Otto Tischler

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Otto Tischler

Otto Tischler (* 24. Juli 1843 in Breslau; † 18. Juni 1891 in Königsberg i. Pr.) war ein deutscher Prähistoriker.

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Otto Tischler wurde als ältester von drei Söhnen des Bauinspektors Friedrich Alexander Tischler (1805–1864) und der Emilie Frederica Bertha geb. Puttlich geboren. Sein Bruder war der Astronom Friedrich „Fritz“ Tischler (1844–1870).[1] Ein weiterer Bruder, der Gutsbesitzer Oskar Tischler, war Vater des Botanikers Georg Tischler (1878–1955)[2] und des Ornithologen Friedrich Tischler (1881–1945).[3] Als Otto Tischler sechs Jahre alt war, zog die Familie wegen der Versetzung des Vaters nach Königsberg. Nachdem er anfangs von Hauslehrern unterrichtet wurde, besuchte er von Ostern 1852 bis September 1859 das Collegium Fridericianum. Anschließend studierte er bis Ostern 1863 auf der Albertus-Universität Königsberg u. a. bei Friedrich Julius Richelot und Franz Ernst Neumann Mathematik, Physik und Chemie. Dieses Studium setzte er bis Ostern 1864 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Universität Leipzig[4] fort.

Er leistete seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger während des Deutschen Krieges 1866 ab, wurde allerdings nicht auf dem Schlachtfeld eingesetzt. Als Leutnant der Reserve des Infanterie-Regiments „Herzog Karl von Mecklenburg-Strelitz“ (6. Ostpreußisches) Nr. 43 nahm er am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, in dem er das Eiserne Kreuz erhielt.

Ohne formalen Universitätsabschluss – er hat nie eine Staatsprüfung abgelegt – widmete er sich als Privatgelehrter anfangs geologischen, meteorologischen und botanischen, später fast ausschließlich archäologisch-prähistorischen Forschungen. So beschäftigte er sich eingehender mit Fibeln (Gewandnadeln), der Geschichte des Emails und der Glasperlen, der Gliederung der La-Tène-Zeit, unternahm viele Ausgrabungen in Ostpreußen und reiste fast jährlich zwei bis drei Monate zu Vergleichszwecken zu den Museen Europas. Ab 1865 war er Mitglied der Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg, ab 1869 deren Bibliothekar und ab 1874 deren Verwalter der archäologischen Sammlung, die 1879 in das Provinzialmuseum überging.[4] 1880 erhielt er die philosophische Doktorwürde der Universität Leipzig. 1887 besuchte Tischler Alexander von Minutoli, den Gründer des in Liegnitz aufgestellten, ehemals ersten Kunstgewerbemuseums der Welt. Im Tagebuch beschrieb er den Ablauf des einwöchigen Aufenthalts in Minutolis Schloss in Friedersdorf, kunstvolle Einrichtungsgegenstände aus früheren Zeiten, die Erzählungen des Hausherrn über sein Sammlerleben, die Museumsgründung und die Verkäufe von ehemals 28.000 Sammlungsteilen im Liegnitzer Schloss. In seinem Gästezimmer forschteTischler in den antiken Glasssammlungen der Familie von Minutoli, besonders zu Haemation und Millefiori. Einen fratzenhaften Kopf, eine phönizische Arbeit aus dem Jahr 400 v. Chr., zeichnete er genau ab.[5] 1890 erhielt Tischler den Roten Adlerorden. Im selben Jahr wurde er Ehrenmitglied der Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und Altertumskunde. Die Anthropologische Gesellschaft in Wien zählte ihn zu ihren korrespondierenden Mitgliedern. Außerdem war er Mitglied der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.

1891 wurde er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina.[6]

Zu Tischlers Leistungen zählt vor allem die vorgeschichtliche Erforschung anfangs Ostpreußens, später ganz West- und Mitteleuropas. Er legte mit seiner Arbeit zahlreiche Grundlagen für die zu seiner Zeit noch weitgehend unbekannte und nicht staatlich geförderte Vorgeschichtsforschung; unter anderem erkannte er als erster die zeitliche Abgrenzung und Unterteilung der Latènezeit und der ersten nachchristlichen Jahrhunderte in Ostpreußen.[4]

Tischler starb 1891 unverheiratet nach langer schwerer Krankheit in Königsberg.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufsätze veröffentlichte Tischler in den Schriften der Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft und in der Gartenflora. Zeitschrift für Garten- und Blumenkunde.

