Philipp Kozower

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Stolperstein, Oranienburger Straße 9–10, in Berlin-Mitte

Philipp Kozower (* 29. Januar 1894 in Berlin; † Oktober 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau) war ein deutscher Jurist und jüdischer Verbandsfunktionär, der Opfer des Holocaust wurde.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kozower war in Berlin als Rechtsanwalt und Notar tätig.[1] In seiner Heimatstadt bekleidete er führende Positionen bei der Zionistischen Vereinigung für Deutschland (ZVfD) und der Jüdischen Volkspartei. Von 1929 bis 1943 gehörte er dem Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Berlin an,[2] zuletzt als stellvertretender Vorsitzender.[3]

Kozower war verheiratet mit Gisela, geborene Herzberg.[4] Das Paar hatte drei Kinder: Eva Rita (* 20. Mai 1932), Alice (* 19. Juni 1934) und Uri Aron (* 13. November 1942).[5] Die Familie Kozower hatte ihren Wohnsitz in der Oranienburger Straße 9–10.[4]

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten durfte er nicht mehr als Jurist tätig werden. Bei der Reichsvertretung der Deutschen Juden gehörte er ab 1937 dem Präsidialausschuss an und nach der Umgestaltung dieser Organisation in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland deren Vorstand. Bei der Reichsvereinigung umfasste sein Aufgabenfeld Wohnungsfragen und Bestattungswesen.[2] Anfang 1939, noch bevor die Reichsvereinigung offiziell installiert war, wurden Kozower sowie Heinrich Stahl als Vertreter der jüdischen Gemeinde Berlin zusammen mit Franz Meyer von der Zionistischen Vereinigung von Adolf Eichmann nach Wien beordert, um die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien in Augenschein zu nehmen.[6]

Kozower, der im Vorstand der Reichsvereinigung als Verbindungsmann zur Gestapo zuständig war, gehörte zu den ersten drei jüdischen Personen, denen von Kriminalsekretär Franz Prüfer Anfang Oktober 1941 mitgeteilt wurde, dass die Deportation der Berliner Juden bevorstünde und dass die jüdische Gemeinde mitwirken müsse. Andernfalls würde dieses Vorhaben durch die SA und SS durchgeführt werden.[7] Die jüdischen Funktionäre wurden bei Todesandrohung zur Verschwiegenheit verpflichtet und zunächst im Glauben belassen, es handele sich nur um eine „Wohnungsräumaktion“ und Teil-Evakuierung.

In der als Sammelstelle benutzten Synagoge Levetzowstraße beaufsichtigte Kozower die jüdischen Ordner. Nach dem Brandanschlag auf die Propagandaausstellung Das Sowjet-Paradies wurde Kozower mit anderen Funktionären der Reichsvereinigung und der Wiener und Prager Kultusvereinigungen kurzzeitig in Geiselhaft genommen.[8]

Am 28. Januar 1943 wurden Kozower und seine Familie in das Ghetto Theresienstadt deportiert.[1] Innerhalb der Ghetto-Selbstverwaltung gehörte er dem Ältestenrat an.[9] Ab dem 15. April 1943 leitete er die Poststelle des Ghettos.[10] Die Familie wird in der Schlussszene des NS-Propagandafilms Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet gezeigt, wo sie ein unbeschwertes Familienleben im Ghetto demonstrieren sollte. Die Rolle der Großeltern mussten David Cohen und Ehefrau spielen.[11] Kurz darauf wurde die Familie Kozower am 12. Oktober 1944 in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert und dort wahrscheinlich kurz nach der Ankunft durch Gas ermordet.[12][13]

Im Oktober 2002 wurde vor dem ehemaligen Wohnort, in Berlin-Mitte, Oranienburger Straße 9–10, für ihn und seine Familie Stolpersteine verlegt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Otto Dov Kulka: Deutsches Judentum unter dem Nationalsozialismus, Band 1: Dokumente zur Geschichte der Rechtsvertretung der deutschen Juden 1933–1939, Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 54, Mohr Siebeck, Tübingen 1997, ISBN 3-16-146413-3, S. 499.
  • Susanne Krejsa: Spurensuche. Der NS-Anwalt und Judenretter Helmut Pfeiffer, Vergangenheitsverlag, Berlin 2011, ISBN 3-864-08003-7, S. 110f, 148, 155, 157, 172.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Philipp Kozower – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Andreas Nachama, Elke-Vera Kotowski, Julius Hans Schoeps, Hermann Simon: Juden in Berlin: Biografien, Henschel, Berlin 2005, S. 300
  2. a b Deutsches Judentum unter dem Nationalsozialismus, Band 1, Tübingen 1997, S. 499
  3. Christian Dirks: „Traurige Erlebnisse aus der Nazi-Hölle Deutschland“. Zum Schicksal der Familie Scheurenberg. In: Beate Meyer, Hermann Simon (Hg.): Juden in Berlin 1938-1945, Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung in der „Stiftung Neue Synagoge Berlin-Centrum Judaicum“, Philio Verlagsgesellschaft mbH, Berlin 2000, ISBN 3-8257-0168-9, S. 204
  4. a b Anna v. Arnim: Stolperspalte. In: Kirchenfenster – Kirchengemeinde Sophien, Berlin, Ausgabe September 2010, S. 14
  5. Zug der Erinnerung - Berlin: 4393 Kinder und Jugendliche (PDF-Datei; 210 kB)
  6. Beate Meyer: Tödliche Gratwanderung - Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland..., Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-0933-3, S. 41.
  7. Beate Meyer: Tödliche Gratwanderung - Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland..., Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-0933-3, S. 126–127.
  8. Beate Meyer: Tödliche Gratwanderung - Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland..., Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-0933-3, S. 191.
  9. Hans Günther Adler: Theresienstadt. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft 1941-1945, 1960, S. 253
  10. Institut Theresienstädter Initiative: Theresienstädter Studien und Dokumente, 2001, S. 131
  11. Karel Margry: Das Konzentrationslager als Idylle: Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet. In: Auschwitz: Geschichte, Rezeption und Wirkung. Jahrbuch 1996 zur Geschichte und Wirkung des Holocaust, Fritz Bauer Institut (Hg.), Campus, Frankfurt am Main 1996, S. 343, 349
  12. Gudrun Maierhof: Selbstbehauptung im Chaos: Frauen in der jüdischen Selbsthilfe 1933–1943; 2002; S. 293
  13. University over the Abyss - List of Lecturers in Ghetto Theresienstadt