Piersele

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Piersele
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Piersele (Polen)
Piersele (Polen)
Piersele
Basisdaten
Staat: Polen
Woiwodschaft: Ermland-Masuren
Powiat: Bartoszyce
Gmina: Bartoszyce
Geographische Lage: 54° 21′ N, 20° 41′ OKoordinaten: 54° 21′ 2″ N, 20° 40′ 31″ O
Einwohner: 77 (2021[1])
Postleitzahl: 11-200[2]
Telefonvorwahl: (+48) 89
Kfz-Kennzeichen: NBA
Wirtschaft und Verkehr
Straße: MolwityDK 51 → Piersele
Solno → Piersele
Eisenbahn: kein Bahnanschluss
Nächster int. Flughafen: Danzig



Piersele (deutsch Perscheln) ist ein Ort im Norden der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren. Es liegt im Powiat Bartoszycki (Kreis Bartenstein (Ostpr.)) und gehört zur Gmina Bartoszyce (Landgemeinde Bartenstein).

Geographische Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Piersele liegt 14 Kilometer nordwestlich der Kreisstadt Bartoszyce (Bartenstein) und fünf Kilometer südöstlich der früheren und heute auf russischem Hoheitsgebiet gelegenen ehemaligen Kreisstadt Preußisch Eylau (russisch Bagrationowsk), sowie drei Kilometer südlich der Grenze zum russischen Oblast Kaliningrad im ehemaligen Ostpreußen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gutsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Piersele war ein adliges Gut.[3] Einst[4] besaß die Familie von Aulock die Begüterung, zuletzt Johanne Loysa von Aulock. Sie heiratete Johann Siegmund von Malgedein, dessen Familienzweig von Malgedein (I.) mit ihm 1728 ausstarb.[5] Die Witwe von Malgedein ehelichte dann Carl Sigmund von Unruh, der 1734 die Erlaubnis erhielt, „sich von der Last des Besitzes befreien zu dürfen. Es bleib durch die Schuldenlast und den Zustand nichts übrig.“[6] Am Anfang des 19. Jahrhunderts befand sich das Gut im Besitz von Angehörigen der Familie Falkenhayn. Um 1807 war der Hauptmann a. D. Bernhard von Falkenhayn der Gutsherr.[7] Zur Zeit der Schlacht bei Preußisch Eylau im Februar 1807 war im Gutshaus ein Lazarett eingerichtet worden.[8]

Das Gutshaus war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts neu errichtet worden. Um 1840 kommt die briefadelige Familie von Gottberg nach Perscheln, kurz, in Person des Werner von Gottberg.[9] Vor 1833 hatte das Gut eine Fläche von 848 Morgen, und in dem Dorf lebten in neun Haushaltungen insgesamt 63 Einwohner.[10] Seit der zweiten Hälfte[11] des 19. Jahrhunderts befand sich das Gut im Besitz eines Zweigs der brandenburgischen Adelsfamilie von Berg. Gutsherr der Familie wurde zuerst Hermann von Berg-Perscheln (* 1814; † 1880). Dann folgte dessen Enkel, der Sohn des Hauptmann Botho sen. von Berg, verheiratet mit Klara von Czarnowska, Hermann jun. von Berg (* 1874; † 1946), der bei Stettin starb.[12] Hermann jun. von Berg hatte 1901 mit Hildegard von Pappard eine Familie gegründet und den Gutsbesitz betreut. Als Erbe vorgesehen war Botho jun. von Berg (* 1903; † 1983).[13] Er veröffentlichte später ein Buch über die ostpreußische Heimat.[14] Seine ältere Schwester Charlotte heiratete auf Perscheln den Landwirt Ernst von Glasow, die jüngere Schwester Erika heiratete auf Perscheln 1927 den späteren Widerstandskämpfer Albrecht von Hagen, er wurde 1944 hingerichtet. Die Größe des Rittergutes war Anfang der 1930er Jahre, also nach der großen Wirtschaftskrise, 358 ha. Man betrieb u. a. Bienenzucht und eine Kiesgrube.[15]

1864 fand auf Gut Perscheln die Hochzeit der Ida von Berg-Perscheln mit dem späteren General Otto von Derenthall statt.

Ortsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 7. Mai 1874 wurde Perscheln Amtsdorf und damit namensgebend für einen Amtsbezirk im ostpreußischen Kreis Preußisch Eylau.[16] Die Zahl der Einwohner des Dorfes belief sich im Jahre 1910 auf 98.[17]

Am 30. September 1928 schlossen sich die Nachbarorte Perscheln und Zohlen (polnisch Solno) zur Landgemeinde Zohlen-Perscheln zusammen, die bis 1945 bestand. Bemerkenswert war, dass beide Orte jeweils weiterhin dem bisherigen Amtsbezirk zugehörig blieben. Perscheln gehörte eben auch als Ortsteil der Gemeinde Zohlen-Perscheln bis 1945 zum Landkreis Preußisch Eylau im Regierungsbezirk Königsberg der preußischen Provinz Ostpreußen. Das Gutshaus hatte den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschädigt überstanden.

Im März 1945 kam Perscheln mit dem südlichen Ostpreußen unter die Verwaltung der Volksrepublik Polen. Sie benannte es in Piersele um, vertrieb die Einwohner und wandelte das Gut in einen landwirtschaftlichen Staatsbetrieb um. Das Gutshaus zerfiel und wurde später abgebrochen.

Das Dorf ist heute ein Teil der Gmina Bartoszyce (Landgemeinde Bartoszyce) im gleichnamigen Powiat der Woiwodschaft Ermland-Masuren (1975–1998 Woiwodschaft Olsztyn).

Amtsbezirk Perscheln (1874–1945)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zum Amtsbezirk Perscheln gehörten anfangs fünf, später noch vier Orte. Die Dörfer selbst oder ihre verbliebenen leeren Ortsstellen liegen heute auf polnischem (PL) wie auch auf russischem (RUS) Gebiet:[16]

Deutscher Name Polnischer bzw.
russischer Name
Anmerkungen
Perscheln (ab 1928:
Ortsteil der Gemeinde
Zohlen-Perscheln)
Piersele (PL) 1928 nach Zohlen-Perscheln eingemeindet
Rothenen Rotajni (PL)
Serpallen Kaschtanowka (RUS)
Warschkeiten Warszkajty (PL)
Zehsen Sajzy (PL) 1928 nach Rothenen eingemeindet

Kirche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis 1945 war Perscheln nach Preußisch Eylau (russisch Bagrationowsk) eingepfarrt: zur dortigen evangelische Pfarrkirche[18] in der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union und außerdem zur römisch-katholischen Kirche der Kreisstadt im damaligen Bistum Ermland.

Heute gehört Piersele katholischerseits zur Pfarrei in Bezledy (Beisleiden) im jetzigen Erzbistum Ermland, evangelischerseits zur Kirchengemeinde in Bartoszyce (Bartenstein), einer Filialgemeinde der Johanneskirche Kętrzyn (Rastenburg) in der Diözese Masuren der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen.

Verkehr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Piersele liegt westlich der polnischen Landesstraße 51 (einstige deutsche Reichsstraße 128) und direkt zu erreichen.

Eine Bahnanbindung besteht nicht mehr, seit die Bahnlinien Bahnstrecke Königsberg–Preußisch Eylau bzw. Bahnstrecke Preußisch Eylau–Lyck (–Prostken) heute getrennt sind und nicht mehr in Gänze befahren werden. So ist nicht nur Piersele, sondern mehr noch die Stadt Bagrationowsk ohne Anschluss an den Bahnverkehr.

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus dem Ort gebürtig[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem Ort verbunden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hermann von Berg-Perscheln (1814–1880), preußischer Offizier und Landrat, Mitglied des pr. Abgeordnetenhauses, verstarb am 1. Mai 1880 in Perscheln

