrtes Mineral.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Marcus J. Origlieri, Thomas A. Laetsch, Robert T. Downs: A note on the paragenesis of ottensite. In: The Mineralogical Record. Band 38, 2007, S. 83–84.
  • Jiří Sejkora, Jaroslav Hyršl: Ottensite, a new mineral from Qinglong, Guizhou Province, China. In: The Mineralogical Record. Band 38, 2007, S. 77–81 (rruff.info [PDF; 2,5 MB]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Ottensite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 26. Januar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. a b c d e f g h i j k l m n Jiří Sejkora, Jaroslav Hyršl: Ottensite, a new mineral from Qinglong, Guizhou Province, China. In: The Mineralogical Record. Band 38, 2007, S. 77–81 (rruff.info [PDF; 2,5 MB]).
  4. a b Mindat – Mineralbeschreibung Schaurteit
  5. a b Cesare Sabelli, Izumi Nakai, Shigeo Katsura: Crystal structures of cetineite and its synthetic Na analogue Na3.6(Sb2O3)3(SbS3)(OH)0.6·2.4H2O. In: The American Mineralogist. Band 73, 1988, S. 398–404 (rruff.info [PDF; 576 kB]).
  6. a b Marcus J. Origlieri, Thomas A. Laetsch, Robert T. Downs: A note on the paragenesis of ottensite. In: The Mineralogical Record. Band 38, 2007, S. 83–84.
  7. a b c Erica Bittarello, Fernando Cámara, Marco E. Ciriotti, Alessandra Marengo: Ottensite, brizziite and mopungite from Pereta mine (Tuscany, Italy): new occurrences and crystal structure refinement of mopungite. In: Mineralogy and Petrology. Band 109, 2015, S. 431–442, doi:10.1007/s00710-015-0375-5.
  8. Mindat – Anzahl der Fundorte für Ottensit
  9. a b Fundortliste für Schaurteit beim Mineralienatlas und bei Mindat