Philipp Ernst Spieß

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Philipp Ernst Spieß

Philipp Ernst Spieß (* 27. Mai 1734 in Ettenstatt in Mittelfranken; † 26. März 1794 in Bayreuth) war ein deutscher Historiker, Archivar, Offizier und Publizist.

Leben und Beruf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Spieß besuchte ab 1746 das Gymnasium in Ansbach und studierte ab 1752 Rechtswissenschaften in Jena, konnte das Studium aber nicht abschließen. Aufgrund seiner enormen Körpergröße wurde er 1754 während eines Besuchs bei seiner Familie unter Zwang zur markgräflichen Armee einberufen. 1762 wurde Spieß Leutnant[1]. Neben seiner Dienstzeit bildete er sich weiter in Staatsrechten, Literatur, Geschichte und Sprachen. Immer wieder wurde Spieß zu Nachforschungen und Ordnungsarbeiten ins Geheime Hausarchiv nach Kulmbach auf die Plassenburg geschickt.

Markgraf Christian Friedrich Karl Alexander stellte den inzwischen zum Oberleutnant beförderten Spieß 1769 als Archivar für das Geheime Hausarchiv der Hohenzollern auf der Plassenburg in Kulmbach an[2]. Seit 1770 führte er den Titel Hochfürstlich-Brandenburgischer würklicher Regierungs-Rath und vorderster Geheimer Archivar zu Plassenburg. Markgraf Karl Alexander gab Spieß zwei weitere Archivare, einen Archivsekretär, einen Archivkanzlisten und einen Archivdiener zur Seite.

Spieß ordnete die Bestände auf der Plassenburg und forschte in diesem Archiv zur Geschichte der Familie Hohenzollern und des Reiches. Er erstellte neue Arbeitstechniken und Theorien zum Archivwesen[3]. Wichtig waren ihm die Sicherung und Ergänzung des vorhandenen Archivgutes, er schränkte den Verkauf von Makulaturpapieren an Kaufleute und die Abgabe an die Armee zur Patronenherstellung ein. Er wollte alle Registraturen der beiden fränkischen Markgrafentümer beaufsichtigen, um wichtiges Material für die Archive zu sichern. Mit seinen Mitarbeitern erstellte er Regestenwerke, Findbücher und Kopien zahlreicher Archivalien und stellte sie als Abschriften thematisch zusammen, darunter eine sogenannte diplomatische Blumenlese[4], ohne die originalen Archivalien aus ihrem Zusammenhang zu reißen und wie sonst üblich nach Sachbetreffen zu ordnen (Pertinenzprinzip). In seinen Schriften plädierte er dafür, die Archivalien nach einem Aktenplan abzulegen und die Urkunden so zu ordnen, wie sie ursprünglich eingingen. Damit nahm Spieß das heute in Archiven gängige Provenienzprinzip vorweg[5].

Spieß entlarvte zahlreiche Urkunden als Fälschungen früherer Jahrhunderte und publizierte auch seine Methoden, die Unechtheit von Urkunden zu beweisen[6]. Als Früchte dieser Arbeit und Forschung veröffentlichte er zahlreiche Schriften zum Archivwesen, zur Urkundenlehre bzw. Diplomatik und zur Geschichte[7]. Er gilt zusammen mit seinem Dienstherrn Markgraf Alexander als einer der Begründer des modernen Denkmalschutzes[8]. Ab 1783 brachte er mit den Archivischen Nebenarbeiten und Nachrichten vermischten Inhalts mit Urkunden die erste deutsche Zeitschrift zur Urkundenlehre und zum Archivwesen heraus. Aus all seinen Arbeiten und Publikationen ergab sich für ihn ein großer Bekanntheitsgrad in der gelehrten Welt, und aus dem ganzen Reich traten Archivare und fürstliche Verwaltungen mit ihm in Kontakt und ließen sich den effektiven Aufbau und die sinnvolle Verwaltung eines großen Archivbestandes erläutern. Spieß bildete ab 1777 die Abgesandten aus mehreren Fürstentümern in Diplomatik, Archivwesen und Paläographie aus. Er wurde von Städten, Adelsfamilien, Fürsten- und Herrscherhäusern eingeladen, um deren Archive zu sichten und Vorschläge für deren Ordnungen und Verwaltung zu machen, so bei Kaiser Joseph II. in Wien[9] und bei König Friedrich II. von Preußen in Berlin. Aufgrund einer schweren Krankheit siedelte Spieß 1790 von Kulmbach nach Bayreuth in die Nähe des Markgräflichen Hofes um, wo er sich als Archivrat[10] von nun an vor allem dem Geheimen Archiv Bayreuth widmete. Zusammen mit dem Bayreuther Verleger Hacker gab Spieß 1794 seine Autobiographie unter dem Titel Lebensumstände des Herrn Phil. Ernst Spieß von ihm eigenhändig verfaßt heraus. Ein Großteil des von ihm bearbeiteten Geheimen Hausarchivs von der Plassenburg befindet sich heute im Staatsarchiv Bamberg.