  • Ostpreussische Gräberfelder. In: Schriften der Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg in Preußen. Band 19, 1878, Abhandlungen S. 159–268
  • Bericht über die anthropologisch-prähistorische Abtheilung des Provinzial-Museums der Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft. In: Karl Wilhelm von Kupffer und Fritz Bessel-Hagen: Schädel und Skelete der anthropologischen Sammlungen zu Königsberg i.Pr. Vieweg, Braunschweig 1880
  • Ueber die Formen der Gewandnadeln (Fibeln) nach ihrer historischen Bedeutung. In: Zeitschrift für Anthropologie und Urgeschichte Baierns’s. Band IV, Wolf, München 1881, Heft 1 und 2, S. 3–40
  • Beiträge zur Kenntniss der Steinzeit in Ostpreussen und den angrenzenden Gebieten. In: Schriften der Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft. Band 23, Königsberg 1882, Abhandlungen S. 17–40
  • Über die Gliederung der La-Tène-Periode und die Dekorierung der Eisenwaffen in dieser Zeit. In: Correspondenz-Blatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Band 14, 1885, S. 157–161.
  • Ueber Aggry-Perlen und über die Herstellung farbiger Gläser im Alterthume. In: Schriften der Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg in Preußen. Band 27, Gräfe und Unzer, Königsberg 1886, Sitzungsberichte S. 5–14
  • Eine Emailscheibe von Oberhof und Abriss der Geschichte des Emails. In: Schriften der Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg in Preußen. Band 27, Gräfe und Unzer, Königsberg 1886, Sitzungsberichte S. 38–58
  • Ueber die Gliederung der Urgeschichte Ostpreußens. Druck von Carl Wilhelmi, Insterburg 1887
  • Bericht über die Archäologisch-Anthropologische Abteilung des Provinzial-Museums der Physikalisch-ökonom. Gesellschaft bei Gelegenheit der Feier des 100jähr. Bestehens der Gesellschaft 1890. In Komm. b. W. Koch, Königsberg i. Pr. 1890
  • Ostpreussische Grabhügel. In: Schriften der Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg in Preußen. Band 27, 1886, Abhandlungen S. 113–176; Band 29, 1888, Abhandlungen S. 106–134; Band 31, 1890, Abhandlungen, S. 1–36
  • Ostpreussische Altertümer aus der Zeit der grossen Gräberfelder nach Christi Geburt. Koch, Königsberg i. Pr. 1902