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ludwig von Baczko: Begebenheiten des Hauptmanns von Falkenhayn auf Perscheln, in den Tagen der Schlacht bei Pr. Eylau. In: Beiträge zu Kunde Preußens. Band 2, Königsberg 1819, S. 177–193. (Volltext)
  • Carl von Lorck: Herrenhäuser Ostpreussens. Bauart und Kulturgehalt. 1933, S. 28.
  • Host Schulz, Emil Johannes Guttzeit: Der Kreis Preußisch-Eylau. Geschichte und Dokumentation eines ostpreussischen Landkreises. (Hrsg.): Kreisgemeinschaft Preußisch Eylau, Verden/Ahlen 1983.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Polska w Liczbach: Osada Piersele w liczbach (polnisch)
  2. Poczta Polska: Oficjalny Spis Pocztowych Numerów Adresowych, 2022, S. 937 (polnisch)
  3. Adlich Perscheln, bei Preuß. Eylau, 1845. Adlich Dominium, in: Oeffentlicher Anzeiger zu №. 40, Amtsblatt der Königlichen Regierung Bromberg, Bromberg, den 3. October 1845, S. 866.
  4. Leopold Freiherr von Zedlitz-Neukirch: NPA-L, Band 2, Gebrüder Reichenbach, Leipzig 1836, S. 271.
  5. George Adalbert von Mülverstedt, Ad. M. Hildebrandt: Ausgestorbener Preussischer Adel. Provinz Preussen, in: J. Siebmacher's großes und allgemeines Wappenbuch, Sechster Band, Vierte Abtheilung, Bauer & Raspe Besitzer Emil Küster, Nürnberg 1874, S. 46.
  6. Konrad Max von Unruh: Die Unrugher. Versuch eines Anfanges zur Stoffsammlung für die Unruh'sche Familiengeschichte, Abschnitt X. Die Schlesischen Unruhs, Verlag Dünnhaupt, Köthen 1906, S. 272.
  7. Ludwig von Baczko: Begebenheiten des Hauptmanns von Falkenhayn auf Perscheln, in den Tagen der Schlacht bei Pr. Eylau. in: Beiträge zu Kunde Preußens, Band 2, Königsberg 1819, S. 177-193.
  8. Eduard v. Höpfner: Der Krieg von 1806 und 1807, Zweiter Theil, Dritter Band, Der Feldzug von 1807. Fünftes Kapitel. Die Winterquatiere der Franzosen, 2. Auflage, Simon Schropp & Comp., Berlin 1855, S. 228.
  9. Franz von Gottberg, Franz Döring von Gottberg: Rückblick auf die Entwicklung des Geschlechts von Gottberg. Der Familie gewidmet. Erinnerung an den 8. November 1595, XI. Der ehemalige und heutige Grundbesitz der Familie v. Gottberg, Gerth & Oppenrieder, Gera 1895, S. 44.
  10. Leopold Krug: Die preußische Monarchie; topographisch, statistisch und wirtschaftlich dargestellt. Teil I: Die Provinz Ostpreußen, Berlin 1833, S. 570.
  11. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. Der in Deutschland eingeborene Adel (Uradel). 1903, Vierter Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1902, S. 110.
  12. Hans Friedrich von Ehrenkrook, Jürgen Thiedicke von Flotow, Friedrich Wilhelm Euler, Walter von Hueck: Genealogisches Handbuch der Adeligen Häuser, A (Uradel), Band III, Band 15 der Gesamtreihe GHdA, C. A. Starke, Glücksburg/Ostsee 1957, S. 1–3. ISSN 0435-2408
  13. Irmgard Gegner-Sünkler: Worienen - Woryny. Chronik eines Ortes in Natangen, Online-Ressource, BoD, Norderstedt 2020, S. 360. ISBN 978-3-7504-3167-6.
  14. Botho von Berg: Mit Trakehnern fing alles an. Ein Lebensbericht für meine Reiterfreunde und andere Pferdenarren, in: Ostpreussisches Mosaik; Band 5, Hrsg. Ruth Maria Wagner, Verlag Rautenberg, Leer/Ostfriesland 1976. ISBN 3-7921-0173-4.
  15. Landwirtschaftliches Adreßbuch der Domänen, Rittergüter, Güter und Höfe der Provinz Ostpreußen 1932, in: Niekammer`s Landwirtschaftliche Güter-Adressbücher, Band III, Selbstverlag der Niekammer`s Güter-Adressbüchern GmbH, Leipzig 1932, S. 376.
  16. a b Rolf Jehke: Amtsbezirk Perscheln, in: Territoriale Veränderungen in Deutschland und deutsch verwalteten Gebieten 1874-1945, Herdecke. Zuletzt geändert am 7. Mai 2005.
  17. Uli Schubert: Gemeindeverzeichnis Landkreis Preußisch Eylau. Letzte Aktualisierung: 17. September 2022.
  18. Walther Hubatsch: Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens, Band 3, Dokumente, Göttingen 1968, S. 470.