1783 wurde er als auswärtiges Mitglied in die Bayerische und 1792 in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen.[11]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Archivarische Nebenarbeiten, 2 Bände, Halle 1763–65 (online – Internet Archive Bd. 1, Ausgabe 1783)
  • Aufklärungen in der Geschichte und Diplomatik als eine Fortsetzung der archivischen Nebenarbeiten. Verlag der Zeitungsdruckerey, Bayreuth 1791. (Digitalisat)
  • Bulla aurea Rudolfi. I. Romanorum regis, quae Plassenburgi in archivo Brandenburgico asservatur - exhibita et descripta additis quibusdam ad sphragisticam annotationibus a Philippo Ernesto Spies, Bayreuth 1774
  • Etwas aus dem Bericht einer Reise nach Wien im Jahre 1785, Bayreuth ohne Jahresangabe (nach 1785)
  • Geschichte des Kayserlichen neuniährigen Bunds vom Jahr 1535 bis 1544 als eine neue Erscheinung in der Teutschen Reichsgeschichte, Erlangen 1788 (online – Internet Archive)
  • Lebensumstände des Herrn Phil. Ernst Spieß von ihm eigenhändig verfaßt, Bayreuth 1794
  • Von Archiven, Halle 1777. (Digitalisat)
  • Von Reuter-Siegeln. Gebauer, Halle 1784. (Digitalisat)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Pierer’s Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 552
  2. Im Staatsarchiv Bamberg befindet sich heute noch der als „Ringkragen“ bezeichnete Brustschild, Teil der Uniform des Oberleutnants Spieß, der ihn 1771 im Geheimen Hausarchiv Plassenburg deponierte. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 24. August 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gda.bayern.de
  3. Und während der Archivar Philipp Ernst Spieß sich bereits 1777 wohl als einziger bemüht hatte, eine Ordnung von der Form und dem Inhalt des Materials selbst her abzuleiten, gefiel sich die Mehrheit seiner sich mit theoretischen Vorschlägen aus der Deckung wagenden Kollegen wie z. B. Friedrich Bernhard Zinkernagel (1800) oder Josef Anton Oegg (1804) darin, das ultimative Ordnungsschema auf deduktivem Wege zu konstruieren. http://www.landesarchiv-bw.de/web/47729
  4. Eine Blumenlese, lat. Florilegium, entspricht im 18. Jahrhundert im Bereich der Verwaltung und des Staats- und Archivwesens einer Anthologie
  5. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 8. Februar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.archiv.sachsen.de
  6. 1778 entlarvte Spieß sämtliche auf der Plassenburg vorhandenen Burgbernheimer Privilegien als Geburt eines einfältigen diplomatischen Betrügers, und ihre Konfirmation durch Kaiser Ferdinand II. als erschlichen http://emmert.homepage.t-online.de/faelschungen1.htm@1@2Vorlage:Toter Link/emmert.homepage.t-online.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  7. Vieles davon findet sich im Bestand des Thüringischen Hauptstaatsarchivs in Weimar http://www.b2i.de/fabian?Thueringisches_Hauptstaatsarchivs_Weimar
  8. Spieß zeichnet verantwortlich für zwei Ausschreiben des Markgrafen zum Denkmalschutz von 1771 und 1780. Hammer, Felix: Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, Tübingen 1993, S. 38 f.
  9. Philipp Ernst Spieß: Etwas aus dem Bericht einer Reise nach Wien im Jahre 1785 in: ArchBayreuthG 1, Heft 3, 1830, S. 141–146.
  10. Max Döllner: Entwicklungsgeschichte der Stadt Neustadt an der Aisch bis 1933. 1950; 2. Auflage, Ph. C. W. Schmidt, Neustadt an der Aisch 1978, ISBN 3-87707-013-2, S. 83.
  11. Mitglieder der Vorgängerakademien. Philipp Ernst Spieß. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 18. Juni 2015.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]