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Fritz Tischler: Tischler, Otto. In: Altpreußische Biographie. Band 2, Elwert, Marburg 1967, S. 737
  • Friedrich KoldeweyTischler, Otto. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 38, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 374–376.
  • Ferdinand Lindemann: Rede, gehalten am Sarge Otto Tischlers († 18. Juni 1891) in dessen Garten am 21. Juni. In: Schriften der Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg in Pr. Band 32, Königsberg 1891, Abhandlungen S. 1–14 (mit Bild und Werkverzeichnis mit über 100 Nummern); außerdem in: Band XXXII, Sitzungsberichte S. 38–40 und 65–66, Band XXXIII, S. [26ff.]
  • Gustav Hirschfeld: Erinnerung an Otto Tischler. In: Königsberger Allgemeine Zeitung. Nr. 295, 28. Juni 1891; auch abgedruckt als Zum Gedächtnis an Otto Tischler. In: Correspondenz-Blatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 1891, Nr. 8, S. 57–60
  • Zeitschrift für Ethnologie. Band 23, Berlin 1891, Verhandlungen S. 291
  • Mitteilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien. Band XXXI, 1891, S. [59] und [61]; Band XXXII, 1892, S. [17]
  • Hugo Jentsch: Dr. Otto Tischler. In: Niederlausitzer Mitteilungen. Band 2, Guben 1892, S. 201–202
  • Julius Nicolaus Weisfert: Biographisch-litterarisches Lexikon für die Haupt- und Residenzstadt Königsberg und Ostpreußen. 2. Ausgabe, Bon, Königsberg 1898
  • Herbert Kühn: Geschichte der Vorgeschichtsforschung. Walter de Gruyter, Berlin [u. a.] 1976, ISBN 3-11-005918-5, S. 242 (Digitalisat von Google Books)
  • Hans Gummel: Forschungsgeschichte in Deutschland. Berlin 1938, S. 461–462, mit Bild auf Tafel 16 (vor S. 449)
  • Tìšleris (Tischler) Otas. In: Mažoji lietuviškoji tarybinė enciklopedija. Band 3, Leidykla „Mintis“, Vilnius 1971, S. 555
  • Mirosław J. Hoffman: Otto Tischler – w stulecie śmierci [On the 100th Anniversary of Otto Tischler’s death]. In: Pomorania Antiqua. Band 15, 1993, ISSN 0556-0691, S. 313–338 (mit Bild; polnischer Text mit englischer Zusammenfassung)
  • Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie. 2. Ausgabe, Band 10, Saur, München 2008, ISBN 978-3-598-25040-8, S. 52
  • Elke Rosskamp/Susanne Grunewald: Leidenschaft aus der Frühzeit der Archäologie. Otto Tischler und seine Beiträge zur antiken Glasproduktion. Eine Spurensuche anläßlich seines 125. Todestages. In: Acta praehistorica et archaeologica, Bd. 49 (2017), S. 189–219.
  • Clemens Lichter/Elke Rosskamp: „... sind in's grossherzogliche Altertumsmuseum nach Karlsruhe gelangt...“. Zwei Stücke aus dem bronzezeitlichen Hortfund von Willkühnen/Ostpreußen. In: Acta Praehistorica et Archaeologica, Jg. 53 (2021), S. 27–37.
  • Minkels, Dorothea (Minutoli-Gesellschaft Berlin e.V. Hrsg., Bd. 2): Alexander von Minutoli, Daguerreotypist der familiären Kunst(gewerbe)-Sammlungen, Norderstedt 2021 (ISBN 978-3-7534-1064-7), S. 321–326

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Otto Tischler – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. zu Friedrich (Carl Adalbert) Tischler siehe: Johann Christian Poggendorff (Begründer); B. W. Feddersen und A. J. von Oettingen (Hrsg.): J.C. Poggendorff’s Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften. Band III: 1858–1883. 2 Teile, Barth, Leipzig 1897 und 1898; und Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie. 2. Ausgabe, Band 10, Saur, München 2008, ISBN 978-3-598-25040-8, S. 52.
  2. zu Georg Tischler siehe: Robert Volz: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild. Band 2: L–Z. Deutscher Wirtschaftsverlag, Berlin 1931, DNB 453960294 (mit Bild); Wolfgang Tischler: Tischler, Georg. In: Altpreußische Biographie. Band 2, Elwert, Marburg 1967, S. 737; Friedrich Volbehr und Richard Weyl: Professoren und Dozenten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1665–1954. 4. Auflage, Hirt, Kiel 1956; Gerd Reese: Tischler, Georg Friedrich Leopold. In: Olaf Klose (Hrsg.): Schleswig-holsteinisches biographisches Lexikon. Band 1. Wachholtz, Neumünster 1970
  3. Wolfgang Tischler: Tischler, Friedrich. In: Altpreußische Biographie. Band 2, Elwert, Marburg 1967, S. 736–737
  4. a b c Wolfgang La Baume: Schöpfer der Vorgeschichtsforschung. Zum 100. Geburtstag von Dr. Otto Tischler. In: Königsberger Allgemeine Zeitung. Nr. 200. Königsberg 21. Juli 1943 (Artikel namentlich unterzeichnet von „Prof. Dr. La Baume“).
  5. Minkels, Dorothea (Minutoli-Gesellschaft Berlin e.V., Hrsg.): Alexander von Minutoli, Daguerreotypist der familiären Kunst(gewerbe)-Sammlungen, 2021, ISBN 978-3-7534-1064-7), S. 325, farbiger Bildanhang, S. 809.
  6. Mitgliedseintrag von Otto Tischler bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 18. Juni 2016.